Was heißt „Betriebliches Eingliederungsmanagement“?
Ein Beitrag von Stephan Neumann
Krank werden wir alle mal. Das gehört dazu und ist nicht schlimm. Bei besonders schweren Erkrankungen und/oder bleibenden Einschränkungen birgt der Wiedereinstieg in die Arbeit jedoch mitunter Herausforderungen und benötigt deswegen eine besondere Planung. Seit 2004 sind Arbeitgeber daher verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Aber wann genau bietet ein Arbeitgeber einem Mitarbeitenden ein Gespräch im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements an und was muss man dazu wissen?
Betriebliches Eingliederungsmanagement nach Sozialgesetzbuch XI
Der Gesetzgeber hat im § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch XI geregelt, dass der Arbeitgeber allen Mitarbeitenden, welche in den letzten 12 Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, ein solches Gespräch anbieten muss. Dabei ist nicht entscheidend, ob es sich um eine chronische Erkrankung, einzelne Krankheitstage, die in der Summe sechs Wochen entsprechen, oder um eine Erkrankung mit bleibenden Einschränkungen, beispielsweise nach einem Schlaganfall, handelt.
Was bringt es mir, ein solches Gespräch mit meinem Arbeitgeber zu führen?
Für Mitarbeitende kann so ein Gespräch im Kontext des Betrieblichen Eingliederungsmanagements zum Erhalten der Gesundheit bzw. zum Genesungsprozess beitragen. Mittels eins solchen Gespräches werden gezielt den betrieblichen Ursachen für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nachgegangen. Aber auch notwendige Hilfsmittel sowie andere Unterstützungsbedarfe können in diesem Gespräch von den Mitarbeitenden beantragt und mit den Vorgesetzten besprochen werden. Und selbstverständlich kann eine Vertrauensperson zu dem Gespräch hinzugezogen werden. Hier empfiehlt es sich zum Beispiel, ein Mitglied der Personalvertretung und/oder der Schwerbehindertenvertretung einzubeziehen.
Und was hat der Arbeitgeber davon?
Er kann besser auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden eingehen und so auch dazu beitragen, dass sich ihre Fehlzeiten reduzieren. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für jeden Arbeitgeber von Vorteil, sich noch mehr um die Gesundheit seiner Mitarbeitenden zu bemühen.
Gerade nach einem Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma können die eine oder andere Hilfestellung für den zurückkehrenden Mitarbeitenden erforderlich werden. Denn beide Krankheitsbilder können zur Folge haben, dass sich das Leben des Mitarbeitenden dauerhaft ändert. Auch wenn heute aufgrund der vielfältigen Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten – beispielsweise im P.A.N. Zentrum der Fürst Donnersmarck-Stiftung – schon sehr viel mehr für den Einzelnen und seine Genesung getan wird, so kann es trotzdem vorkommen, dass auch auf die Unterstützung des Arbeitgebers gesetzt werden muss. Ein solches Gespräch kann dann dazu führen, dass bestimmte finanzielle Mittel bei den jeweiligen Leistungsträgern für erforderliche Hilfsmittel oder Unterstützungsbedarfe beantragt werden. Auch der Kontakt zu Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen und damit die Rückkehr in den bekannten Arbeitsalltag ist wichtig und trägt ebenfalls zur Genesung bei.
Kann ich ein solches Gespräch von meinem Arbeitgeber einfordern?
Jeder hat einen Rechtsanspruch auf ein solches Gespräch – das ist in § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch XI geregelt. Das BEM-Gespräch ist für die Mitarbeitenden jedoch keine Pflicht, sondern völlig freiwillig. Erst wenn die Zustimmung des Betroffenen vorliegt, kann so ein Gespräch stattfinden. Es ist das gute Recht des Betroffenen, ein bereits angefangenes Gespräch jederzeit zu stoppen. Der Arbeitgeber ist daher auch verpflichtet, den Betroffenen vor Beginn des Gesprächs auf die Freiwilligkeit des Gesprächs hinzuweisen und Ziele zu formulieren.
Betriebliches Eingliederungsmanagement – Ein Fazit
Wie Sie sehen, hat der Gesetzgeber mit der rechtlichen Verankerung dieses Gespräches ein gutes Instrument geschaffen, um nach längerer Erkrankung wieder nach den vorhandenen Möglichkeiten in das Berufsleben einzusteigen. Nicht jeder möchte seinem Arbeitgeber seine Krankengeschichte bis ins Kleinste erzählen. Sie entscheiden, was und wie viel Sie Ihrem Arbeitgeber erzählen möchten. Denn der Betroffene ist immer der Herr des Verfahrens.
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man mit einem für den Betroffenen vertretbaren Maß an Offenheit sehr häufig auf offene Ohren beim Arbeitgeber stößt. Und in den allermeisten Fällen ist der Arbeitgeber bemüht, seinen Mitarbeitenden den Wiedereinstieg in das Berufsleben so leicht wie möglich zu machen.
Sollten Sie einmal vor einem solchen Gespräch stehen, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich mit Ihrem Arzt und den jeweiligen Interessensvertretungen Ihres Arbeitgebers frühzeitig zu verständigen. So können Sie bereits im Vorfeld eine Strategie für das Gespräch erarbeiten. Denn eines ist dieses Gespräch mit Sicherheit nicht: Einfach. Warum nicht? Aus den vielen BEM-Gesprächen, an denen ich bereits teilgenommen habe, weiß ich, dass die Betroffenen alles Erlebte noch einmal durchleben – dazu gehören oft auch Trauer, Wut und Angst.
Sollten Sie sich vorsorglich und intensiver über das BEM-Gespräch informieren wollen, so möchte ich Ihnen an dieser Stelle empfehlen, sich die Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales anzusehen.
Ich hoffe, ich habe Ihnen Mut gemacht, ein solches Gespräch wahrzunehmen und konnte Ihnen durch das Aufzeigen Ihrer Möglichkeiten auch die Furcht und die Angst vor einem solchen Gespräch ein wenig nehmen.
Zum Autor Stephan Neumann
Stephan Neumann, Jahrgang 1974, schreibt bei mittendrin immer wieder Artikel zum Thema Inklusion und Arbeit. Er ist selbst in der Funktion als Schwerbehindertenvertreter tätig und kennt sich daher mit vielen Themen in diesem Zusammenhang aus. Sei es Betriebliches Eingliederungsmanagement, Hilfsmittelanträge und vieles mehr. Mehr zu unserem Gastautor Stephan Neumann.