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Eine Theaterszene von der Preisverleihung aus dem Jahr 2016.

Moderne Erinnerungskultur: „andersartig gedenken on stage“

Über 75 Jahre sind nun seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sowie der Verbrechen der Nationalsozialisten vergangen und dieses Jahr verstarb die Holocaust-Überlebende Esther Berjano im Alter von 96 Jahren. Die deutsche Erinnerungskultur steht vor einer Herausforderung: Das allmähliche „Verschwinden der Zeitzeugen“ macht es zunehmend schwierig, authentisch, direkt und emotional über den Nationalsozialismus zu erzählen. Das Theaterprojekt „andersartig gedenken on stage“ ist ein tolles Beispiel dafür, wie es trotzdem gelingt, jungen Menschen die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu eröffnen. In diesem Jahr ist er zum 3. Mal ausgeschrieben.

Hintergründe des Wettbewerbs: Erinnerungskultur

„Andersartig gedenken on stage“ ist ein bundesweiter Theaterwettbewerb zum Thema „NS-Euthanasie“ für Kinder- und Jugendtheater sowie inklusive Erwachsenenensembles. Er wird getragen vom Förderkreis Gedenkort-T4 e.V. und unterstützt von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Einrichtungen – darunter auch die Fürst Donnersmarck-Stiftung.

Die sogenannte „Euthanasie“ bedeutete die Ermordung ca. 300 000 Menschen mit einer psychischen, geistigen oder körperlichen Behinderung. Zusätzlich wurden zwischen 350.000 und 400.000 Menschen zwangssterilisiert.

Eine Theaterszene von der Preisverleihung aus dem Jahr 2016.
Quelle: Förderkreis Gedenkort-T4 e.V. / Marko Georgi

Eine Herausforderung für die teilnehmenden Gruppen

Wie kann man mit einem solchen Thema umgehen? Was kann man aus der Beschäftigung mit dieser Geschichte für die Gegenwart lernen? Und wie wollen wir in Zukunft mit Diskriminierung und Ausgrenzung umgehen, auf denen die „NS-Euthanasie“ zum Teil eben auch beruhte? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vergangenen Wettbewerbe gaben auf diese Fragen ganz eigene, kreative und nachdenklich machende Antworten. Sie sei selbst begeistert gewesen von der Professionalität und Qualität der Theatergruppen, erinnert sich Irit Kulzk, die als Vorsitzende des Fördervereins den Wettbewerb organisatorisch begleitet.

Insbesondere die Ensemblemitglieder der Schultheatergruppen setzen sich intensiv mit Prozessen der Ausgrenzung, Diskriminierung und den eigenen Vorurteilen auseinander – und sammeln so wertvolle Erfahrungen für ihr späteres Leben. Das Medium Theater eignet sich dafür besonders gut, weil es vor allem durch seine Unmittelbarkeit wirkt und eine direkte Beziehung zwischen Schauspielerinnen und Schauspielern sowie Publikum aufbaut.

Die ersten drei Preisträgerinnen und Preisträger werden am Ende des Wettbewerbs nach Berlin eingeladen und können dort ihr Stück nochmal auf einer großen Bühne aufführen. Auch das ist eine besondere Erfahrung, an die man sich später gerne zurückerinnern wird.

Die Ausschreibungsphase läuft

Wie viele andere Projekte wurde natürlich auch „andersartig gedenken on stage“ durch Corona ausgebremst. „Eigentlich wollten wir den Wettbewerb im Jahr 2020 schon starten“, erklärt Irit Kulzk. „Da jedoch im letzten Jahr an das Einstudieren von Theaterstücken nicht zu denken war, mussten wir ein Jahr aussetzen.“ Inzwischen ist der Wettbewerb jedoch offiziell gestartet. Stücke können bis zum 1. Juni 2022 eingereicht werden. Eine Anmeldung zur Teilnahme wird bis zum 15. Dezember erbeten. Aufgrund der aktuellen Pandemiesituation ist auch die Einreichung von hybriden Inszenierungen möglich. Die Preisverleihung findet dann im Jahr 2022 statt.

Eine Theaterszene von der Preisverleihung aus dem Jahr 2016.
Quelle: Förderkreis Gedenkort-T4 e.V. / Marko Georgi

Wer nun Lust bekommen hat, sich im Rahmen eines tollen Wettbewerbs einem schweren Themas anzunähern, sollte die Webseite www.andersartig-gedenken.de ansteuern. Allen Theatergruppen ist die Teilnahme wärmstens empfohlen: „Andersartig gedenken on stage“ behandelt nicht nur ein weiterhin hochrelevantes Thema der deutschen Geschichte, das auch nach 75 Jahren aktuell und relevant ist. Der Wettbewerb eröffnet auch die Chance, einen individuellen und künstlerischen Zugang zur Erinnerung an die „NS-Euthanasie“ zu finden und damit eine Antwort auf die Frage nach dem „Verschwinden der Zeitzeugen“ zu geben – und damit einen wichtigen Beitrag zu unserer heutigen Erinnerungskultur leisten.

Übrigens: Die Fürst Donnersmarck-Stiftung hat 2020 in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung eine Podiumsdiskussion zum Thema „Menschen mit Behinderung im Nationalsozialismus – warum wir eine aktive Erinnerungskultur brauchen“ veranstaltet. Den Nachbericht findet ihr hier.

Quelle Titelbild: Förderkreis Gedenkort-T4 e.V. / Marko Georgi