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Ein frühes Cover der WIR aus den 60er Jahren. Der Schriftzug WIR wiederholt sich in hellblauer Schrift auf dunkelblauem Hintergrund.

65 Jahre WIR-Magazin: Digitalisierung historischer Seiten

Unser heutiges Archivstück des Monats feiert gerade seinen 65. Geburtstag: Das erste WIR-Magazin. Es umfasst sechs mit einer Schreibmaschine beschriebene Seiten, ein nüchternes Cover mit Weihnachtskerze und ist die erste Ausgabe der Stiftungszeitschrift der Fürst Donnersmarck.

Anfänge in der sozialpädagogischen Gruppenarbeit

Am 20. Dezember 1954 erschien die erste Ausgabe der WIR. Zu Beginn wurde die Zeitschrift noch vollständig von den „Versehrtengruppen“ der Fürst Donnersmarck-Stiftung (FDST) gestaltet. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht absehbar, dass die WIR auch 65 Jahre später immer noch erscheinen würde. Und doch: Auf mittlerweile rund siebentausend Seiten berichtet das WIR-Magazin seither ununterbrochen über das Leben von Menschen mit Behinderung, ihr Selbstverständnis und ihre öffentlichen Wahrnehmung. Damit ist sie ein Spiegel des sich wandelnden Selbstverständnisses und Umgangs von und mit Menschen mit Behinderung.

Doch auch das WIR-Magazin selbst unterlag im Erscheinungsbild in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach einem Wandel. Das lässt sich im Archiv der FDST beobachten, wo ein vollständiger Satz aller erschienenen Ausgaben bewahrt wird.

Schon längere Zeit liegt die WIR außerdem nicht mehr ausschließlich gedruckt vor. Seit dem Jahrgang 2000 ist sie auch digital auf unserer Webseite einsehbar. Nun wurden anlässlich des 65. Jubiläums alle früheren Hefte bis hin zur ersten Ausgabe von 1954 digitalisiert. Im Zuge des Jubiläums werden sie Schritt für Schritt im WIR-Archiv auf der Webseite der Stiftung verfügbar gemacht.

Das Titelbild der Erstausgabe des WIR-Magazins.
Das erste WIR-Magazin vor 65 Jahren.

Das WIR-Magazin und sein Cover im Wandel der Zeit

Besonders die frühen Ausgaben, die noch auf der Schreibmaschine hergestellt und mit Handzeichnungen versehen wurden, bewahrt heute nur noch das Archiv der FDST auf. Die oft nur wenige Seiten umfassende Zeitschrift wurde anfangs hektographiert, am linken Rand geklammert und ohne richtige Titelgestaltung verteilt. Ein erstes Layout für ein festes Cover existiert seit April 1959. Damit hatte das WIR-Magazin nun erstmals ein einheitliches Erscheinungsbild, was ihren Wiedererkennungswert erhöhte. Dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend änderte sich das Layout des Einbands bis heute weitere fünf Mal. Das lässt sich nun auch an den digitalisierten Beständen nachvollziehen.

WIR-Magazin: Sämtliche Ausgaben werden weitgehend barrierefrei

Der Entscheidung für die Digitalisierung der historischen Ausgaben der WIR hat viele Gründe: Ein wichtiger Punkt war der Erhaltungszustand besonders der frühen Jahrgänge. Sie sind auf nicht alterungsbeständigen, säurehaltigen Papieren gedruckt und der Zahn der Zeit nagt bereits sichtbar an ihnen. Diese besonders empfindlichen und wertvollen Ausgaben müssen In Zukunft zum Lesen nicht mehr aus den Archivkästen genommen werden. Das schützt sie vor weiterem Verfall. Die Digitalisierung der Zeitschrift ermöglicht zweitens einen weitgehend barrierefreien Zugang zu den Inhalten der Zeitschrift. Zudem wurden bei der Digitalisierung alle Texte, auch die der frühen Ausgaben, im Volltext erschlossenen und können nun gezielt nach Themen und Stichworten durchsucht werden.

Das aktuelle WIR-Magazin 02/2019.

Die Digitalisierungsstrategie des Archivs

Ausschlaggebend für die Digitalisierung der WIR war jedoch noch ein weiterer Aspekt: Die Digitalisierungsstrategie des Archivs der FDST. Denn auch im Archiv hält die Digitalisierung zunehmend Einzug. Zwar gelangen nach wie vor die alten Papierakten ins Archiv. Doch werden Dokumente immer häufiger gar nicht mehr ausgedruckt, sondern nur mehr digital gespeichert. Die Herausforderungen, die sich aus diesem Medienwandel ergeben, sind groß und fangen mit der individuell verschiedenen Nutzungspraxis digitaler Programme an. Existiert in der Einrichtung keine Dokumenten-Management-Software, legen die Nutzerinnen und Nutzer ihre Dokumente und Objekte in individuell gestalteten File-Ablagen ab. Da diese File-Ablagen im Grunde keine Grenzen mehr haben, finden sich in ihnen mitunter viele Tausend Dokumente in den unterschiedlichsten Formaten. Sie zu bewerten und zu erschließen und damit für die Zukunft zu archivieren, bedeutet einen erheblichen Aufwand.

Daneben kann heute niemand mit Bestimmtheit sagen, wie lange digitale Dateien lesbar bleiben. Andere Daten sind zwar potentiell noch lesbar, liegen auf Datenträgern vor, für die keine Abspielgeräte mehr vorhanden sind. Im Alltagsgeschäft fallen solche Probleme selten auf. Hard- und Software scheint auswechselbar zu sein, ohne dass sich an den Arbeitsabläufen gravierendes verändert. Aus Sicht des Archivs droht aber im schlimmsten Fall eine Überlieferungslücke: Gehen die digitalen Informationen verloren, lässt sich über die betreffenden Vorgänge im Nachhinein nichts mehr in Erfahrung bringen.

Ein digitales Archiv für die Stiftung

Im Archiv der FDST wurde aus diesem Grund 2019 ein neues Archivverwaltungssystem eingeführt. Neben den klassischen Katalogisierungsfunktionen, mit denen Papierakten verzeichnet und über diverse Suchfunktionen und Filter recherchierbar sind, bietet es die Möglichkeit, digital erzeugte Informationen nach dem sogenannten OAIS-Referenzmodell zu archivieren. OAIS steht für Open Archival Information System beziehungsweise Offenes Archiv-Informations-System. Es erlaubt, digitale Objekte jedweder Art (Fotos, Text- und Tabellendokumente, Videos usw.) in einem eigenen Repositorium in archivtauglichen Datenformaten zu speichern. Dadurch werden sie auch in Zukunft lesbar bleiben. Mit anderen Worten: Die Archivalien der FDST, die sich bisher vor allem in den Kellern der Villa Donnersmarck in säurefreien und alterungsbeständigen Archivkästen befinden, sind nun auch im virtuellen Raum, auf den Servern der FDST zu finden. Und das gewissermaßen ebenfalls ‚säurefrei‘, da die Daten im digitalen Archiv der FDST nach derzeitigem Ermessen bestmöglich vor dem Verlust geschützt sind.

Ein bemerkenswerter Schritt

Für eine Einrichtung der Größe der FDST ist dieser Schritt bemerkenswert. Denn weitaus größere Institutionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur haben heute noch keine dementsprechende Strategie, mit der zunehmende Fülle an digitalen Daten umzugehen. Doch die Stiftung ist nun auf einem guten Weg, ihre Daten für die Zukunft bestmöglich zu bewahren und zugänglich zu machen. Natürlich werden auch die digitalisierten Ausgaben der WIR im digitalen Archiv der FDST hinterlegt und dort – wie das für Archive üblich ist – für die Ewigkeit konserviert. Damit sie diese aber auch sofort lesen können, werden wir die Ausgaben in den kommenden Wochen über die Webseite zugänglich machen.

Dominik Erdmann, Archivar Fürst Donnersmarck-Stiftung