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Silja Korn und mehrere Kita-Kinder sitzen zusammen. Die Kinder schauen ihre Erzieherin an.

Silja Korn – eine blinde Erzieherin geht ihren Weg

Wir haben einen WIR-Artikel aus dem Archiv geholt und hier bei mittendrin noch einmal aufbereitet, da wir vor Kurzem noch einmal mit Silja Korn über die Kita-Öffnungen nach Corona gesprochen haben.

Seine Träume sollte man nicht aufgeben

„Da sind Defne, Jasmin, Harris und Silja über die Brücke gekrochen und die Brücke ist zusammengebrochen.“ Vergnügtes Kreischen begleitet den „Sturz der Brücke“. In der Tempelhofer Kindertagesstätte sitzen Defne, Harris und Jasmin und warten gespannt, was ihrer Erzieherin Silja Korn als nächstes einfällt. Silja Korn ist seit einem schweren Autounfall blind. Da war sie selbst noch ein Kind. „Meine Erblindung war für mich ein dramatisches Erlebnis, von dem ich mich als Kind nur schwer erholt habe“, erzählt sie.

Der Wendepunkt kam mit der Berufswahl. Seit einem Schulpraktikum in einer Integrationskita war Silja Korn begeistert von der pädagogischen Arbeit mit Kindern. Doch zögerte sie zunächst, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Eine Bekannte ermutigte sie, den Schritt zu wagen, und eine engagierte Lehrerin sorgte während der Ausbildungszeit dafür, dass Lehrmaterialien in Blindenschrift umgeschrieben und Texte auf Kassetten gesprochen wurden. „Es war ein großes Glück für mich, dass meine Lehrerin, der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V., die Behindertenbeauftragte von Schöneberg und auch später meine erste Kitaleiterin sich sehr für mich eingesetzt und das Land Berlin davon überzeugt haben, meinen Abschluss anzuerkennen“, erzählt Silja Korn rückblickend. Vier Monate ließ sich das Land Berlin mit der Entscheidung Zeit, bis sie als erste blinde Erzieherin mit staatlicher Anerkennung in Berlin ihre Tätigkeit aufnehmen durfte.

Silja Korn sitzt mit Kindern um einen Tisch. Alle heben eine Hand.
Mit genauem Hinsehen lernen Kitakinder richtig sprechen bei Silja Korn

Als blinde Erzieherin einen anderen Zugang zu den Kindern

Silja Korn arbeitet in einer Einrichtung der Kitas Berlin Süd-West. Als Ergänzung zum Gruppendienst hat sie sich mit Spracherziehung ein eigenes Gebiet geschaffen, wo sich ihre pädagogische Arbeit gut mit ihrer Behinderung ergänzt.

„Meine Sehbehinderung eröffnet mir einen anderen Zugang zu den Kindern“, begründet sie diesen Schritt. „Unsere Zusammenarbeit hier im Team ist völlig unproblematisch“, bestätigt auch Regine Abraham, Leiterin der Kita.

Die Kinder kommen gerne zu ihrer Silja in den kleinen Übungsraum. Hier verbessern sie mit Hilfe von Übungen, Singspielen und Büchern ihre Aussprache. Ihre Utensilien hat Silja Korn sorgfältig vorbereitet. Kleine Karten mit Bildern auf der Vorderseite und eine Entsprechung in Brailleschrift auf der Rückseite     ermöglichen ein unkompliziertes Mit einander zwischen den Kindern und ihrer Erzieherin. „Gemeinsam mit meiner Arbeitsassistentin, die auch gleichzeitig meine Kollegin ist, haben wir die Materialen für mich so gestaltet, dass ich mit ihnen selbstständig arbeiten kann“, erklärt sie.

Trotz verschiedener Hindernisse geht die blinde Erzieherin Silja Korn ihren Weg. Auch in ihrer Freizeit versucht sie unermüdlich, ihren Interessen nachzugehen und ihre Begabungen zu entfalten. Sie schreibt Kurzgeschichten und malt. „Wenn jemand ein Ziel und einen Wunsch hat, dann sollte er trotz Handicap nicht einfach aufgeben und seine Träume beiseitelegen. Erst durch den Versuch wird man sehen, ob etwas klappt oder nicht.“

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der WIR-Ausgabe 1/2012