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Die Planung für die Reichsautobahn durch Frohnau

Gescheitertes Bauprojekt: Die Reichsautobahn in Frohnau

In unserem heutigen Archivstück beschäftigen wir uns mit einem unverwirklichten Städtebauprojekt: der geplanten Reichsautobahn mitten durch den Wald in Frohnau. Eine spannende Geschichte mit weitreichenden Auswirkungen auf die Geschichte der Fürst Donnersmarck-Stiftung.

Die Reichsautobahn Frohnau als frühe Bedrohung für die FDST

Die Epoche der NS-Gewaltherrschaft von 1933-1945 war auch für die Fürst Donnersmarck-Stiftung (FDST) eine herausfordernde Zeit. Zurückgeworfen durch die Weltwirtschaftskrise und die nachfolgende Inflation, die das Barvermögen der Stiftung aufgezehrt hatte, konnte die FDST ihren Stiftungszweck in der Zwischenkriegszeit nicht erfüllen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten drohte der Stiftung zeitweise die Zwangsauflösung durch das Berliner Stadtpräsidium.

Die Pläne zur Enteignung der Stiftung stellten allerdings nicht ihre einzige Bedrohung in dieser Zeit dar. Probleme drohten ihr noch von anderer, weniger bekannten Seite: dem Berliner Straßenbau. Denn die ursprünglichen Planungen zum Anschluss Berlins an das Reichsautobahnnetz führte die Trasse der Nordtangente des Berliner Rings direkt durch das Waldgebiet der Stiftung. Dies hätte ihr einziges verbliebenes Kapital massiv beeinträchtigt. Selbst nach dem Ende des ‚Dritten Reichs‘ war diese Straßenführung in Bebauungs- und Flächennutzungsplänen präsent. Im Archiv der FDST befindet sich eine solche Karte. Sie verdeutlicht das existenzbedrohende Ausmaß, den der geplante Bau der Reichsautobahn für die Stiftung gehabt hätte. Grund genug, danach zu fragen, wie es zu der Planung kam.

Der Berliner Ring

Die Vorgeschichte der Reichsautobahn in und um Berlin reicht bis in die Weimarer Republik zurück. Im Jahr 1921 wurde die Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße (AVUS) für den Verkehr freigegeben, auf deren Trasse bis heute der Verkehr von Südwesten in die Stadt fährt. Damals dachte noch niemand daran, Berlin mit einem Autobahnring zu umgeben, um den Verkehr umzuleiten, der nicht die Innenstadt zum Ziel hat. Erste konkrete Überlegungen hierzu setzten Anfang der 1930er Jahre ein. Zunächst redete jedoch niemand von einem Ring. Vielmehr sollte der Verkehr auf drei Tangenten an Berlin vorbeigeführt werden.

Geplant war eine Streckenführung, bei der sich der Verkehr aus den Richtungen Ost-West, Nordost-Südwest und Nordwest-Südost in einem Autobahndreieck südlich der Stadt treffen sollte. Aufgrund der geologischen Situation des Berliner Umlandes wurde diese ideale Streckenführung aber nicht realisiert. Stattdessen musste sie zu einem Ring umgestaltet werden, der sich um die Stadt schloss. Das Bindeglied dieses Rings war die Nordtangente, deren Streckenverlauf mitten durch das Stiftungsgelände der FDST führen sollte. Dazu kam es aber nicht mehr. Denn während der Ostring 1937, der Südring 1938 und Teile des Westrings bis 1940 fertiggestellt waren, wurde der Bau des Nordrings aufgrund des Zweiten Weltkriegs nicht mehr begonnen.

Autowandern als Landschaftserlebnis

Dass man die Autobahn als Ring plante, hatte aber nicht nur geologische Gründe. Eine Ideale Streckenführung, also die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, stand nicht im Fokus des nationalsozialistischen Straßenbaus. Von Anfang an waren die Autobahnen nicht nur als Verkehrsinfrastruktur, sondern als Medium der Natur- und Landschaftsvermittlung und damit als Propagandainstrument geplant. Deutlich geht dies aus der zwischen 1933 und 1942 vom Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen herausgegebenen Zeitschrift Die Strasse hervor.

Neben ingenieurstechnischen Fragen spielt darin die Ästhetik des Autobahnbaus eine wichtige Rolle. Thematisiert wird die Einpassung der Straße in die Landschaft, die Landschaftsgestaltung entlang der Trasse, die Gestaltung von Verkehrsbauwerken und die Anlage von Rast- und Aussichtspunkten. Dabei wird die Autobahn als Ausdruck des „grundsätzlichen Wandels“ der nationalsozialistischen Baugesinnung und Weltanschauung verstanden. Ein erklärtes Ziel des Autobahnbaus im ‚Dritten Reich‘ war es, die deutschen ‚Volksgenossen‘ mit der ‚deutschen Landschaft‘ vertraut zu machen. Erreicht werden sollte dies durch eine abwechslungsreiche Streckenführung, die einen möglichst „ungehemmten Blick auf nahe und ferne“ landschaftliche „Schönheiten“ eröffnet. Die „Anpassung an das Gelände“, „verständnisvolle Einordnung der Neuanlagen“, „zweckmäßige Bepflanzung“ und „schöne Form und handwerksmäßig gute Ausbildung der Kunstbauten“ waren die Maximen des NS-Autobahnbaus. Der „Autowanderer“ sollte das Fahren als einen „angenehmen Wechsel von Landschaftsbildern“ erleben. Beim Fahren sollten sich Wald-, Acker- und Wiesenstrecken abwechseln und zum Gesamteindruck einer ‚deutschen Landschaft‘ verdichten.

Alwin Seifert und der deutsche Wald

Die geplante Reichsautobahn in Frohnau kam in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Denn hier führte die Trasse durch einen Raum, dem die nationalsozialistische Propaganda einen besonderen Wert zumaß: dem Wald. Deutlich zeigte dies der 1938 in der Zeitschrift Die Strasse veröffentlichte Aufsatz „Reichsautobahn und Wald“ des Gartenarchitekten und ‚Reichslandschaftsanwalts‘ Alwin Seifert. Dieser beschreibt den Wald als eigentlichen Schicksalsraum des deutschen Volkes. Die Zerstörung der Wälder setzt Seifert mit der Vernichtung von Lebensraum und letztendlich dem ‚Niedergang des Volkes‘ gleich. Dem sollte eine Waldpädagogik entgegenwirken, die auch vom Auto aus möglich war. Ein entscheidender Aspekt dabei war einmal mehr die Streckenführung, die eine Fahrt durch den Wald zu einem besonderen Erlebnis machen sollte.

Seiferts Meinung nach mussten die Fahrer dafür aber vollständig von einem Wald umgeben sein. Genau deswegen durfte die Waldstrecke auch nicht gerade verlaufen, sondern musste sich nach Möglichkeit in Kurven durch den Wald schlängeln. Wo dies – wie in Frohnau – nicht möglich war, kam die Landschaftsgärtnerei zum Zuge. In solchen Fällen schlägt Seifert vor, die Einfahrt in den Wald durch Bepflanzung wie ein Tor zu gestalten und die Fauna im Inneren des Waldes so umzugestalten, dass der Eindruck eines dichten Mischwaldes entsteht. „Beobachtung und natursichtige Einfühlung“, so Seifert, sind hierfür besonders entscheidend. „Mit ihrer Hilfe wird es uns gelingen, in überraschend kurzer Zeit auch im Wald die Autobahn als etwas Endgültiges, Fertiges hinzustellen und gerade die Waldstrecken zu den schönsten zu machen.“

Die Reichsautobahn und der Forst in Frohnau

Sicherlich entsprach gerade der Frohnauer Forst nicht dem Idealbild eines ‚deutschen Waldes‘ wie es Alwin Seifert vorschwebte. Statt gleichaltriger Kiefernmonokulturen wie in Frohnau, die hinsichtlich ihres maximalen Ertrags gezüchtet und in Reih und Glied aufgestellt waren, propagierte er einen artenreichen Mischwald mit ungleichaltrigen Bäumen. Einen solchen Wald kultivierte beispielsweise das ehemalige Kuratoriumsmitglied der FDST, August Bier, in Sauen bei Beeskow. Aus Seiferts Sicht hätte also auch der Frohnauer Forst umgestaltet werden müssen, um die Fahrt auf der Reichsautobahn in Frohnau zum Walderlebnis zu machen. Für ihn war dies aber kein grundsätzliches Problem, sondern nur eine Frage der Zeit. Und davon, glaubte Seifert, war im ‚Dritten Reich‘ genug vorhanden.

Die Situation nach 1945

Bekanntlich kam alles anders und nur wenige Jahre später war das ‚tausendjährige Reich‘ Geschichte. Der Frohnauer Forst und damit das Stiftungsgelände blieben unangetastet. Doch nicht nur der Forst überdauerte das ‚Dritte Reich‘. Auch die Pläne, den Berliner Ring durch den Frohnauer Wald zu führen, blieben zunächst bestehen. Wie intensiv sie verfolgt wurden, ist unklar. Allerdings grenzte der Wald unmittelbar an die SBZ und die spätere innerdeutsche Grenze zur DDR. In die im Archiv der FDST aufbewahrten Karte, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus den frühen 1950er Jahren stammt, wurde die Trasse gleichwohl eingezeichnet.

Aus der Karte lässt sich ersehen, dass die geplante Ost-West-Trasse und die Anschlussstelle zur B 96 einen großen Teil des Stiftungswaldes und vor allem einen Teil des Bebauungsgebietes von Frohnau in Anspruch genommen hätten. Der Charakter einer Gartenstadt wäre bei Umsetzung dieser Planungen zunichte gewesen. Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass die Autobahntrasse noch im Flächennutzungsplan von 1965 auftaucht.

Ein Foto des Flächennutzungsplans.

Obsolet wurde die Planung erst, als der Berliner Ring ab 1970 durch die DDR außerhalb Berlins fertiggestellt wurde. Die über viele Jahrzehnte hinweg geplante Reichsautobahn durch den Wald in Frohnau wurde nicht gebaut und dieser auch nicht umgestaltet. Bis zur Mitte der 1970er Jahre war er als Wirtschaftswald eine der Finanzierungssäulen der FDST. Der Verkauf von Holz rentierte sich aber zusehends weniger. Deshalb entschloss sich das Kuratorium dazu, den größten Teil des Stiftungswaldes an das Land Berlin zu verkaufen. Seither ist der Frohnauer Forst ein weitgehend unbewirtschaftetes Landschaftsschutzgebiet, das sich Stellenweise langsam in einen Urwald zurückverwandelt.