Die Beauftragten: Interview mit Dr. Tina Denninger | Potsdam
In unserer Reihe „Die Beauftragten“ stellen wir nach und nach mit alle Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen in den Berliner Bezirken vor. Dieses Mal haben wir einen Blick über die Berliner Stadtgrenzen geworfen und mit Dr. Tina Denninger gesprochen. Sie ist seit 2020 als Beauftragte für Menschen mit Behinderung in der Landeshauptstadt Potsdam aktiv.
Wie war Ihr Weg in das Amt der Beauftragten? Was hat Sie daran gereizt?
Dr. Tina Denninger: Ich bin seit dem 1. Oktober 2020 Beauftragte der Stadt Potsdam. Zuvor war ich vier Jahre lang beim Institut Mensch Ethik Wissenschaft (IMEW) beschäftigt und habe mich in sehr praxisorientierten Forschungs- und Beratungsprojekten mit der Frage beschäftigt, wie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung gestärkt werden kann. Viele Projekte waren an der Schnittstelle von Politik, Öffentlichkeit, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürgern angesiedelt. Beispielsweise habe ich am Index für Partizipation, ein gemeinsames Projekt des IMEW und des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe (BeB) mitgearbeitet. Die Fragensammlung ist ein Instrument, welches Menschen mit Behinderung in Einrichtungen und Kommunen zu mehr Mitbestimmung verhelfen soll. Häufig haben wir aber auch Kommunen beraten und kommunale Aktionspläne entwickelt, sodass ich bereits Erfahrungen mit kommunalen Prozessen sammeln konnte.
An der Stelle als Beauftragte hat mich vor allem die Möglichkeit gereizt, jenseits von Forschungsprojekten ganz konkrete Veränderungen herbeiführen zu können. Ich bin überzeugt davon, dass man gemeinsam eine Stadt inklusiv gestalten kann.
Welche Rolle und Aufgaben haben Sie in der Stadt Potsdam?
Dr. Tina Denninger: Ich denke, meine Aufgaben unterscheiden sich nicht wesentlich von denen einer Bezirksbeauftragten. Ich übe erstens eine Ombudsfunktion für Bürgerinnen und Bürger aus. Zweitens bin ich in vielen unterschiedlichen Bau- und Infrastrukturprojekten einbezogen. Bei diesen wie bei vielen anderen Projekten der Stadtverwaltung habe ich eine Beratungsfunktion. Und drittens kann ich eigene Projekte vorantreiben.
Hier ist das Feld offen für alles, was Inklusion und Teilhabe fördert. Hier arbeite ich viel in Netzwerken und Kooperationen zusammen, wie ich es schon aus dem IMEW gewohnt bin. Dazu gehört beispielsweise das Netzwerk „Arbeit inklusiv“ der AWO oder das Netzwerk „Sport inklusiv“, welches ich mitgegründet habe.
Ich setze aber auch eigene Projekte um: Beispielsweise haben wir uns als Stadt Potsdam erfolgreich als Host Town für die Special Olympic World Games 2023 in Berlin beworben. Ein anderes Projekt ist die Durchführung von Inklusionstagen in Potsdam. Mein wichtigstes Anliegen ist es aber, Strukturen und Prozesse in der Verwaltung und der gesamten Stadt nachhaltig partizipativer zu gestalten und dafür entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Was sind denn für Sie aktuell die wichtigsten Projekte und Aufgaben?
Dr. Tina Denninger: Neben den bereits genannten Projekten ist das vor allem die Wiederetablierung des Beirats für Menschen mit Behinderung. In den letzten Jahren gab es bei dem Beirat leider immer wieder Schwierigkeiten, sodass der letzte Beirat auch aufgelöst wurde. Nun möchte ich endlich wieder einen neuen Beirat ins Leben rufen, da dieser für die Implementierung partizipativer Strukturen in der Verwaltung natürlich unerlässlich ist. Aktuell arbeite ich an einer neuen Geschäftsordnung und hoffe, dass wir bald wieder aktiv sein können. Im Hinblick auf den Beirat ist es für mich wichtig, zu betonen, dass die Beauftragte den Beirat zwar unterstützt, aber kein Mitglied des Beirats ist. Es kann also immer auch mal zu unterschiedlichen Einschätzungen bei bestimmten Themen kommen.
Darüber hinaus ist mir das Thema Beteiligung auch auf anderen Ebenen wichtig: ich möchte gerne die Werkstatträte und Bewohner-Beiräte stärken und zur Vernetzung dieser Institutionen untereinander beitragen. Dazu haben wir als Stadt unter anderem auch eine Lizenz der Wheelmap Pro erworben, das aus meiner Sicht ein sehr gutes Aktivierungsinstrument ist.
Nicht zuletzt ist arbeite ich an einer Fortschreibung und Weiterentwicklung unseres kommunalen Teilhabeplans in Potsdam.
Von wem und wie viel Unterstützung erhalten Sie bei diesen Themen?
Dr. Tina Denninger: Das ist sehr unterschiedlich und hängt natürlich stark vom Thema ab. Grundsätzlich ist es für eine Beauftragte schwierig, die eigenen Themen im Sinne eines „Top-Down“-Ansatzes durchzusetzen. Wir sind nicht weisungsbefugt, sodass ich versuche, meine Anliegen vor allem auf der kollegialen Ebene einzubringen. Das bedeutet Argumentieren, Überzeugen, Nachhaken und manchmal auch hartnäckig sein. Das funktioniert aber oft auch gut. So habe ich beispielsweise eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Verkehrsplanung.
Fachliche Unterstützung bekomme ich natürlich vor allem durch mein Netzwerk, das ich mir durch meine Tätigkeit beim IMEW oder in den letzten zwei Jahren hier in Potsdam und darüber hinaus aufgebaut habe. Für Baufragen kann ich darüber hinaus auf die Expertise eines spezialisierten Büros zurückgreifen.
Die größte Unterstützung bekomme ich aber durch mein Team. Alle Beauftragten in Potsdam sind in einem Büro zusammengefasst. Da alle ähnliche Herausforderungen haben, können wir uns gegenseitig stützen und unsere Erfahrungen austauschen. Das ist im Alltag sehr hilfreich.
Mit welchen Anliegen kommen denn die Bürgerinnen und Bürger aus Potsdam typischerweise auf Sie zu?
Dr. Tina Denninger: Die Anliegen sind sehr verschieden und vielfältig. Das wichtigste Thema ist sicherlich die mangelnde Barrierefreiheit in der Stadt. Potsdam ist eine alte Stadt mit viel Kopfsteinpflaster. Da ist so etwas zu erwarten. Andere Themen sind Probleme mit der Stadtverwaltung, da ich hier ja auch eine Ombuds- und Vermittlungsfunktion erfülle. Zuletzt gibt es sehr häufig Probleme mit Hausverwaltungen oder bei der Suche nach barrierefreiem Wohnraum.
Was ist Ihre Vision für einer inklusiven Stadt Potsdam?
Dr. Tina Denninger: Ich wünsche mir eine Stadt, in der Menschen mit Behinderung gleichberechtigt leben können und sie ihre Rechte vollständig ausüben können. Dafür müssen alle Menschen für diese Ansprüche sensibilisiert werden. Außerdem müssen wir natürlich entsprechende partizipative Strukturen schaffen. Nicht zuletzt wünsche ich mir eine Stadt mit vollständig barrierefreien Informationen unabhängig davon, welche konkreten Bedürfnisse die Menschen mit Behinderung haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Beitragsbild: Paul Korecky – 2018-08-10 DE Potsdam, Havel, Potsdamer Stadtschloss, Charlottenhof 05609390