Wie die Litfaßsäulen zum Mexikoplatz kamen
Viel wird gerade gesprochen und geschrieben über die Litfaßsäule in Berlin. Stück für Stück wird hier ein bisschen Berliner Tradition abgebaut – über 2500 Mal in der ganzen Stadt. Doch einige wenige bleiben davon erhalten. Zwei besondere Exemplare stehen in Zehlendorf und haben eine kleine, aber feine Verbindung mit der Fürst Donnersmarck-Stiftung. Über diese Geschichte hat noch niemand geschrieben. Bei mittendrin tun wir es.
Die Litfaßsäule und der Mexikoplatz
Vielleicht sind sie nicht mehr der allerneuste Schrei, dafür aber gerade mal wieder in aller Munde: Die Litfaßsäulen. Einst – als echtes Berliner Orijinal – durch den Drucker Ernst Litfaß erfunden, werden diese Prachtexemplare der Werbetechnik überall in der Stadt abgebaut. Aber keine Angst: Auch in Zukunft werden wir im öffentlichen Raum über Konzerte, Veranstaltungen oder auch die Alltagsgedanken von Jugendlichen und jung gebliebenen Erwachsenen informiert werden. Denn nach einer gewissen Übergangsphase sollen die runden Werbeträger zumindest an den meisten Stellen wieder neu errichtet werden. Alles ganz normal, wie man durch das Landesdenkmalamt erklärt bekommt. Denn alle 20 bis 30 Jahre werden die hoch aufragenden Werbeträger ausgetauscht. Zu groß sei das Risiko, dass sie bei Wind und Wetter Schaden genommen haben und bei Stürmen oder anderen Erschütterungen umfallen könnten.
Doch nicht alle Litfaßsäulen wandern nun in die Vergessenheit der Werbegeschichte. 24 besondere Exemplare entgehen diesem Schicksal – zwei darunter in Zehlendorf. Verantwortlich dafür ist der Denkmalschutz, wie unter anderem die Berliner Woche berichtet. Denn die beiden runden Werbeträger stehen auf einem denkmalgeschützten Bauensemble – dem Mexikoplatz mit seiner eindrücklichen Gartenanlage und vor allem dem schmucken Jugendstilbahnhof.
Der Mexikoplatz und Guido von Donnersmarck
Doch wie kamen Bahnhof, Gartenanlage und Litfaßsäule nach Zehlendorf? Dies hing eng mit Guido Graf Henckel Fürst von Donnersmarck (1830-1916) zusammen. Der Oberschlesier Guido von Donnersmarck war aufgrund seines intensiven Engagements in der Montanindustrie um die Jahrhundertwende einer der reichsten Einwohner Preußens. Und um 1900 wandte er sich einem weiteren lukrativen Geschäftsfeld zu: Der Immobilienbranche in Berlin.
Die Hauptstadt wuchs in dieser Zeit rasant. Zwischen 1850 und 1900 war die Zahl der Einwohner Berlins von gerade mal 400 000 Personen auf über 1,9 Millionen Menschen gestiegen. Die Folge dieses Prozesses waren beengte Wohnmöglichkeiten, unhygienische Zustände und ein allgemeiner Wohnungsmangel. Viele wohlhabendere Bürgerinnen und Bürger zog es deswegen aufs Land. Die grüne Vorstadtvilla mit einer guten Verbindung in die Innenstadt wurde in Berlin und ganz Europa zu einem neuen Leitbild. Auch Zehlendorf gewann in diesem Prozess an Attraktivität. Denn durch die Wannseebahn war der Bezirk gut mit Potsdam auf der einen und Berlin auf der anderen Seite verbunden.
In Zehlendorf engagierte sich Guido von Donnersmarck erstmals im Immobilienbereich und wurde zum Hauptaktionär der Zehlendorf-West Terrain AG, die ein Stammkapital von 5 Millionen Mark besaß. Im Jahr 1901 erwarb die AG rund 100 Hektar Land rund um den heutigen Mexikoplatz. Sie kümmerte sich um eine ausgebaute Infrastruktur, legte zahlreiche Grundstücke an und verkaufte sie anschließend gewinnbringend.
Der Bahnhof am Mexikoplatz eröffnete am 1. November 1904; das Bahnhofsgebäude wurde am 1. Mai 1905 eingeweiht. Erbaut wurde es von Alfred Lesser und Gustav Hart. Die renommierten Architekten orientierten sich an dem damals modernen Jugendstil, was sich etwa in den aufwendigen Formen und geschwungenen Linien widerspiegelt. Von hier aus erreichte man damals in 17 Minuten die Hauptstadt Berlin.
Schon gewusst?
Mexikoplatz heißt dieser Bahnhof übrigens erst seit 1987. Zunächst hörte er auf den Namen Zehlendorf-Beerenstraße, ab 1913 Zehlendorf-West und zwischen 1959 und 1987 Lindenthaler Allee.
Warum der Mexikoplatz, Mexikoplatz heißt
Der Platz selbst trägt den Namen Mexikoplatz allerdings schon seit 1959. Nach dem mittelamerikanischen Staat wurde er in Anlehnung an angrenzende Straßen benannt, die ebenfalls nach mittel- und südamerikanischen Ländern oder Hauptstädten benannt sind: die Argentinische Allee, die Limastraße und die Bogotastraße.
Guido von Donnersmarck und die Fürst Donnersmarck-Stiftung
Die positiven Erfahrungen in Zehlendorf führten zur zweiten Gründung Guido von Donnersmarcks: Der Gartenstadt Frohnau, die 1910 offiziell eingeweiht wurde und ebenfalls sehr von dem Architektenduo Lesser und Hart geprägt wurde. Hier gründete Guido von Donnersmarck am 8. Mai 1916 schließlich die Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin, die sich bis heute für die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung einsetzt.
Und so schnell sind sie gefunden: Die Verbindungslinien zwischen dem Mexikoplatz, Guido Graf Henckel Fürst von Donnersmarck, seiner Stiftung und zwei ganz besonderen Litfaßsäulen in Zehlendorf. Das Exemplar an der Ecke Limastraße ist übrigens noch ein echtes Berliner Orijinal aus dem Jahr 1905; die Litfaßsäule vor dem Bahnhof wurde 1985 restauriert. Doch mal ehrlich: Wen sollte das bei so viel Werbepracht wirklich stören?