Teilhabe am Arbeitsleben: Wer zahlt meine Hilfsmittel?
Ein Beitrag von Stephan Neumann
Wir alle kennen die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Dort wird in Artikel 27 „Arbeit und Beschäftigung“ darauf hingewiesen, dass durch die Vertragsstaaten das Recht zur Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, gewährleistet werden muss.
Aber was mache ich, wenn ich zwar einer Arbeit nachgehen kann und auch einen Arbeitsplatz habe, aber zur Ausübung meiner Tätigkeit Hilfen benötige? Egal ob jemand bestimmte Hilfsmittel für seine Arbeit braucht oder bauliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, ich möchte Ihnen als Arbeitnehmer gerne einen Überblick verschaffen, wer Sie unterstützt.
Hilfsmittel für die Arbeit: Wer zahlt?
Ich brauche ein Hilfsmittel, um meine Arbeit zu erledigen: Wer zahlt das bzw. wer beteiligt sich an den Kosten? In Deutschland werden Kosten zur Teilhabe am Arbeitsleben von folgenden Trägern übernommen:
- Träger der gesetzlichen Rentenversicherung
- Bundesagentur für Arbeit
- Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
- sowie das Integrationsamt des jeweiligen Bundeslandes
Das sind eine Menge in Frage kommende Träger. Ich möchte versuchen, Ihnen unter Nennung der jeweiligen Voraussetzungen zu zeigen, an wen Sie sich wenden können, um finanzielle Unterstützung zu bekommen.
Unterstützung von der Deutschen Rentenversicherung
Anfangen möchte ich mit der Deutschen Rentenversicherung. Für die Gewährung von „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (Hilfsmittel, bauliche Maßnahmen) müssen Sie bestimmte persönliche und versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllen.
Ihre Erwerbsfähigkeit muss wegen Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdet oder eingeschränkt sein. Außerdem müssen die beantragten Leistungen bzw. Hilfsmittel die Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich verbessern, wiederherstellen oder, bei bleibender teilweiser Erwerbsminderung, den Arbeitsplatz sichern.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn Sie:
- als Versicherte/r die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben
- oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen
- oder Sie in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung 6 Monate Pflichtbeiträge geleistet haben
- oder Sie vermindert erwerbsfähig sind.
„Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ werden auch erbracht, wenn ohne diese eine Rente wegen Erwerbsminderung gezahlt werden müsste oder unmittelbar zuvor Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbracht wurden.
Unterstützung für Hilfsmittel von der Bundesagentur für Arbeit
Erfüllen Sie die dargestellten Voraussetzungen nicht, müssen Sie sich mit Ihrem Antrag auf Beschaffung von Hilfsmitteln an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Die Agentur für Arbeit ist für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig, soweit kein anderer Rehabilitationsträger Vorrang hat.Denn ihre Aufgabe ist es, die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung zu fördern.
Zunächst wird mit Ihnen ein Gespräch durch eine/n Reha-Berater/in geführt. Dieses Gespräch können Sie vor der Antragstellung bei der Agentur vereinbaren oder danach, wenn Sie schon genau wissen, was Sie benötigen. Den Antrag selbst stellen Sie bei der Agentur für Arbeit, die für Ihre Wohnanschrift zuständig ist.
Zu der finanziellen Förderung, welche sich immer nach Art und Schwere der Behinderung richtet, kann Ihnen die Behörde die Kosten für die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme wie Lehrgang, Prüfungsgebühren, für Lernmittel, Unterkunft, Verpflegung und Reisen erstatten. Auch Leistungen zum Lebensunterhalt können gewährt werden. Die sind etwa in Form von Ausbildungs- oder Übergangsgeld sowie Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung bei Aus- und Weiterbildungen in einer Einrichtung zur beruflichen Rehabilitation (z. B. Berufsbildungs- und Berufsförderungswerk) möglich.
Weitere Leistungen der Bundesagentur für Arbeit
Außerdem kann sie weitere Leistungen zur Förderung der Beschäftigung gewähren. Beispielsweise:
- Erstattung von Bewerbungs- und Reisekosten
- Gründungszuschuss bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit
- Leistungen an Arbeitgeber, die einen behinderten oder schwerbehinderten Menschen beschäftigen (Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung, für die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes, für die Eingliederung und Lohnkosten sowie die Übernahme der Kosten für eine Probebeschäftigung)
- Übernahme der Kosten für bauliche Maßnahmen, damit Sie Ihren Arbeitsplatz erreichen können. Zum Beispiel ein elektrischer Türantrieb, aber auch ein medizinisches Hilfsmittel wie eine Liege genannt.
Voraussetzungen für Hilfsmittel- und Maßnahmen-Förderungen
Damit Sie allgemeine oder besondere Leistungen zur Teilhabe oder eine finanzielle Förderung am Arbeitsleben von der Agentur für Arbeit erhalten, müssen Sie grundsätzlich zwei Voraussetzungen erfüllen:
Sie sind behindert oder schwerbehindert oder konkret von einer Behinderung bedroht und aufgrund der Behinderung kann ohne entsprechende Unterstützung die bisherige berufliche Tätigkeit von Ihnen nicht mehr ausgeübt werden oder der Einstieg in den Beruf ist für Sie nicht möglich.
Unterstützungsmöglichkeiten der Gesetzlichen Unfallversicherung
Auch die Gesetzliche Unfallversicherung, zu denen die nach Branchen gegliederten gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sowie die Unfallkassen gehören, erbringen „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“.
Gemeinsamer Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ist die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger sind bei Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten für die gesamte Rehabilitation zuständig. Sie steuern und koordinieren die medizinische Behandlung sowie die Wiedereingliederung in den Beruf und in das soziale Umfeld mit allen geeigneten Mitteln.
Unterstützung durch Eingliederungsmaßnahmen
Nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit kann man manchmal nicht ohne weiteres eine berufliche Tätigkeit wiederaufnehmen. Die Unfallversicherungsträger haben die Aufgabe, Sie frühzeitig und dauerhaft entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung Ihrer Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit wieder einzugliedern.
Koordiniert werden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Berufshelferinnen und -helfer oder Reha-Managerinnen und Manager. Das Unterstützungsangebot umfasst Beratung, Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und konkrete Hilfsmittel, wie beispielsweise Mobilitätshilfen oder die Kostenübernahme für eine technische Anpassung des Arbeitsplatzes.
Aber auch Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, einer durch die Behinderung erforderlichen Grundausbildung, zur beruflichen Ausbildung, Anpassung und Weiterbildung werden ermöglicht.
Unterstützung durch das Integrationsamt
Das Integrationsamt kann schwerbehinderten Menschen Hilfsmittel finanzieren, wenn einer der genannten Rehabilitationsträger nicht zuständig ist. Dies ist in erster Linie bei Beamten und Selbständigen der Fall.
Das Integrationsamt unterstützt dann bei Hilfsmittel und Maßnahmen, die zum Erreichen des Arbeitsplatzes, zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen Existenz sowie zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig sind.
Auch wenn es etwas verwirrend ist, so hoffe ich Ihnen die Unterschiede dargestellt zu haben und kann Ihnen nur empfehlen, frühzeitig dieses Thema anzugehen und sich Unterstützung zu suchen. Sei es bei dem entsprechenden Leistungsträger, wenn Sie diesen für sich schon identifiziert haben, bei der Schwerbehindertenvertretung oder dem Betriebsarzt.
Zum Autor: Stephan Neumann
Stephan Neumann, Jahrgang 1974, schreibt bei mittendrin immer wieder Artikel zum Thema Inklusion und Arbeit. Er ist selbst in der Funktion als Schwerbehindertenvertreter tätig und kennt sich daher mit vielen Themen in diesem Zusammenhang aus. Sei es Betriebliches Eingliederungsmanagement, Hilfsmittelanträge und vieles mehr. Mehr zu unserem Gastautor Stephan Neumann.
Titelfoto: Michel Arriens | www.michelarriens.de | via www.gesellschaftsbilder.de