zur Navigation zum Inhalt
Historisches Schwarz-Weiß-Foto, das eine WIR-Redaktionssitzung in den frühen 80er Jahren zeigt.

Das große Basteln: Wie wir früher die WIR produzierten

Weihnachtszeit ist Bastelzeit. Das galt lange auch für die Herstellung der WIR, die in diesem Monat ihren 65. Geburtstag feiert. Grund genug, nochmal unser Stiftungsmagazin nochmal zu würdigen. Im Archivstück des Monats Oktober habe ich bereits berichtet, dass wir alle bisher erschienen Ausgaben des WIR-Magazins nun vollständig digitalisiert haben. Heute geht es um die Frage, wie die WIR Produktion lief, als so etwas noch nicht ganz einfach am Computer erledigt werden konnte. Denn damals war das noch ein richtiges Handwerk Und natürlich geht es auch um Weihnachten. Oder vielmehr einen Rückblick auf die Berichte über das Weihnachtsfest, die sich in der Januar-Ausgabe der WIR von 1983 finden.

Vom Entwurf…

Im Archiv der Fürst Donnersmarck-Stiftung wird nicht nur ein kompletter Satz aller erschienenen WIR-Zeitschriften aufbewahrt. Zu einigen Ausgaben sind auch die Entwürfe und Druckfahnen der jeweiligen Hefte erhalten geblieben. Sie zeigen uns heute, wie damals die WIR gemacht wurde. Zum Beispiel die Januarausgabe 1983. Normalerweise begann alles mit Berichten, die handschriftlich oder mit der Schreibmaschine geschrieben und korrigiert wurden. Dabei konnte es schonmal passieren, dass die später gedruckten Texte regelrecht zusammengebastelt werden mussten. Ein Beispiel dafür ist Eva Adams Bericht über die Aktivitäten der „Gruppe Charloville“. Auf drei maschinenschriftlichen Seiten berichtete sie über ausgewählte Gruppenbegegnungen des Jahres 1982: Man traf sich beispielsweise zum Essen von Sauerbraten mit Klößen (7. September), zum Erntedankfest (12. Oktober), zu einer Auktion zur Aufbesserung der Gruppenkasse (2. November), zum Eintopfkochen (16. November) und schließlich zur Weihnachtsfeier am 21. Dezember traf. Über sie heißt es in der WIR:

„Gemeinsam mit der Bastel-, Loccy- und Treffpunktgruppe erlebten wir festliche Stunden. Feierlich und beeindruckend zogen sie uns alle in ihren Bann. Herzliche Worte über den Sinn des Tages, der uns zusammenführte, wurden von Frau Neukirchen-Diem gehalten. Die Grußübermittlung vom Kuratorium der Stiftung überbrachte uns Herr Reichel und ließ uns wissen, daß viele positive Aspekte aus den Gruppen zu verzeichnen sind. […] Der Bezirksbürgermeister, Herr Kleemann, drückte in seiner Ansprache die herzliche Verbundenheit zu unserer Stiftung aus und teilte mit, daß nunmehr ein Fahrstuhl im Rathaus Zehlendorf in Betrieb ist.“

Scan einer Text-Korrektur.

Scan der Korrekturen: zum Vergrößern Klicken.

Heute merken die Leserinnen und Leser natürlich nicht mehr, dass diese Passage zu der Weihnachtsfeier im ersten Entwurf noch viel kürzer war. Denn im ersten Entwurf berichtete Eva Adam nur über die Weihnachtsgrüße und die Aktivitäten der Charloville-Gruppe, ohne jedoch auf Einzelheiten wie etwa den neuen Fahrstuhl im Rathaus einzugehen. Natürlich hätte dieser Bericht auch gedruckt werden können. Aber Eva Adam war offenbar unzufrieden und schickte unter dem Stichwort „Echo“ und der Überschrift „Fortsetzung zum Echo Artikel“ schickte zwei weitere Blätter nach, die ausführlicher über die Geschehnisse der Weihnachtsfeier berichteten.

Scan einer Text-Korrektur.

Scan der Korrekturen: zum Vergrößern Klicken.

Packen WIR’s an

Der ursprüngliche Artikel war nun jedoch nicht mehr einheitlich und wiederholte sich an verschiedenen Stellen. Er musste also nachträglich bearbeitet werden. Mindestens zwei Personen machten sich mit blauen, schwarzen und roten Kugelschreibern an die Arbeit. Ganze Textteile wurden gestrichen und weitere mit einfachen oder doppelten Sternchen oder Pfeilen an anderer Stelle platziert. Zu den gestrichenen Passagen gehörte auch ein Ausblick auf die Gruppentätigkeit im Jahr 1983 mit einem dazugehörenden Gedicht. In ihm ist unter dem Titel „PACKEN WIR’S AN“ zu lesen:

1983 hat begonnen
seid im Handeln stets besonnen
Miteinander Füreinander
Täglich Leitsatz im Kalender.
Das Gespräch kann vieles Klären –
Bringt Erleichterung bringt verstehen
­‘mal runter und ‘mal rauf ­
Bunt gemischt der Lebenslauf!

Scan einer Text-Korrektur.
Scan der Korrekturen: zum Vergrößern Klicken.

… zum Druck

Der auf diese Weise neu zusammengebastelte Artikel musste für den Druck natürlich nochmals abgeschrieben werden. Er erschien schließlich in der Rubrik „Aus den Gruppen des Versehrtenheims der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin“. Die Bastelei war damit aber noch nicht zu Ende. Denn das endgültige Layout der Zeitschrift wurde als Papiermontage mittels Schere und Klebstoff erstellt. Heute wirkt das vielleicht altertümlich. Damals war es ein schnelles und kostengünstiges Verfahren. Und das ging so: Auf einzelnen Papierschnipseln geschriebene Überschriften, Texte, Bilder und Schmuckelemente klebte man auf einem großen Papierbogen nach und nach zu einer ganzen Seite zusammen. Bevor diese montierte „Zeitungsseite“ dann zur Druckerei gehen konnte, mussten noch die Ränder der aufgeklebten Bild- und Textelemente mit Tip-Ex überpinselt werden. So konnte am Ende niemand mehr sehen, dass es sich bei jeder Ausgabe der WIR um das Ergebnis einer nicht nur weihnachtlichen, aufwendigen Bastelarbeit handelte.

Seit 1983 hat sich am Herstellungsprozess im Übrigen einiges geändert: Die WIR wird heute ausschließlich mit digitalen Textverarbeitungs- und Satzprogrammen am Computer erstellt und erscheint vollständig in Farbe. Nun sind auch die Tannenbäume grün.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern besinnliche Weihnachten – und den ein oder anderen spannenden Artikel aus einer alten oder neuen Ausgabe des WIR-Magazins dazu.