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Stehende und sitzende Menschen in einem Kreis auf Asphalt

Podcast WirSprechen: Inklusive Tanzperformance bei „48 Stunden Neukölln“

Herzlich willkommen zum Interviewpodcast WirSprechen des Wir-Magazins. In der dritten Staffel unseres Podcast WirSprechen kommen passend zur aktuellen Ausgabe des WIR-Magazins 2022/1 „Kreative Köpfe – Inklusive Begegnungen mit Kunst“ kreative Menschen zu Wort. In der dritten Folge der Staffel 3 geht es um „The fourth wall is missing“, eine inklusive Tanzperformance von IntoDance auf dem Festival „48 Stunden Neukölln“, die barrierefreie Aneignung des öffentlichen Raums und um die Künstlerin Cindy Wegner, der kreative Kopf hinter diesem Projekt.

Interview mit der Künstlerin Cindy Wegner

Mit ihrer inklusiven Performance „The fourth wall is missing“ bricht die Künstlerin Cindy Wegner mit unseren Gewohnheiten und Barrieren. Die WIR-Redakteurin Sabine Lutz, die als MS-Betroffene eigene eindrückliche Erfahrungen mit dem Tanzprojekt IntoDance machen konnte, ist Gastgeberin der aktuellen Podcastfolge.

Wer nach dem Hören neugierig wird, die Tanzperformance von IntoDance und Cindy Wegner auch live zu erleben: Zu sehen ist der interaktive Audiowalk der Künstlerin am 25. Juni 2022 auf dem Festival 48 Stunden Neukölln.

WirSprechen Staffel 3 Episode 3 bei Spotify

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Shownotes:  IntoDance: https://www.intodance.art/2022/05/30/6871/, www.intodance.art
Cindy Wegner: www.cindywegner.com

Transkript zur Folge: Cindy Wegner und IntoDance bei „48 Stunden Neukölln“

Hallo und herzlich willkommen zum Podcast Wirsprechen Der Podcast des WIR-Magazins und herzlich willkommen zur dritten Folge. Hier haben wir heute einen kreativen Kopf bei uns, passend zur Ausgabe Kreative Köpfe inklusive Begegnung mit Kunst. Ich begrüße ganz herzlich Cindy Wegner und ich bin heute nicht alleine. Ich habe Unterstützung und Verstärkung von meiner Kollegin aus der Redaktion Sabine Lutz. Sabine Lutz arbeitet schon seit Jahren im WIR-Magazin und lebt mit Multiple Sklerose und hat sich gewünscht, heute eine inklusive Kunstbegegnung mit der bildenden Künstlerin Cindy Wegner zu gestalten.

Herzlich willkommen. Sabine, ich übergebe an dich.

Ganz nebenbei toll, dass du da bist und du hast ein tolles, spannendes Projekt. Kannst Du uns das kurz vorstellen?

Cindy Wegner: Danke schön für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein und kurz etwas zu dem Projekt zu erzählen. Das Projekt heißt mit englischen Titel „The Fourth Wall ist Missing“ (die vierte Wand fehlt). Die vierte Wand ist eine Anspielung auf das Theater, die die Wand, die zwischen dem Publikum und den Performern steht. Und das ist eine Kollaboration mit Into Dance, einer Tanz Initiative, die ausgerichtet ist, insbesondere auf Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Und wir möchten gerne Projekte realisieren unter freiem Himmel, wo wir interaktiv mit dem Publikum, mit den Menschen vor Ort eine Performance präsentieren.

Cindy Wegner und Sabine Lutz

Was müssen Teilnehmer und Teilnehmerinnen mitbringen, wenn sie an dem Projekt teilnehmen wollen?

Cindy Wegner: Auf jeden Fall Zeit und Lust, einen künstlerischen Ausdruck nicht nur zu finden, zu entdecken, aber auch zu präsentieren und auch darzustellen. Und das war auch der ausschlaggebende Punkt für das Projekt. Ich erinnere mich, dass wir ein Meeting hatten,Oktober November letzten Jahres, auch mit einigen, also mit den Tanztrainerin und einigen Tänzerinnen. Und da habe ich gespürt, dass da richtig so die Lust da ist. Hey, wir haben jetzt mehrere Jahre teils an den Trainings teilgenommen, haben vieles entdeckt.

Wir haben richtig Lust, auch etwas auf eine künstlerische Ebene zu bringen und etwas Neues auszuprobieren. Und das war so der Impuls zu sagen: Ja, lasst uns die Energien zusammenführen und etwas zusammen machen. Und ja, und dann natürlich die Zeit jetzt auch im Juni mitzubringen. Wir treffen uns an zwei Tagen, um zu proben. Und dann der dritte Tag ist die Aufführung. Und dann natürlich ist es ideal,  wenn die Tänzerinnen bereits Erfahrung haben mit Into Tanz, mit der Initiative, wenn sie bereits vertraut sind, mit denen, mit den Tanztrainings oder allgemein.

Eines von den Projektideen in der Vergangenheit, was ich immer schön fand, wo jedes Mal gesagt wurde von den Veranstalterinnen, war wie „Alles ist richtig, nichts ist falsch, alles was ihr macht ist gut und  auf jeden Fall auf der richtigen Seite.“ Und es nahm auch allen so ein bisschen die Angst davor, dass man Kunst macht oder Kunst produzieren soll. Aber wie Bewegung, Sinnlichkeit, Spaß an der Sache, das stand vorne. Also alles ist richtig und nichts ist falsch. Gilt es auch für dein Projekt?

Cindy Wegner: Ja, auf jeden Fall. In jedem Fall geht es darum und das ist, denke ich auch, dass die Herausforderung, im Moment zu sein und im Moment ja, diese kollektive Energie auch zu entwickeln und die Angst zu verlieren, etwas Neues auszuprobieren, dann wiederum das so  abzuspeichern körperlich, dass es dann auch präsentiert wird. Und das ist auch die besondere Herausforderung, wenn ich in dem Projekt etwas, was man bereits gemacht hat, dann noch mal zu wiederholen und zu präsentieren.

Also Koordination.

Cindy Wegner: Und Gedächtnis oder so eine Art von Choreografie, allzu strikt, aber schon so, dass Eingeübte wiederholbar gemacht wird.

Tanzen im Sitzen – Wie geht das ?

Aber so, wie ich das im Vorgespräch verstanden habe, ist das ja auch eine erste Begegnung für dich, auch eine erste Erfahrung, eine Zusammenarbeit auch mit Menschen, mit Kunstschaffenden mit Behinderung. Wie war das für dich?

Cindy Wegner: Ja, das war in der Tat  meine erste Erfahrung. Und ich habe selbst an einem Tanztraining teilgenommen. Im November letzten Jahres im „Nachbarschaftzentrum Friedenau“. Und es war auch das erste Mal, dass ich an einem Tanztraining teilgenommen habe im Sitzen. Ich war sehr, sehr beeindruckt von der Anleitung der Tanztrainerinnen, die uns Assoziationen gegeben haben, um auch die Angst zu nehmen am Anfang uns zu bewegen und auszudrücken. Ich habe dann auch beobachtet, wie die anderen das machen und einige waren schon sehr, sehr eingeübt. Die sind schon seit vielen Jahren dabei, andere noch nicht so lange.

Es war mir so, dass ich das Ich observiert habe, dass ich genau geschaut habe wie machen das die Teilnehmerinnen? Aber nicht, dass ich so einen Unterschied gespürt habe in dem Tanztraining selbst, was auch spannend war. Im Nachhinein gab es dann so eine Art Kennenlernen oder so eine Art Runde, also nach dem Tanztraining selbst. Da haben wir uns dann auch ausgetauscht.

Einige Teilnehmerinnen haben dann von ihrer Erfahrung erzählt im öffentlichen Raum und wie schwierig es ist, sich zu bewegen und die Barrieren. Und das hat dann so viel auch einen neuen Gedanken angestoßen, also Sachen, über die ich mir sonst keine Gedanken mache: Wie hoch sind jetzt die Bordsteinkanten und wie stark können die Baustellen die Bewegung beeinträchtigen? Eine Teilnehmerin, die hatte Erfahrungen mit Menschen, die Sehbeeinträchtigungen haben, wie da der öffentliche Raum wahrgenommen wird. Und das hat in mir so viel eine ganze Welt eröffnet, die ich vorher nie in Betracht gezogen habe, oder jedenfalls nicht so in der Intensität. Ja, das finde ich schade, dass das dann doch der Horizont sehr, sehr eingeschränkt ist und dass wir alle so durch die Welt gehen und uns in unseren Kreisen bewegen. Und es selten so diese Verbindung gibt.

Aber es ist ja toll, das lässt sich auch ändern. Das ist ganz klar, wie der Kontakt zwischen Behinderten und nicht Behinderten auf jeden Fall optimiert werden muss und optimiert werden sollte. Und das ganz klar ist, Tanzen können wir alle, egal ob wir behindert sind oder nicht. Es ist völlig egal. Und was muss ich mir vorstellen bei dir? Was für eine Musik wäre das? Ist es eher moderne Musik? Ist es eher klassische Musik? Was ist das?

Cindy Wegner: Die Musik? Die werden wir noch auswählen. Also, wir haben eine Playlist, aber da haben wir noch die Auswahl, die wird noch im Juni getroffen. Es wird aber so sein, dass es eine Art Audiowalk ist, das heißt ein Audiotrack aus Stimme und Anleitung und auch einigen Tönen der Tänzerinnen, die wir während der Proben aufnehmen. Und das wird dann zusammen dann auch mit Sound, aber eher Musik im Hintergrund zusammengeschnitten. Und der fertige Track, den kann man sich dann sowohl als Performer als auch als Zuschauer anhören vor Ort. Ja, diese gemeinsame Erfahrung zu haben, aber eben auch mit Sound als Medium.

Inwiefern war die Begegnung mit den Menschen, die bei Into dance im Sitzen tanzen deine inklusive Kunstbegegnung? Was wird das vielleicht auch mit Deinen kreativen Ideen für die Zukunft vielleicht auch machen?

Probenfoto von IntoDance

Cindy Wegner: Auf jeden Fall Inklusion auch neu zu definieren und auch selbst sich zu öffnen für unterschiedliche Gruppen oder Menschen oder gar die Gruppierung eigentlich ein Stück weit, wenn es möglich ist, aufzuheben und keine Unterschiede zu machen. Natürlich gibt es Unterschiede und auch sehr viel, was berücksichtigt werden muss. Aber ich finde es wichtig, für zukünftige Projekte ja mehrere Unterschiede zusammenzubringen und damit auch aktiv zu arbeiten.

Wir erobern uns mit inklusiven Tanzen den Öffentlichen Raum

Der öffentliche Raum ist auch besonders spannend, wenn ich feststelle, dass es mir ein stärkeres Bewusstsein gibt in dieser Zeit, für was der öffentliche Raum kann. Teilweise hat es vielleicht auch etwas mit der Corona-Pandemie zu tun. Vieles wurde nach draußen verlagert. Wie können wir die den Stadtraum so gestalten, dass wir uns auch draußen treffen können, wo wir draußen Sachen veranstalten können? Dann wiederum ja, vieles wird immer mehr privatisiert. Wir brauchen also den öffentlichen Raum, um eben noch uns zu treffen oder um andere Menschen zu treffen oder zu begegnen, uns Räume zu schaffen.

Ich vermute mal, dass der öffentliche Raum, weil da ganz viele Menschen sein können, auch so eine Art Vernetzung geben kann. Also das klar ist, Menschen mit unterschiedlichen Interessen, unterschiedlichen Befindlichkeiten können sich begegnen. Weil ich denke mal in unserem Gespräch noch mir noch nicht ganz klar war für mich bisher das Thema öffentlicher Raum. Was ist ein öffentlicher Raum? Sind es Plätze? Sind es Straßen? Ist es alles, was draußen ist?

Cindy Wegner: Also der öffentliche Raum, streng genommen ist ein Raum der Stadt. Öffentlicher Raum könnte aber auch so definiert werden, dass er ein Raum ist, den wir als als Bürger und Bürgerinnen, den wir einnehmen. Das heißt mir selbst wenn es, wenn, wenn ein Raum nicht nicht zugänglich ist oder noch nicht bespielt wird, nichts passiert. Wir können den Raum einnehmen und unseren eigenen öffentlichen Raum kreieren im Raum. Das ist eine wichtige Arbeit, die geleistet werden muss. Gerade auch, da viele Räume wegfallen und es weniger Räume gibt, die wir nutzen können.

Oftmals, das ist auch wieder eine Brücke zu dem Thema Inklusion, werden ja Entscheidungen auch getroffen von Menschen, die ja in der Projektplanung sind oder die ja, also wie der öffentliche Raum gestaltet wird von so vielen Entscheidungsträgern. Und oftmals fehlen dann gewisse Perspektiven, wo ich eine Chance, die wir als Menschen ja heranbringen können wir als Menschen, die den Raum nutzen. Zum einen natürlich die dann die Ebene des Begegnungsraums. Dann, wie wie barrierefrei ist der Raum? Genau. Da gibt es unterschiedliche Ebenen, die da behandelt werden können.

Aber das heißt auch, dass Kunstprojekte im öffentlichen Raum totale Inklusionsmotoren sein können, weil die einfach Barrieren sichtbar machen können oder auch die Möglichkeiten eines Raumes, barrierefrei zu nutzen, zu gestalten, auch sichtbar machen können. Normalerweise machst du etwas ganz anders. Was ist das eigentlich, was du machst?

Cindy Wegner: Was ich hauptsächlich mache sind Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Ich wende meistens interaktive Praktiken an, das heißt, ich habe Kooperationspartner, die in einer Nachbarschaft leben. Und dann entwickle ich zusammen mit den Menschen ein Kunstprojekt. Das kann sowohl ein musikalisches Projekt sein. Ich habe einige kleine Konzerte im öffentlichen Raum organisiert. Es kann eine Skulptur sein. Im letzten Jahr habe ich in einer Zusammenarbeit mit einer Wohngemeinschaft eine Art Bücherbaum gestaltet.

Also ich nehme es so, als habe ich schon einen Auftrag, die Kunst rauszubringen und auch zugänglicher zu machen und eben auch die Interaktion, die Zusammenarbeit als Impuls zu nehmen, um etwas zu entwickeln. Das heißt nicht nur als Ziel, sondern zu sagen, wir haben hier bestimmte Indikatoren, einen Ort, wo vielleicht noch etwas fehlt oder wo wir vielleicht ein bisschen mehr zusammenarbeiten möchten. Und dann auf dieser Grundlage entwickle ich dann in Zusammenarbeit ein Projekt.

Ich denke, gerade wie erwähnt, es meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Stichwort und zwar gemeinsam. Also dass man nicht alleine für sich irgendwas macht oder so, sondern dass man das in Runde in der Gemeinschaft macht, dass man unter Menschen ist, dass man einfach merkt, dass das, was ich mache, den anderen anspricht. Dass derjenige darauf reagiert, ist einfach schön. Und das sind total schöne Erfahrungen. Und ich finde es sehr gut, wenn dieser Bereich so ein bisschen aufgebrochen wird.

Diese Trennung zwischen Menschen, die angeblich behindert sind und Menschen, die angeblich nicht behindert sind. Also ich denke, das ist schön, dass da eine zunehmende Normalität entsteht. Und ich würde Dich am Ende ja auch noch mal bitten, noch mal genau so zu sagen, wo dein Projekt stattfindet, wann es statt stattfindet und was du genau planst.

Und noch mal als Stichwort Das werden wir dann in den Shownotes auch verlinken, so dass dann diejenigen, die sich das anhören und sich dafür interessieren, sich das anzugucken, das auch ganz konkret machen können. Also hier der Programmtipp.

Cindy Wegner: Genau. Also es findet statt am 25. Juni um 13:00 in der Elsenstraße 52 auf dem Terrassenplatz des Cafés „Endorphine“ und die Zuhörerinnen sind herzlich eingeladen, vorbeizukommen und sich dort überraschen zu lassen, wie wir das Projekt jetzt ausführen. Es ist wie folgt: Wir haben zwei Probentermine im Nachbarschaftshaus Urban Straße und das ist ein großer Saal. Dort werden wir mit bis zu acht Tänzerinnen und Tanztrainerinnen zusammen proben und wir haben mehrere Übungen und Improvisationen, die wir ausprobieren möchten. Und auf Grundlage der der beiden Proben werden wir dann eine eine Art Score, eine Art Choreografie erstellen, die dann vor Ort unter freiem Himmel stattfindet.

Toll. Wunderbar. Danke, Cindy Wegner. Wir danken für das Gespräch. Vielen Dank.

Cindy Wegner: Ich danke auch.

Also, wer Cindy Wegner und die Truppe von Into dance live erleben möchte, dass es am 25. Juni auf dem Festival mit den Namen…

Cindy Wegner: 48 Stunden Neukölln.

Auf dem Festival 48 Stunden Neukölln und wir werden den Link mit dem Programm Hinweis dann in den Shownotes dann noch mal verlinken. Das war „Wirsprechen“. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Und wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, freuen wir uns dann auch über Kommentare oder likes und wir hören uns dann wieder in zwei Wochen. Tschüss!

Wenn Ihnen dieser Beitrag gefallen hat: Zwei weitere Folgen dieser Staffel zum Thema Kunst finden Sie in unserem Podcast WirSprechen