zur Navigation zum Inhalt
Das Rathaus in Spandau

Die Beauftragten: Interview mit Sargon Lang | Spandau

In unserer Reihe „Die Beauftragten“ wollen wir nach und nach mit den Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen aus allen Berliner Bezirken sprechen. Dieses Mal haben wir mit Sargon Lang gesprochen, der seit 2015 als Beauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderungen im Bezirk Spandau tätig ist.

Wie war Ihr Weg in das Amt des Bezirksbeauftragten? Was hat Sie an diesem Amt gereizt?

Sargon Lang: Ich habe schon während meiner Kindheit durch meine Großeltern intensive Kontakte mit der sogenannten Alten- und Behindertenhilfe gehabt und war nach meiner Ausbildung 20 Jahre lang als Sozialarbeiter und Diakon tätig. Für mich war die Arbeit in der Einzelfallhilfe immer sehr erfüllend, da man ein unmittelbares, positives Feedback erhält. Auf der anderen Seite sind die individuellen Einflussmöglichkeiten auf das gesamte System von dieser Position aus sehr beschränkt.

Als Beauftragter habe ich jetzt die Möglichkeit, durch meine Aktivitäten gleich mehreren Menschen auf einmal zu helfen, indem ich Einfluss auf die Strukturen nehme. Das hat mich sehr gereizt. Deswegen habe ich mich auf das Amt des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen in Spandau beworben.

Bereits zuvor habe ich übrigens auch einen Lehrgang zum Sachverständigen für barrierefreies Bauen abgeschlossen. Dadurch habe ich Kenntnisse erworben, die in meiner jetzigen Arbeit eine große Rolle spielen.

Aufgaben und Projekte des Beauftragten

Welche Rolle und Aufgaben haben Sie im Bezirk?

Sargon Lang: Die Aufgaben eines Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderungen sind im § 29 des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) geregelt. Demnach sollen sie darauf hinwirken, dass die Bezirke ihren Verpflichtungen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen nachkommen. Dafür üben sie eine Ombudsfunktion zwischen den Behörden, Einzelpersonen und der Zivilgesellschaft aus. Darüber hinaus unterbreiten sie „Vorschläge zu Entwürfen von Anordnungen und Maßnahmen des Bezirks, soweit diese Auswirkungen auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen haben, und wachen darüber, dass bei allen Projekten, die der Bezirk plant oder realisiert, die Rechte von Menschen mit Behinderungen gewahrt werden.“

Was sich relativ bürokratisch anhört, bedeutet konkret eine Vermittlungsfunktion zwischen den Behörden und den Ansprüchen von Menschen mit Behinderungen. Und diese Aufgabe wird von jedem Beauftragten etwas anders gelebt. Ich zum Beispiel widme einen Großteil meiner Arbeit der Beratung und Begleitung von Bauprojekten, wo ich auf meine Expertise als Sachverständiger zurückgreifen kann. Ein weiterer Zweig, der von meinem Mitarbeiter Jens Fuhrmann betreut wird, ist die Beantwortung von Einzelanfragen.

Zuletzt engagieren sich alle Bezirksbeauftragten auch in der Landespolitik. Die Bezirksbeauftragten sind alle auch Mitglied der Arbeitsgemeinschaften für Menschen mit Behinderungen. Diese sind an jeder Senatsverwaltung angesiedelt und beraten bei aktuellen Gesetzesvorhaben und Projekten. Ich engagiere mich beispielsweise bei der Arbeitsgemeinschaft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenSBW) und der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK).

Was sind denn für Sie aktuell die wichtigsten Projekte und Aufgaben?

Sargon Lang: Die wichtigste Aufgabe ist meines Erachtens, den Gedanken des „Disability Mainstreaming“ voranzutreiben. Damit meine ich, dass die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen auch im letzten Winkel des Bezirksamtes immer mitbedacht werden.

Sargon Lang und Benno Fuhrmann schauen sich gemeinsam eine Akte an. Das Bild ist in einem Büro aufgenommen. Im Hintergrund sieht man einen Bauplan.
Sargon Lang (links) und Jens Fuhrmann (rechts) im Gespräch

Darüber hinaus haben wir in Spandau aber auch immer wieder Leuchtturmprojekte umgesetzt: Wir haben beispielsweise die erste barrierefreie Bushaltestelle in Berlin gebaut und werden voraussichtlich Ostern 2023 eine der ersten barrierefreien Doppelquerung der Stadt errichten. Das sind und waren wichtige Projekte in meiner Tätigkeit als Beauftragter.

Wichtige Unterstützer von Sargon Lang und Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat

Von wem und wie viel Unterstützung erhalten Sie bei diesen Themen?

Sargon Lang: Da gibt es eine ganze Reihe. Zunächst mal unterstützt mich seit ungefähr einem Jahr mein Kollege Jens Fuhrmann bei der Bearbeitung von Bürgeranfragen. Das ist für mich eine große Entlastung. Dann sind für mich natürlich die Bezirksbürgermeisterin, der das Thema sehr wichtig ist, und die einzelnen Stadträte wichtige Unterstützer. Fachlich habe ich das meiste von Peter Woltersdorf gelernt, der beim Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV) das Thema barrierefreies Bauen vertritt und unheimlich große Expertise auf diesem Gebiet mitbringt.

Grundsätzlich habe ich aber immer den Anspruch, von den jeweiligen Ansprechpersonen als Partner wahrgenommen zu werden, der gemeinsam mit ihnen nach pragmatischen Lösungen sucht. Meiner Erfahrung nach kommt das auch gut an.

Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat bei Ihnen im Bezirk?

Sargon Lang: Die Zusammenarbeit mit dem Beirat läuft atmosphärisch sehr gut. Inhaltlich sind dem Beirat ehrlicherweise Ressourcengrenzen gesetzt. Wir treffen uns alle zwei Monate, Entscheidungen oder Stellungnahmen zu konkreten Projekten müssen aber oftmals sehr kurzfristig getroffen werden. Da ist oftmals leider keine Zeit, den Beirat zu beteiligen.

Sehr engagiert ist er aber in unserem Projekt „spandau inklusiv“, wo viele Aktivitäten auf Initiativen und Vorschlägen des Beirats zurückgehen.

Mit welchen Anliegen kommen denn die Bürgerinnen und Bürger aus dem Bezirk typischerweise auf Sie zu?

Sargon Lang: Das wichtigste Thema ist ohne Frage die Suche nach barrierefreiem, bezahlbaren Wohnraum. Das ist das größte Problem, wo ich auch versuche, beispielsweise in Zusammenarbeit mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften Lösungen oder zumindest Milderungen des Problems herbeizuführen. Das bleibt aber eine große Herausforderung.

Was ist Ihre Vision für einen inklusiven Bezirk Spandau? Wo soll es hingehen?

Sargon Lang: Ich würde mich freuen, wenn ich in Planungsbesprechungen nicht mehr die Frage „Braucht man das denn wirklich?“ hören müsste. Oft wird argumentiert, man habe Menschen mit Behinderung an bestimmten Orten noch nie gesehen. Deswegen müssten sie auch nicht barrierefrei sein. Da Barrierefreiheit für viele aber eine Grundvoraussetzung für Zugänglichkeit ist, beißt sich hier die Katze natürlich in den Schwanz. Da wünsche ich mir ein anderes Bewusstsein.

Titelbild: A.Savin, WikiCommons