Mit Pflegehelferroboter RoMi Getränke verteilen
Diese Woche endet die Testphase des dreijährigen Forschungsprojekts RoMi, das einen Pflegehelferroboter entwickelt. Für das WIR-Magazin haben wir das Projekt im Jahr 2022 vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Roboter Workerbot9 der Firma pi4 noch in der Entwicklung. Passend zum Thema der nächsten Ausgabe des WIR-Magazins „Digitale Teilhabe“ werden wir wieder über die robotergestützte Hilfe in der Pflege berichten und haben uns deshalb „Romi“, wie der Roboter von einigen Projektbeteiligten scherzhaft genannt wird, live angeschaut.
Workerbot9: Der erste und einzige Pflegehelferroboter der Welt
Zur besseren Einordnung haben wir hier das Interview mit der Psychologin Kim Klüber von der Humboldt-Universität zu Berlin wiedergegeben, das in der Ausgabe 2/2023 des WIR-Magazins erschienen ist.
Interview mit Kim Klüber über Robotische Systeme in der Pflege
Technische Streichelrobben und andere kleine Serviceroboter kommen bereits seit Jahren in der Interaktion mit pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten zum Einsatz. Seit 2020 finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein interdisziplinäres Forschungsprojekt mit dem Ziel, den Serviceroboter workerbot6TM (Mittlerweile gibt es den Workerbot9 A.d.R.) für Aufgaben in der Pflege weiterzuentwickeln. Unter Einbezug von Pflegepersonal und Pflegebedürftigen werden Arbeitsprozesse im Pflegealltag untersucht – beispielsweise die mögliche Unterstützung bei Hol- und Bringdiensten. Zudem werden vertrauensbildende Merkmale des Roboters erforscht. Die Psychologin Kim Klüber von der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitet von Beginn an in dem Projekt mit. WIR-Redakteur Martin Küster hat mit ihr gesprochen.
Frau Klüber, das Forschungsprojekt RoMi entwickelt derzeit einen Pflegehelferroboter, der Pflegekräfte in Einrichtungen bei Routineaufgaben entlasten soll. Können Sie uns das Projekt RoMi kurz skizzieren und Ihre Aufgabe, die Sie in dem Projekt haben?
RoMi steht für „Roboterunterstützung bei Routineaufgaben zur Stärkung des Miteinanders in Pflegeeinrichtungen“. Wie der Name schon verrät, versuchen wir in dem Projekt, einen Service-Roboter zu einem Pflegeroboter weiter zu entwickeln, den wir konkret für Routineaufgaben einsetzen können, um Pflegekräfte bei wiederkehrenden Aufgaben zu entlasten. Aber auch das Miteinander zwischen Bewohnern und Pflegekräften soll gestärkt werden. Das Projekt untergliedert sich in drei Phasen: In der ersten Phase beschäftigten wir uns mit der Identifikation von Anforderungen an den Roboter. Welche Aufgaben sollen übernommen werden, wie soll er gestaltet sein oder was sind Wünsche von den Zielgruppen, sind die Fragen, die wir gestellt haben. Die zweite Phase ist die Implementierung, also die Umsetzung von den Anforderungen. Der Roboter wird für genau diesen Einsatz weiterentwickelt. Die dritte Phase ist die Evaluation. Der Roboter wird in einer Pflegeeinrichtung zum Einsatz kommen. Wir untersuchen, wie sich der Roboter im Feld verhält und auch wie die Pflegekräfte reagieren, wenn er über eine längere Zeit in der Pflegeeinrichtung mitarbeitet.
Meine Aufgabe ist die menschzentrierte Gestaltung. Ich untersuche, was sich die Pflegekräfte vom Roboter wünschen und was von technischer Seite her geschehen muss, damit die Wünsche der Pflegekräfte erfüllt werden.
Für das Projekt haben Sie Pflegekräfte interviewt, um die Aufgaben kennenzulernen, die ein Pflegeroboter möglicherweise übernehmen kann. Welche Einsatzmöglichkeiten haben Sie anhand des Interviews herausfinden können?
Wir haben von sozialen bis funktionalen relativ viele Aufgaben identifizieren können. Soziale Aufgaben sind zum Beispiel, dass der Roboter mit Pflegebedürftigen kommuniziert, Gespräche führt, spielt und sich unterhalten soll. Funktionale Aufgaben können physische oder körperlich anstrengende Tätigkeiten sein, sei es Patienten umzulagern oder von einem Rollstuhl ins Bett zu legen. Auch lange Wege, mit ständigem hin und her laufen, zählen dazu. Ich glaube, wenn man Pflegekräfte einen Schrittzähler geben würde, kommen am Ende des Tages super viele Schritte zusammen. Eine Lösung könnte es sein, den Roboter erst ins Patientenzimmer fahren zu lassen, zu fragen, was sich die pflegebedürftigen Personen wünschen und das dann wieder an die Pflegekräfte weiterzuleiten.
Sind Medikamentengabe und Assistenz der Körperpflege auch denkbar?
Das wurde auch genannt, aber mehr als Unterstützung bei solchen Aufgaben. Ein Roboter könnte zum Beispiel die Medikamente sortieren und bei der Tabletten- oder Medikamentenausgabe mitfahren und unterstützen. Genauso ist es bei der Körperpflege oder Wundversorgung. Dabei kann ein Roboter im Zusammenspiel mit der Pflegekraft etwas anreichen, anstatt dass er es alleine oder selber macht.
Wie kommt ein Roboter in Wohnungen mit Barrieren klar?
Das ist natürlich schwieriger. Es muss vorher bedacht werden, ob es Stufen gibt, worüber der Roboter nicht fahren kann. Selbst wenn ein Aufzug vorhanden ist, ist die Frage, wie ein Roboter eigenständig auf die nächste Etage kommt. Oft sollte bzw. muss man gar nicht den Roboter anpassen, sondern die Umgebung. Dabei kann man mit „Tricks“ arbeiten. Der Roboter kann zum Beispiel über QR-Codes erkennen, in welcher Etage er ist. Oder mit Hilfe einer Milchglasfolie eine Glaswand detektieren. Es gibt Eigenschaften in einer Einrichtung oder auch zu Hause, die es dem Roboter schwer machen können. Vieles kann man aber anpassen, um den Roboter überall zu verwenden. Aber natürlich gibt es auch Aspekte, die man nicht ändern kann.
Pflegerobotik in der Praxis
Wenn eine Pflegekraft ein Bett frisch beziehen oder eine Windel wechseln muss, könnte das auch ein Pflegeroboter übernehmen, bzw. erkennen, dass er handeln muss?
Gerade bei Aufgaben direkt am Menschen wird oft verlangt, dass das auch wirklich ein Mensch übernimmt. Durch die Interviews mit Pflegekräften haben wir gemerkt, dass der Roboter vielmehr Aufgaben übernehmen soll, bei denen nicht unbedingt die körperliche Interaktion mit den Menschen im Vordergrund steht. Um zu erkennen, dass die Windeln der Patient*innen voll sind, sollte eher mit Sensorik am Bett gearbeitet werden, anstatt dass ein Roboter nachschaut. Personen sensibel anzufassen, ist immer noch eine große Herausforderung.
Aber ein Kopfkissen könnte ein Pflegeroboter schon beziehen?
Ich denke, das würde funktionieren. Das Problem ist eher, dass ein Kopfkissen und die Bezüge immer die gleiche Größe haben müssen, also ein standardisiertes Maß. Genauso verhält es sich beim Anheben eines Glases oder einer Flasche. Wenn sich alles in Größe und Form unterscheidet, verlangt das wirklich dieses „Fühlen und Erkennen“. Das bringt Schwierigkeiten mit sich. Aber wenn das alles auf den Roboter abgestimmt ist, ist das machbar.
Können Sie Beispiele für Interaktionen nennen?
Das kommt immer sehr auf den Roboter an. Es gibt Roboter, mit denen können wir über Knöpfe oder über einen Touchscreen interagieren. Es gibt Roboter, die sehen aus wie ein Kuscheltier. Die haben keinen Touchscreen oder Knöpfe, aber man kann sie natürlich trotzdem anfassen und über Berührungen interagieren. Man interagiert aber häufig über Sprache. Das war zum Beispiel auch ein Wunsch von den Pflegekräften. Für Menschen ist es leichter, über Sprache zu kommunizieren. Wenn ich erst Knöpfe drücken muss, ist das viel komplizierter. Aber das kommt natürlich auf die Zielgruppe an. Man sollte zudem auch über Sprache oder visuell Feedback geben, je nachdem ob die Patient*innen Hör- oder Seheinschränkungen haben.
Inwiefern spielten gepflegte Menschen im Projekt eine Rolle?
Pflegekräfte sind tatsächlich unsere primäre Zielgruppe. Das ist einerseits Corona geschuldet, weil das Projekt genau zum Start der COVID-19 Pandemie angefangen hat. Wir konnten in kein Pflegeheim gehen, um Pflegebedürftige zu interviewen. Selbst Pflegekräfte zu erreichen, war schwierig. Dies konnten wir jedoch mit Online-Interviews lösen. Andererseits ist unser Ziel, einen Service-Roboter zu entwickeln, der konkret Pflegekräfte entlastet, damit diese wieder mehr Zeit für die Pflegebedürftigen haben.
Damit können wir Vertrauen und Akzeptanz schaffen
Was sind denn Vor- und Nachteile, wenn ein Roboter wie eine Maschine oder eher wie ein Mensch aussieht?
Ein menschliches Aussehen ist etwas, was man kennt. Man kann sein Gegenüber besser einschätzen. Ich weiß zum Beispiel, wie sich ein menschenähnlicher Roboter bewegt, weil ich dieselben Skripte eines Menschen auch bei einem Roboter anwenden kann. Ich vertraue ihm mehr, weil ein Mensch etwas Bekanntes ist. Damit können wir Vertrauen und Akzeptanz steigern. Auf der anderen Seite muss man schauen, wie viel Menschlichkeit gut ist, weil ich dadurch auch gewisse Erwartungen wecke. Wenn ein Roboter Arme, Beine und ein Gesicht hat, dann erwarte ich, dass er etwas greifen, laufen und dass er sprechen kann. Wenn er das nicht kann, bin ich enttäuscht. So habe ich eine Erwartungshaltung geschaffen, die ich dann nicht erreichen kann. Es ist sinnvoll, einen Mix aus menschlich und technisch zu generieren, der dann das widerspiegelt, was der Roboter letztendlich kann.
In der Pflege ist Zuwendung und menschliche Nähe immer sehr wichtig. Gerade pflegebedürftige Personen sind durch ihre Abhängigkeit oft eingeschränkt, am sozialen Leben teilzunehmen. Kann ein Pflegeroboter das ersetzen?
Ersetzen ist das falsche Wort, denn menschliche Nähe ersetzen, kann der Roboter nicht. Aber er kann menschliche Nähe fördern, da durch die Übernahme gewisser Aufgaben der Pflegekraft mehr Zeit für den Menschen bleibt. Er kann aber auch zu Interaktionen anregen, zum Beispiel eine Patientin fragen, ob sie Lust hat, mit einem anderen Patienten Schach zu spielen. Der Roboter regt vielleicht auch dazu an, sich über ihn zu unterhalten, sodass so wieder ein neues Gesprächsthema zwischen Patient*innen aufkommt. Natürlich könnte man auch über den Roboter mit seinen Angehörigen via Skype oder FaceTime kommunizieren. In Momenten, wo man vielleicht alleine auf dem Zimmer wäre, kann er dadurch Nähe zu anderen Menschen fördern. Das ist bestimmt besser, als ganz alleine irgendwo zu sein, aber es ist nicht damit vergleichbar, mit einem Menschen zu reden.
Lassen sich auch Emotionen, z. B. Humor programmieren?
Humor kann man implementieren. Wahrscheinlich ist es erstmal der Humor von dem Programmierer. Wenn wir jetzt noch Künstliche Intelligenz (KI) als ein lernendes System dazunehmen, dann lernt der Roboter, bei welchem Witz gelacht wird und bei welchem weniger. KI ist jedoch noch kein Thema bei uns im Projekt.
Wer trägt die Verantwortung: Die Pflegekraft oder der Serviceroboter?
Es ist wichtig, dass man weiß, dass die Verantwortung schon noch bei den Menschen liegt. Ich fand es interessant, dass Pflegekräfte im Interview den Wunsch geäußert haben, dass der Roboter ganz klar sagt: „Das ist nicht mehr mein Verantwortungsbereich.“ Man muss sich natürlich vorher ganz viele Gedanken darüber machen, was darf ein Roboter, wie weit darf er gehen und wie weit nicht? Das bringt besondere Datenschutzvorschriften, Hygienevorschriften und Sicherheitsanforderungen mit sich, die schon, bevor der Roboter zum Einsatz kommt, beachtet werden müssen.
Die Anwesenheit eines Pflegeroboters kann Menschen mit Skepsis oder vielleicht sogar Unbehagen erfüllen. Welche Argumente kann man da entgegensetzen?
Es ist wichtig, den wahren Grund zu kennen, warum der Roboter Unbehagen auslöst. Denn ich glaube, dass es oftmals nicht unbedingt der Roboter an sich ist, der Unbehagen auslöst, sondern einfach, dass es etwas Neues ist, eine neue Technik. Ältere Menschen im Pflegeheim haben generell weniger Technikerfahrungen. In 50 Jahren sieht das wieder ganz anders aus. Dann haben ältere Menschen Erfahrungen mit Smartphones und Computer. Dann ist ein Roboter vielleicht gar nicht mehr so neu und löst Unbehagen aus. Aktuell sollte man ein gutes Einführungskonzept haben. Also nicht einfach den Roboter hinstellen und sagen: „Macht mal“, sondern den Roboter zusammen mit der Pflegekraft vorstellen oder zunächst in der Gruppe mit dem Roboter agieren. Langsam an Robotik heranführen, kann schon superviel Angst am Anfang nehmen.
Wann ist der neue Roboter fertiggestellt?
Mitte Dezember ist er fertig. Unser Plan ist es 2023 den fertigen Roboter in eine Pflegeeinrichtung zu bringen. Im Projekt arbeiten wir mit der Charité zusammen, die schon im Kontakt mit einer Pflegeeinrichtung steht. Ein Feldtest braucht viel Vorbereitungszeit. Fragen, wie die Einrichtung aufgebaut ist, klären, mit welchen Personen was abgesprochen werden muss und wieviel Personen an der beginnenden Studie teilnehmen werden, welche Hygiene und Datenschutzauflagen zu beachten sind, werden jetzt für die Praxisstudie abgestimmt.
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Pflegerobotern in der Zukunft ein?
Der Pflegekräftemangel ist schon der Hauptgrund, warum Robotik in den nächsten Jahren superwichtig ist, einfach weil es zu wenige Pflegekräfte gibt. Und die Wenigen haben viel zu viel zu tun. Wir wollen mit Robotik keine Pflegekräfte austauschen oder ersetzen, sondern wir wollen die Pflegekräfte, die es aktuell noch gibt, unterstützen und versuchen, ihnen die Arbeit zu erleichtern. Das ist der beste Grund, um Robotik im Gesundheitswesen zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass Pflegekräfte enormen Belastungen ausgesetzt sind, sei es kognitiv, mental oder physisch. Da kann Robotik natürlich auch den gesundheitlichen Folgen, denen Pflegekräften ausgesetzt sind, entgegenwirken, indem man sie körperlich und mental unterstützt. Einer meiner Wünsche an Robotik-Hersteller oder Robotik-Projekte ist es, möglichst vielfältige Aufgaben, die ein Roboter übernehmen kann, in einem Roboter zu vereinen. Diese 24-Stunden-Verfügbarkeit von einem Roboter ist ein sehr großer Vorteil. Dadurch kann der Roboter zum Beispiel bei der Essensausgabe unterstützen, zwischendurch noch Spiele spielen, und nachts die Flure desinfizieren. Ich glaube, da wird sich in den nächsten Jahren noch viel mehr tun. Robotik ist gerade in der Entwicklung. Aber ich denke, da wird noch viel Gutes kommen.
Vielen Dank für die Antworten und viel Erfolg für das weitere Projekt.
Der Artikel zum Interview befindet sich im Wir-Magazin Ausgabe 1/2023.