zur Navigation zum Inhalt
Menschen mit und ohne Behinderung, manche im Rollstuhl, spielen gemeinsam eine Ballsportart in einer Turnhalle.

Zertifikatskurs „Inklusion“: Der Weg zum inklusiven Breitensport

Was ist inklusiver Sport? Wie kann ein Sportverein inklusiver werden? Was sind inklusive Praktiken? Wie erreicht man eine inklusive Haltung? Welche Barrieren müssen abgebaut werden? Anlässlich der Special Olympics World Games 2023 veranstalteten der LSB Berlin und die Fürst Donnersmarck-Stiftung vom 27. bis 29. April 2023 einen Zertifikatskurs „Inklusion“ im Seehotel Rheinsberg.

Eindrücke vom Workshop aus Sicht von Simone Hochgräber vom TSV Gutsmuths

Führungskräfte aus Vereinen und Verbänden oder Organisationsentwicklerinnen und -entwickler konnten sich beim Zertifikatskurs „Inklusion“ konstruktiv damit auseinandersetzen, wie sie ihre Organisation zu einer inklusiven Sportorganisation weiterentwickeln können. Wir sprachen mit der Teilnehmerin Simone Hochgräber vom TSV Gutsmuths in Berlin-Moabit über ihre Eindrücke vom Workshop:

Frau Hochgräber, bitte stellen Sie sich kurz vor, für welchen Verein Sie arbeiten und welche Rolle Sie dort einnehmen.

Mein Name ist Simone Hochgräber und ich leite zusammen mit meiner Kollegin Frau Dinslage seit fünf Jahren das Freizeitsportzentrum des TSV GutsMuths. Unser Verein betreibt diese senatsgeförderte Einrichtung, aber neben den Vereinsgruppen finden hier auch vereinsfremde Kurse statt. Wir bieten derzeit 15 verschiedene Sportarten aus dem Breitensport an, haben 3.000 Vereinsmitglieder und etwa 1.500 Menschen, die das externe Kursprogramm durchlaufen.

In der Mitte des Bildes sitzt Simone Hochgräber auf einem Stuhl. Links neben ihr sitzt eine andere Frau, rechts von ihr ein Mann im Rollstuhl.
Simone Hochgräber (Mitte) beim Zertifikatskurs „Inklusion“ im April 2023. (Foto: Andi Weiland | andiweiland.de)

Was hat Sie bewogen, an der Inklusionswerkstatt teilzunehmen?

Wir hatten hier seit Mitte der 90er Jahre am Wochenende eine große inklusive Gruppe, die sich „Integrativer Familiensport“ nannte. Da hatten wir zuletzt auch ein ganz tolles Trainerteam, ein Ehepaar, das die Gruppe über zehn Jahre geleitet hat. Mittlerweile sind sie aber leider weg, weil sie sich selbstständig gemacht haben. Danach ist die Gruppe immer kleiner geworden und wir haben keine Trainerinnen und Trainer mehr gefunden. Dann kam die Pandemie und hat die Gruppe komplett verschlungen. Jetzt möchten wir sie wiederbeleben. Das war für uns der Anlass, an diesem Workshop teilzunehmen und uns mit anderen auszutauschen.

Austausch fördert gegenseitiges Kennenlernen und anregende Diskussionen

In welcher Hinsicht hat der Workshop besonders geholfen, neue Themen zu eröffnen oder zu inspirieren?

Der Workshop war sehr inspirierend, weil so viele verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Bereichen dabei waren. Beispielsweise viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die im Rollstuhl sitzen und im Rollstuhlsport aktiv sind.

Insgesamt war es einfach ein unglaublich spannender und guter Austausch, durch den man ganz neue Ideen entwickeln kann. Besonders konstruktiv war aus meiner Sicht der zweite Tag, den Oliver Klar vom Verein Pfeffersport gestaltet hat. Hilfreich war natürlich auch, dass wir den Workshop in so einer Umgebung wie dem Seehotel Rheinsberg mit der Sporthalle abhalten konnten, viel Zeit miteinander verbracht haben und uns auch abends beim gemeinsamen Essen noch austauschen konnten. Das war einfach eine schöne Situation, um sich weiterzubilden, auszutauschen und Ideen zu entwickeln.

Die große Dreifachturnhalle bietet noch viel Platz für inklusive Angebote

Gibt es nach dem Workshop schon konkrete Pläne für neue inklusive Angebote beim TSV GutsMuths? Sollen vielleicht auch bestehende Angebote inklusiver werden?

Die bestehenden Angebote kann man teilweise bereits als inklusiv bezeichnen. Wir haben sowohl Kinder als auch Erwachsene mit Behinderung. Da sind dann auch Kinder mit Trisomie 21 in der Leichtathletik und im Turnen dabei oder ein erwachsener Sportler mit einer Beinprothese. Gerade im Kindersport sind die Gruppen schon bunt gemischt. Auch Erwachsene und Kinder mit nicht sichtbaren Behinderungen oder chronischen Krankheiten wie Diabetes sind ganz selbstverständlich Teil der Gruppen.

Dennoch wollen wir wieder gezielt eine inklusive Sportgruppe für die Wochenenden ausschreiben und dafür gezielt Trainerinnen und Trainer finden. Daran mangelt es derzeit vor allem: qualifizierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter für diese Gruppen. Aber auch da stehe ich mit Pfeffersport und dem LSB in Kontakt. An Hallenzeiten mangelt es nicht! Wir haben hier eine große Dreifachturnhalle, die am Wochenende nicht ausgelastet ist. Deshalb wollen wir gezielte Angebote, zum Beispiel für Rollstuhlfahrende, möglichst wieder etablieren.

Langfristige Unterstützung durch die Fürst Donnersmarck-Stiftung

Sie leben also Inklusion im Verein schon so, wie sie sein sollte: Die bestehenden Gruppen bilden die Vielfalt ab und haben bereits Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen dabei.

Genau, das haben wir früher gar nicht so gelabelt, weil es einfach automatisch so war. Solange das in der jeweiligen Gruppe so funktioniert hat, wurde das auch nicht in Frage gestellt. Das wurde früher auch nicht so stark thematisiert und das war auch eine schöne Erkenntnis aus dem Workshop: Wir machen vieles schon so und wir machen es schon lange so.

Ich möchte mich auf jeden Fall noch einmal bei der Fürst Donnersmarck-Stiftung bedanken, dass sie uns über einen so langen Zeitraum die Möglichkeit zu diesem Austausch gibt. In diesem Format kann wirklich sehr viel entstehen, man lernt sich untereinander besser kennen und es entstehen immer wieder neue, sehr anregende Diskussionen. Also vielen Dank, dass wir das machen durften.

Wir unterstützen das natürlich sehr gerne. Sie würden also auch andere Verbände ermutigen, an diesem oder ähnlichen Workshops teilzunehmen?

Auf jeden Fall. Das ist sehr inspirierend. Vor allem, weil man dort Leute trifft, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen, die das sehr gut vermitteln können, so dass man Lust bekommt, selbst aktiv zu werden und mitzumachen.

Das hören wir natürlich sehr gerne. Liebe Frau Hochgräber, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Umsetzung der neuen Pläne.

Titelfoto: Andi Weiland | andiweiland.de