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Podcast WirSprechen Episode 5: Tom Wyssusek

Herzlich willkommen zu WIRSprechen, dem Interviewpodcast des WIR-Magazins. Unser Anspruch ist es, unmittelbar, authentisch und auf Augenhöhe über Leben mit Behinderung zu schreiben. Nun geben WIR dem Ganzen auch eine Stimme. Denn Menschen mit Behinderung kommen immer noch viel zu wenig selber zu Wort. In der fünften Folge heißt es: WIRSprechen mit Tom Wyssusek.

Staffel 1 – Episode 5: WirSprechen mit Tom Wyssusek

In der ersten Staffel unseres Podcast WIRSprechen lernen Sie die Menschen kennen, die für das WIR-Magazin schreiben. Da geht es nicht nur um einen Blick hinter die Kulissen, sondern unsere Autorinnen und Autoren geben hier einen Einblick in ihr Leben mit Behinderung. Wie ist der Alltag mit Multipler Sklerose? Wie setzt sich eine Expertin für barrierefreies Bauen auf der Baustelle durch? Wie geht man mit der eigenen Behinderung um, wie kommt man mit Assistenz zu Live-Konzerten?

Hauptsache, es ist laut!

In der fünften Folge von WIRsprechen erzählt WIR-Redakteur Tom Wyssusek über Möglichkeiten, mit Assistenz Rockkonzerte zu besuchen und wie sein Leben nach mehreren Schlaganfällen ausschaut. Als gelernter Physiotherapeut möchte er wieder zurück in seinen Beruf, den er sehr liebt. Doch das ist nicht so einfach. Jetzt, wo die Pandemielockerungen Präsenzarbeit wieder möglich machen und jetzt, wo sein Gesundheitszustand stabil ist, startet Tom einen Bewerbungsmarathon. Die Idee: Arbeit als Physiotherapeut für Tiere. Ein buntes Themenspektrum kompakt in unterhaltsamen 12 Minuten.

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Alle 14 Tage dienstags veröffentlichen wir hier einen Podcast mit einer neuen Geschichte.

Das Transkript zum Mitlesen

Hallo und herzlich willkommen zu einem weiteren Beitrag von WIRSprechen, dem Interview-Podcast des WIR-Magazins. Mein Name ist Ursula Rebenstorf. Ich bin Redakteurin des WIR-Magazins der Fürst Donnersmarck-Stiftung. In dieser Staffel von WIRSprechen lernen Sie, lernt ihr die Menschen kennen, die für das WIR-Magazin schreiben. Heute stellt sich unser Redakteur Tom Wyssusek vor. In der Redaktion ist Tom unser Rock‘n‘Roller. Er liebt Tattoos und Rock- beziehungsweise Metal-Musik. Entsprechend gerne besucht Konzerte und Festivals, nach dem Motto: Hauptsache, es ist laut. Und auch Hauptsache, er hat Assistenz für das jeweilige Event organisieren können, denn Tom ist Rollstuhl-Nutzer. Hallo Tom, schön, dass du heute da bist.

Tom Wyssusek: Hallo Ursula.

Tom, vor Kurzem ist das Wacken Festival für 2021 abgesagt worden. Zu riskant scheint dem Veranstalter das Risiko. Hast du damit gerechnet?

Tom Wyssusek: Ganz ehrlich ja. Aber ich finde es ehrlich gesagt auch nicht so traurig, weil mir das Wacken-Festival in den letzten Jahren eigentlich eher unsympathisch geworden ist. Da fahren mir mittlerweile viel zu viele Leute hin. Es ist viel zu teuer, viel zu kommerziell geworden. Als ich das erste Mal 2007 da war, da war es halt noch nicht so sehr kommerziell. Und das war viel schöner.

Du hast ja vor der Pandemie Wacken mit einem BUDDIE-Partner besucht oder BUDDIE-Assistenten. Was hat es damit auf sich?

Tom Wyssusek: Na ja, dieser BUDDIE-Assistent, der ist von einer Institution, die heißt „Inklusion Muss Laut Sein“. Und die begleiten ehrenamtlich also Rollstuhlfahrer oder andere Leute, die am Rollator gehen können beispielsweise, die auf Hilfe angewiesen sind, zu Konzerten oder Festivals, also für umsonst, ehrenamtlich eben. Also die Voraussetzung dafür ist, dass man diesen Verein nutzen kann, ist, dass man ein B in seinem Schwerbehindertenausweis hat.

Dann kannst du eine Begleitperson umsonst mitnehmen?

Tom Wyssusek: Korrekt, genau.

Und ein BUDDIE kommt dann umsonst an das Ticket. Und kümmert sich aber während des Festivals oder Konzerts um Dich und begleitet dich?

Tom Wyssusek: Richtig. Und das Schöne an der ganzen Sache ist auch, wenn man das vorher mit dem Ron Paustian, das ist der Gründer dieses Vereins, abspricht, dann stellt der einem einen BUDDIE zur Verfügung, der auch mit seinem eigenen PKW dahinfahren würde, sodass man total stressfrei dahin kommt.

Eben hattest du bei Wacken gesagt, das sind dir zu viele Menschen geworden. Wie sieht es denn jetzt so aus, würdest du das jetzt wieder machen oder sind so generell jetzt Festivals und viele Menschen, durch diese ganzen Kontaktbeschränkungen, die jetzt ja erst mal hinter uns liegen, fremd geworden?

Tom Wyssusek: Ich glaube, Festivals finden ja derzeit nicht statt. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, seitdem, also ich sitze jetzt seit 2017 im Rollstuhl, ich war zweimal in Wacken und zweimal auf dem M’era Luna: in Hildesheim und zweimal auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Und ich finde einfach, als Rollstuhlfahrer macht das nicht so sehr viel Spaß, wie als Läufer. Deswegen, also ich fahre schon noch zu Festivals, aber es ist halt nicht mehr so der Hit, wie es früher einmal war.

Du hattest ja vor knapp einem Jahr in der WIR, in einer Ausgabe der WIR über Onlinekonzerte geschrieben. Und da hielt sich so Zustimmung und Ärger so ein bisschen die Waage. Wie schaut deine Bilanz jetzt ein Jahr später aus?

Tom Wyssusek: Es ist eigentlich, vertritt immer noch denselben Standpunkt, wie damals. Es ist schon, dass es halt diese Onlinekonzerte gibt. Heißt, ich war letztens auf einem Korn- Konzert in L.A. Wenn das nicht online gestreamt werden kann, dann hätte ich da niemals für ein Konzert einfach mal so hinfliegen können. Von daher finde ich es schon ganz cool, dass es so was gibt, auch wenn das richtige Konzerte nicht ersetzt.

Vor einigen Jahren hattest du einen Schlaganfall gehabt. Und du bist unter anderem auch, hattest du eine Reha-Maßnahme gemacht in dem P.A.N. Zentrum der Fürst Donnersmarck-Stiftung, das P.A.N. steht für postakute Neurorehabilitation. Jetzt ging es auch darum, mit deinem Schlaganfall möglichst selbstständig nach diesen Reha-Maßnahmen leben zu können. Diese Erfahrung, dieser Lebenseinschnitt hast du auch in einem Tattoo verarbeitet? Du hast dir danach ein Tattoo stechen lassen. Und das glaube ich auch, so wie ich das verstanden habe, auch im Laufe jetzt der letzten Monate noch weiter ausgebaut. Es ist jetzt farbig geworden. Das kann man jetzt leider per Audio nicht so zeigen. Warum Tattoos?

Tom Wyssusek: Dieses Tattoo von dem brüllenden Löwen, den ich auf meinem Unterarm tätowieren lassen habe symbolisiert halt einfach den Mittelfinger, den ich gegenüber meinem Schicksal zeige. Ich war schon einmal davor, kurz davor, dem Tod von der Schippe zu springen. Und das Tattoo steht einfach dafür, dass ich ein Motherfucking-Kämpferherz bin und meinem Leben nicht so einfach ein Ende zu setzen ist. Also ich bin nicht so leicht oder man kriegt mich nicht so schnell unter die Erde. Ich kämpfe halt schon. Ich habe ein schweres Schicksal, aber mein Gott, es gibt zig andere Leute, denen geht es noch wahnsinnig viel schlimmer als mir. Ich habe, ja, mich hat es schlimm getroffen, aber ich muss einfach durch. Das ist mein Leben. Und den Kopf in den Sand zu schieben und nur zu Hause sitzen, in meinen vier Wänden und nur warten, dass mein Leben vorbei geht, das ist mir jetzt zu schade. Da habe ich keine Lust drauf.

Du bist 32, wenn ich das verraten darf?

Tom Wyssusek: Ja, ja, genau.

Und vor deinem Schlaganfall warst du Physiotherapeut, Masseur, irgendwas in der Richtung?

Tom Wyssusek: Masseur, richtig. Dabei muss man auch sagen, also ich massiere eigentlich immer wieder so die Leute. Heißt, meine Mutter massiere ich mal, meine Oma, meinen besten Freund. In der Regel gibt es halt immer wieder Leute, bei denen ich das anwende.

 Das heißt, du hast den Blick für Verspannungen, du siehst, wenn jemand verkrampft sitzt?

Tom Wyssusek: Ja. Und das auch, also ich kann das wirklich sehen. Aber oft ist es auch so: „Tom, kannst du mich mal massieren?“

 Kannst du schon nicht mehr hören?

Tom Wyssusek: Na ja, es geht noch. Ich bin ein Helfertyp, ich helfe gerne Menschen. Und von daher ist das jetzt nicht, also meine Mutter zum Beispiel schneidet mir dafür im Entgegenkommen die Haare.

Momentan ist eine Zeit, wo überall gelockert wird. Und alle wollen sich bewegen, irgendwas Neues machen und auch Pläne, die sie sich vielleicht ausgedacht haben, auch dann vielleicht in die Tat umsetzen. Wie sieht das bei dir aus?

Tom Wyssusek: Ganz ehrlich, ich habe es mega-satt, dass keine Konzerte stattfinden. Es geht mir mega auf den Zeiger so, aber ich finde das zum Kotzen, dass die Politiker schon über die Lockerung nachdenken. Und jetzt gestern und heute im Internet habe ich schon wieder gelesen, dass die Inzidenzwerte schon wieder hochgehen und ehrlich gesagt, mich kotzt das an.

Aber trotzdem kann man ja nicht 20 Jahre warten, bis man versucht, Pläne in die Realität umzusetzen. Also ich weiß aus dem Vorgespräch, dass du dich jetzt momentan für einen Praktikumsplatz bewirbst?

Tom Wyssusek: Genau.

Und das ist jetzt vielleicht auch oder auch künftig mehr möglich als in den letzten Monaten, wo wahrscheinlich keine Praktika-Stellen frei waren aus Pandemie-Maßnahmen. Was sind denn das so für Bereiche?

Tom Wyssusek: Also ich hatte mich als Tierpfleger im Zoo beziehungsweise am Tierpark beworben, aber die nehmen halt derzeit nichts wegen der Pandemie, ja. Dann hatte ich als Tier-Physiotherapeut beziehungsweise als Tierheilpraktiker es versucht. Aber da habe ich dann auch überall angerufen. Und sie haben dann gemeint: „Nein, wir können Sie leider nicht nehmen, weil der Beruf zu gefährlich ist.“ Da kann ich auch nachvollziehen, das ist aber mega-schade, dass mir deswegen wieder Steine in den Weg gelegt werden. Halt so war es da eigentlich mit allem, was ich so ausprobieren wollte. Aber das Coole ist, letzte Woche meinte meine Physiotherapeutin zu mir, dass eine Freundin von ihr eine Tierarztpraxis hat. Und daraufhin habe ich mich in der Tierarztpraxis beworben.

Dann drücken wir dir die Daumen, dass das dann klappt.

Tom Wyssusek: Danke.

Also so die Mischung aus Tieren und deinem alten Beruf mit dem Therapeutischen. Vielen Dank, Tom.

Tom Wyssusek: Tschüss.

Auch in der nächsten und letzten Folge vor der Sommerpause habe ich einen musikbegeisterten WIR-Redakteur zu Gast. Extra für WIRSprechen ist er in ein Tonstudio gefahren. Seien Sie gespannt und freuen Sie sich auf die nächste Folge von WIRSprechen. Tschüss, bis in zwei Wochen.