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Bild von Frau Hundertmark-Mayser: Eine blonde Frau mit schulterlangen Haaren und Brille. Sie trägt eine Kette sowie ein grünes Oberteil.

Neue NAKOS-Geschäftsführerin: Interview mit Dr. Jutta Hundertmark-Mayser

Die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (kurz NAKOS) hat seit diesem Jahr eine neue Geschäftsführerin. Wir haben mit der Diplom-Psychologin Dr. Jutta Hundertmark-Mayser über ihren Werdegang, ihre neuen Aufgaben und die Herausforderungen für die Selbsthilfe gesprochen.

Jutta Hundertmark-Mayer und ihr Weg zur NAKOS

Können Sie kurz sich und Ihren Werdegang vorstellen?

Ich bin Jahrgang 1965, aufgewachsen in der Pfalz und zum Psychologie-Studium nach (West-) Berlin gekommen. Während meines Studiums habe ich mich mit Forschungsmethoden befasst, meinen Abschluss 1991 gemacht und am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin im Fachbereich Entwicklungspsychologie des Lebenslaufs promoviert. 2001 kam ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich gesundheitsbezogene Selbsthilfe zur NAKOS. Mein Arbeitsschwerpunkt war die Evaluation und fachliche Begleitung der Selbsthilfeförderung durch die gesetzlichen Krankenkassen. 2004 wurde ich Projektleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin. Ich habe federführend bundesweite Befragungen für die NAKOS durchgeführt, den Aufbau unseres Wissensportals nakos.de geleitet und zahlreiche Projekte der NAKOS initiiert und realisiert.

Sie sind seit Anfang des Jahres Geschäftsführerin von NAKOS: Was sind Ihre bisherigen Eindrücke?

Ich bin stolz darauf, eine Einrichtung, die ich seit vielen Jahren kenne, nun leiten und ihre Geschicke bestimmen zu dürfen. Aufgrund einer guten finanziellen Ausstattung konnte ich viele neue Mitarbeitende beschäftigen. Es macht Spaß Impulse der nachfolgenden Generation aufzunehmen. Die Anforderungen an den Wissenstransfer zwischen alt und jung sind hoch, erlauben aber gleichzeitig auch die Würdigung des bisher Erreichten.

Herausforderungen, Ziele und Wünsche

Vor welchen Herausforderungen steht die Selbsthilfe nach der Pandemie?

Die Pandemie hat die Entwicklungen in der Selbsthilfe wie durch ein Brennglas verstärkt. Chronikergruppen, die davor schon neue Mitglieder und Nachfolgende suchten, haben ihre Arbeit pandemiebedingt eingestellt. Auch größere und gut aufgestellte Selbsthilfevereinigungen wissen angesichts von Nachfolgemangel nicht, wie es weiter geht. Die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der Selbsthilfe in Deutschland geraten ins Wanken. Gleichzeitig beobachte ich, dass die Selbstorganisation von Betroffenen weiter geht. Die Pandemie hat viele Menschen zusammengebracht. Es gibt bereits mehr als 120 Selbsthilfezusammenschlüsse im Kontext Covid-19, viele zu Long Covid, aber auch zu psychosozialen Anliegen wie Verlust von Angehörigen, Pandemiebedingte Ängste und Vereinsamung.

Die Akzeptanz von Erkrankungen und seelischen Problemen in unserer Gesellschaft ist gestiegen. Das wirkt sich auch auf den Zulauf zu Selbsthilfegruppen aus. Überforderung, Burn-Out, Lebensängste, depressive Verstimmungen: die mehr als 300 Selbsthilfekontaktstellen in Deutschland erleben einen regelrechten Run auf Selbsthilfeangebote. Auch junge Menschen suchen Hilfe in der Selbsthilfe, fast drei Viertel der jungen Selbsthilfegruppen befassen sich mit psychosozialen Anliegen. Die NAKOS vermittelt aktuell an 1.000 Gruppen für junge Menschen.

Was sind Ihre persönlichen Ziele für Ihre Zeit als Geschäftsführerin?

Die Selbsthilfe ist eine wichtige Ergänzung zu professionellen Angeboten, Betroffene fühlen sich aufgehoben und geborgen in der Gemeinschaft und erfahren, dass sie selbst etwas für sich tun können. Wenn ich in einer Selbsthilfegruppe mitarbeite, leiste ich einen wichtigen Beitrag für mein persönliches Wohlbefinden und stärke somit auch meine Gesundheit. Mit der Arbeit der NAKOS als bundesweite Fachstelle zur Selbsthilfe möchte ich diesen besonderen Wert weitergeben an Betroffene, Versorger und Entscheidungsträger. Meine Vision ist, dass Selbsthilfe mitgedacht wird und selbstverständlicher Bestandteil im Leben von Erkrankten und seelischem Leid Betroffenen wird.

Was würden Sie sich von Organisationen der Behindertenhilfe für die Zusammenarbeit wünschen?

Mehr miteinander anstelle nebeneinander – das wünsche ich mir.