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Blick auf die Bühne des Rundfunk Sinfonie Orchester Berlin

Konzert für Alle vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Interview zum inklusiven Modellprojekt des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin

Am 19. Februar 2023 spielte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) ein „Konzert für Alle“ unter der Leitung von Steffen Tast und mit Andrew Greenwood im Haus des Rundfunks. Das „Konzert für Alle“ ist ein vierjähriges Modellprojekt mit dem Ziel, inklusive Formate zu entwickeln, um klassische Konzerte beispielsweise auch Menschen mit Höreinschränkungen oder Lernschwierigkeiten zugänglich zu machen. Für mittendrin haben wir mit der Projektkoordinatorin Louisa Hutzler gesprochen.

Die Idee hinter dem „Konzert für Alle“

Liebe Frau Hutzler, können Sie uns etwas über die Grundidee des Projektes „Konzert für Alle“?

Louisa Hutzler: Mit dem Projekt „Konzert für Alle“ schaffen wir uns als Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) Zeit, Raum und Ressourcen, um neue Veranstaltungs- oder Vermittlungsformate zu entwickeln, mit denen wir uns als Orchester neue Zielgruppen erschließen können. Im Rahmen des Projekts spielen wir zwei Konzerte für Menschen mit Höreinschränkungen sowie zwei Konzerte für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.

Im Vorfeld von jedem Konzert organisieren wir interne Workshops und Veranstaltungen, die Begegnungen zwischen Musiker*innen und Publikum ermöglichen und eine Sensibilisierung nach innen bedeuten. Es geht also einerseits darum, ein großes Konzert einzustudieren und zu geben. Andererseits wollen wir uns aber auch inhaltlich weiterentwickeln und perspektivisch inklusive Angebote fest in unser Programm aufnehmen.

Dafür arbeiten wir immer mit einem künstlerischen Gast zusammen, der selbst mit einer Beeinträchtigung lebt und damit als Expert*in in eigener Sache fungiert. Das ist immer eine sehr enge künstlerische Zusammenarbeit und ein spannendes Experiment. Darüber hinaus arbeiten wir im Hinblick auf organisatorische Fragen eng mit unterschiedlichen Organisationen wie etwa der Lebenshilfe oder der Landesvereinigung Selbsthilfe zusammen.

Der Dirigent und um ihn herum Streicher auf der Bühne.
Foto: Robert Niemeyer

Wie kam es denn zu diesem spannenden Projekt?

Louisa Hutzler: Jedes Konzerthaus braucht ein Profil und eine möglichst klar umrissene Zielgruppe. Anders formuliert: Wir müssen wissen, wie der Geist unseres Hauses sein soll. Und unserer Orchesterdirektorin Clara Marrero ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir ein offenes Haus für alle Menschen sind. Wir sind davon überzeug, dass klassische Musik niemanden ausschließen muss, sondern für alle Menschen und Gesellschaftsschichten zugänglich sein kann. Das zu ermöglichen, ist in erster Linie eine Frage der Kommunikation und der Aufführungsformate.

Mit dem „Konzert für Alle“ wollen wir Begegnungen zwischen Menschen beispielsweise mit Lernschwierigkeiten und klassischer Musik, aber auch mit den Musiker*innen fördern. Das hilft den Musiker*innen dabei, eine Vorstellung von dem Publikum zu entwickeln. Es hilft aber auch der Institution, barrierefreier zu werden. Bisher gibt es nur wenige vergleichbare Projekte, aber wir spüren, dass der Bedarf dafür sehr groß ist.

Das Programm und die Zukunft des Projektes

Wie geht es mit dem „Konzert für Alle“ weiter?

Louisa Hutzler: Aktuell sind zwei weitere Konzerte für März und November angekündigt – eines davon für Menschen mit Höreinschränkungen und ein weiteres für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Perspektivisch wollen wir aber natürlich solche offenen Formate fest in unser Programm aufnehmen. Schon jetzt haben wir durch das Projekt sehr viel gelernt – beispielsweise im Hinblick auf die geeignete Zielgruppenansprache, die Gestaltung des Programms oder die Uhrzeiten für die Konzerte.

Für uns waren die Konzerte bisher sehr gute Erfahrungen. Auch für die Musiker*innen war es aus meiner Wahrnehmung toll zu erleben, dass sie mit den neuen Formaten ganz vielen Menschen ein neues Musikerlebnis ermöglichen können, ohne damit gleichzeitig den eigenen Qualitätsanspruch aufgeben zu müssen. Stattdessen werden die Konzerte vor allem anders gerahmt und vermittelt. Das sind Erkenntnisse, auf denen wir in Zukunft aufbauen können.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit dem Projekt.

Die weiteren „Konzerte für Alle“ finden statt am Donnerstag, 23.03.2023, 19.30 Uhr sowie Sonntag, 19.11.2023, 11 Uhr. Alle Informationen findet ihr unter https://www.rsb-online.de/konzert-fuer-alle/.

Titelfoto: Robert Niemeyer