#ad20: Qualitätsmanagement in der Pflege. Eine wichtige Aufgabe
Qualität in der Pflege ist ein mediales Dauerthema. Mal soll die Qualität in der Pflege gesichert werden; mal wird über Qualitätsmängel in der Pflege berichtet und mal geht es ganz grundsätzlich um den Zusammenhang von Fachkräftemangel und Pflegequalität. Doch was bedeutet Qualität in der Pflege eigentlich? Wie wird sie gesichert? Und was hat Qualitätsmanagement damit zu tun? Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Ambulanten Dienstes (AD) sprachen wir mit der Qualitätsmanagementbeauftragten des AD Hannah Freisheim.
Was Qualitätsmanagement eigentlich bedeutet
Liebe Frau Freisheim, können Sie uns zu Beginn erklären, was Qualitätsmanagement (QM) im Ambulanten Dienst ist und wie wir uns das konkret vorstellen dürfen?
H.F.: Grundsätzlich bedeutet Qualitätsmanagement die systematische Strukturierung von Arbeitsprozessen und darauf aufbauend das Einbringen sowie schrittweise Umsetzen von Verbesserungsvorschlägen. Qualitätsmanagement betrifft damit im Grunde alle Arbeitsbereiche einer Einrichtung.
In der Pflege hat Qualitätsmanagement darüber hinaus eine weitere Dimension. Denn die Pflege ist stark durch externe Vorgaben beispielsweise durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), der Heimaufsicht oder allgemeine Vorgaben wie Hygienestandards geprägt. Das QM ist deswegen in der Pflege besonders darauf ausgerichtet, diese externen Erwartungen zu erfüllen.
Wie erfahren Sie denn von diesen externen Anforderungen?
H.F.: Die muss man sich zusammensuchen. Das ist in der heutigen Zeit jedoch relativ einfach. Inzwischen kann man bei ganz vielen Organisationen Newsletter abonnieren, in denen man über aktuelle Änderungen informiert wird. Die AOK bietet beispielsweise so einen Newsletter an, auch beim MDK kann man sich eintragen.
Darüber hinaus gehe ich regelmäßig zu Kooperationstreffen von Qualitätsbeauftragten anderer Träger. Das ist immer sehr produktiv, weil man sich dort fachlich austauschen kann.
Anpassungen an externe Anforderungen
Wenn es dann zu Änderungen kommt, überprüfen Sie die bestehenden Prozesse und passen sie an die neuen Rahmenbedingungen an?
H.F.: Genau. Es kann zum Beispiel sein, dass es neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu etablierten Verfahren gibt oder dass bestimmte Hygienevorschriften überarbeitet werden. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Erstellung von Schutzkonzepten – etwa ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt in der Pflege. Das ist ein ganz wichtiges Thema und ist auch im Berliner Rahmenvertrag zur Behindertenhilfe so vorgesehen.
Zusätzlich gibt es für bestimmte Themen Expertenstandards. Der Expertenstandard für die Pflege wird vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege in Osnabrück erarbeitet. Das ist eine Arbeitsgruppe, in der sich sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Praktikerinnen und Praktiker engagieren und Handlungsempfehlungen für bestimmte Themen erarbeiten.
Diese gibt es zum Beispiel zur Dekubitusprophylaxe, zum Schmerzmanagement oder zur Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege. Auch diese Standards müssen in unseren Arbeitsalltag integriert und muss jährlich geschult werden.
Können Sie uns erklären, wie eine QM-Beauftragte bei der Entwicklung neuer Standards oder der Anpassung bestehender Prozesse an neue Anforderungen konkret vorgeht?
H.F.: Der erste Schritt ist immer, sich einen Prozess genau anzusehen und dann so konkret wie möglich zu beschreiben – zuerst verbal, anschließend formalisiert. Danach analysiert man diesen Prozess nochmal intensiver. Im Fokus steht dabei die Frage, ob der Ablauf so wie er aktuell durchgeführt wird Sinn ergibt bzw. den gesetzlichen Vorgaben entspricht oder ob es möglicherweise Verbesserungspotentiale gibt.
Die Instrumente einer QM-Beauftragten
Auf welche Weise werden denn diese Änderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermittelt?
H.F.: Dazu gibt es verschiedene Instrumente. Ein wichtiges Mittel sind bei uns im Ambulanten Dienst die Pflegevisiten. Wir begleiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihren Pflegeeinsätzen bei den Klientinnen und Klienten zu Hause. Dabei schauen wir uns die Pflegeprozesse in den Häuslichkeiten ganz genau an: Welche Vorlieben haben die Klientinnen und Klienten? Welche Verbesserungsvorschläge haben sie selbst? Werden alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten? Und vieles mehr.
Diese Pflegevisiten müssen wir übrigens bei den Pflegekräften, die lediglich einen 200-Stunden-Pflegebasiskurs absolviert haben, jährlich durchführen. Das ist vom MDK so vorgeschrieben.
Wie geht es nach den Pflegevisiten weiter?
H.F: Manche Dinge kann man durch ein direktes Feedback verbessern. Zusätzlich gestalte ich auf Grundlage der Beobachtungen aus den Pflegevisiten das Fort- und Weiterbildungsangebot im Ambulanten Dienst.
Das umfasst dann beispielsweise Gruppenschulungen zu den Hygienerichtlinien des Robert-Koch-Instituts, die wir ebenfalls jährlich nachweisen müssen. Manchmal ermöglichen wir auch einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezielte Weiterbildungen in bestimmten Arbeitsfeldern, die in der ambulanten Pflege wichtig sind.
Und die dritte Ebene der Qualitätssicherung ist dann das Qualitätsmanagement-Handbuch?
H.F.: Genau. Das QM-Handbuch bildet alle Prozesse innerhalb eines Pflegedienstes ab und funktioniert dann für die Kolleginnen und Kollegen als Nachschlagewerk. Es ist praktisch ein frei zugängliches Lexikon.
Zusätzlich enthält es weitere wichtige Informationen, die den Ambulanten Dienst betreffen. Das können zum Beispiel interne Formulare und Vorlagen sein.
Und wie erfahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Änderungen?
H.F.: Sie werden durch eine E-Mail sowie in den Teamsitzungen darüber informiert. Zusätzlich habe ich ein umfassendes Inhaltsverzeichnis erstellt, das eine schnelle Orientierung im Handbuch ermöglicht.
Der Arbeitsalltag im Qualitätsmanagement
Sie haben uns inzwischen viel über Ihre unterschiedlichen Aufgaben erzählt. Aber können Sie uns noch einen Einblick in Ihren Arbeitsalltag geben?
H.F.: Der sieht ganz unterschiedlich aus und hängt davon ab, welche Schwerpunkte ich setze. Aktuell engagiere ich mich in vielen Arbeitsgemeinschaften und bin sehr intensiv mit dem Ausarbeiten und Planen der Pflegevisiten beschäftigt. Hinzu kommen die Begleitung der direkten Pflege, die Organisation von Fort- und Weiterbildungen und der Kontakt mit den Dozenten. Aktuell arbeite ich mit den Pflegekräften auch die individuellen Maßnahmenpläne für unsere Klientinnen und Klienten aus.
Was ist das?
H.F.: Das sind Ablaufpläne, die jeweils individuell auf die Anforderungen, Wünsche und Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten, aber auch auf ihre konkreten Häuslichkeiten zugeschnitten sind. Diese Maßnahmenpläne dürfen nur von Pflegefachkräften erstellt werden. Deswegen unterstütze ich die Pflegekräfte dabei.
Die Unterschiede zwischen stationärer und ambulanter Pflege
Wo besteht eigentlich aus Ihrer Sicht der größte Unterschied zwischen dem Qualitätsmanagement in der stationären und der ambulanten Pflege?
H.F.: Erstens ist im stationären Bereich der Kontakt zwischen den Pflegekräften und den Pflegefachkräften viel direkter als in der ambulanten Pflege – gerade auf den Autotouren. Das macht im ambulanten Bereich gerade Dinge wie die Erstellung von Maßnahmenplänen komplizierter.
Zweitens ist in stationären Einrichtungen – vor allem in Krankenhäusern – die Klientenzentrierung nicht so stark wie im Ambulanten Dienst. Wir entwickeln Maßnahmenpläne und Standards, die auf die individuellen Bedürfnisse und Häuslichkeiten der Klientinnen und Klienten zugeschnitten sind. In Krankenhäusern gibt es eher Dokumentationen und grundsätzliche Handlungsanweisungen. Hier verlassen die Patientinnen und Patienten – wenn alles gut geht – ja die Einrichtung auch viel schneller wieder. Im Ambulanten Dienst entstehen längere Beziehungen – oft über mehrere Jahre.
Wo sehen Sie in Zukunft die größten Herausforderungen für ein gelingendes Qualitätsmanagement in der ambulanten Pflege?
H.F.: Ich persönlich sehe die Vielzahl an externen Vorgaben eher kritisch, da sie sehr viel Zeit und Ressourcen kosten. Die konkreten Auswirkungen und Verbesserungen sind dabei aber in der Regel eher gering. Ich würde meine Kolleginnen und Kollegen lieber in anderen Dingen schulen: Wie gehe ich mit Stress in der Arbeit um? Wie können wir die Veränderungen der Digitalisierung für den Pflegealltag nutzbar machen? Das sind wichtige Fragen, mit denen ich mich lieber intensiver beschäftigen würde. Denn ich verstehe Qualitätsmanagement auch als eine Form des Change-Managements, bei dem es um mehr gehen sollte.
Liebe Frau Freisheim, wir danken für das Gespräch!