Nachgefragt: Exklusion durch Digitalisierung?
„Deine Stimme für Inklusion – mach mit!“ lautet das Motto des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Jahr 2021. Wir haben deshalb die Stimmen von Klientinnen und Klienten sowie Gästen der Fürst Donnersmarck-Stiftung gesammelt, die ihre Stimme für Inklusion erheben und Fragen an die Politik stellen wollten. Diese Fragen zu unterschiedlichen Themen im Bereich Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe haben wir an die behindertenpolitischen Sprecher der großen demokratischen Parteien weitergeleitet und einige haben geantwortet. In diesem Artikel geht es um „Exklusion durch Digitalisierung“, beziehungsweise die Angst, dass man ohne Smartphone und Internet Teilhabemöglichkeiten verliert.
Exklusion durch Digitalisierung? Analoge Teilhabe nicht vergessen!
Die Frage: „Es gibt immer mehr digitale Angebote (Corona-Warn-App, Termin-Shopping, …). Welche Möglichkeiten gibt es, Menschen ohne Smartphone oder Internet die gleiche Teilhabe zu ermöglichen?“
Antworten aus dem Bundestag
Aus dem Bundestag haben auf diese Frage geantwortet: Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen), Jens Beeck (FDP), Sören Pellmann (Die Linke)
Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen): „Digitale Angebote können eine gute Unterstützung sein und Prozesse vereinfachen. Aber es ist auch wichtig, dass Menschen ohne Smartphone oder Internet nicht ausgeschlossen werden. Deshalb ist es wichtig, dass es auch Alternativen dazu gibt, zum Beispiel Terminvereinbarungen über das Telefon.“
Jens Beeck (FDP): „Die Digitalisierung bringt viele Vorteile in der Krise mit sich. Klar ist für mich aber auch, dass wir Menschen, die kein Smartphone oder keinen Internetzugang haben, nicht vom gesellschaftlichen Leben ausschließen dürfen. Es ist deshalb wichtig, dass wir diejenigen bestmöglich vor dem Virus schützen, die besonders durch eine Erkrankung gefährdet sind. Hierzu haben wir Freie Demokraten bereits frühzeitig die flächendeckende Bereitstellung von FFP2-Masken gefordert. Wichtig ist außerdem, dass Menschen mit Behinderungen schnellstmöglich die Chance bekommen, sich impfen zu lassen.“
Sören Pellmann (Die Linke): „Die fortschreitende Digitalisierung wird sich nicht aufhalten lassen. DIE LINKE fordert dennoch, dass stets mitgedacht werden muss, dass nicht alle Menschen digitale Endgeräte nutzen. Beispielsweise sollte es für Termin-Shopping telefonische Anmeldemöglichkeiten geben sowie in Restaurants auch analoge Möglichkeiten zur Personennachverfolgung vorhanden sein. Niemand darf durch ausschließlich digitale Angebote als Zugangsschwelle vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.“
Antworten aus dem Abgeordnetenhaus von Berlin
Aus dem Abgeordnetenhaus von Berlin haben auf diese Frage geantwortet: Lars Düsterhöft (SPD), Thomas Seerig (FDP), Stefanie Fuchs (Die Linke).
Lars Düsterhöft (SPD): „Es ist möglich, Termin-Shopping telefonisch zu vereinbaren. Auch sind alle Informationen oder Terminvereinbarungen telefonisch nutzbar. Aber ja, viele Maßnahmen und auch Lockerungen sind nur mit Hilfe digitaler Lösungen machbar gewesen. Eine Alternative sehe ich hierzu kaum. Vielmehr muss es uns gelingen, den Menschen ohne Internet beratend und helfend zur Seite zu stehen.“
Thomas Seerig (FDP): „Die Digitalisierung bietet viele Chancen auf mehr Teilhabe, gerade für Menschen mit Handicap. Dies gilt es konsequent zu nutzen und zum Standard zu machen. Die Angebote müssen dabei barrierefrei sein. Es muss aber für Menschen, die hier nicht teilnehmen können oder wollen, weiterhin die Möglichkeit der Teilhabe geben; ggf mit einer Basisvariante, aber maximal zu Selbstkosten.“
Stefanie Fuchs (Die Linke): „Die Gründe, warum Menschen kein Smartphone/Tablet/Computer oder einen Internetanschluss haben, sind vielfältig. Einerseits, weil es sich Menschen schlichtwegfinanziell nicht leisten können. Dann gibt es Menschen, die es sich nicht zutrauen, in die
digitale Welt einzutauchen. Dafür muss man jeweils Antworten finden. Wenn Menschen sich den Zugang zur digitalen Welt nicht leisten können, dann muss dies aus meiner Sicht Teil der sozialen Sicherung in Deutschland werden. Sprich, über die Grundsicherung bzw. die Leistungen der Eingliederungshilfe. Andererseits stelle ich mir vor, dass z.B. in den
Stadtteilzentren, aber auch in den Wohneinrichtungen Angebote existieren, die Menschen ohne Smartphone/Internet aufsuchen können, um Zugang zur digitalen Welt zu bekommen. Hinzu kommt, dass man den analogen Kontakt zu den Menschen über Briefe, Aushänge etc. nicht ausschließt, nur weil die Digitalisierung voranschreitet.“