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Eine Frau, links, und ein Mann, rechts, im Rollstuhl betrachten Bilder der Ausstellung.

Menschen mit Querschnittlähmung: Ausstellung in der Villa Donnersmarck

Bis Ende März hatte die Villa Donnersmarck die Foto-Ausstellung „Menschen mit Querschnittlähmung – Lebenswege und Lebenswelten“ zu Gast. Dabei handelt es sich um eine wirklich gelungenes Ausstellungsprojekt mit aussagekräftigen Fotografien, die dank besonders ausführlicher Audiodeskriptionen barrierefrei sind. Wir haben mit den beiden Initiatoren Prof. Dr. Jessica Lilli Köpcke und Arne Schöning über die Ausstellung sowie zukünftige Projekte gesprochen.

Para-Normal-Lifestyle – Wie es zu dem Projekt kam

Die Ausstellung und das dazugehörige Buch „Menschen mit Querschnittlähmung – Lebenswege und Lebenswelten“ gehören zum Projekt Para-Normal-Lifestyle, das von Köpcke und Schöning initiiert wurde und eine andere Sicht auf das Thema Behinderung bieten soll. Betroffene werden hier zu Experten in eigener Sache und liefern ihren Blick auf ihre ganz persönlichen „Lebenswelten“. Ausgangspunkt für das Projekt war der Ansatz der partizipativen Forschung, erklärt Köpcke:

„Ich forsche schon sehr lange im Bereich Menschen mit Querschnittlähmung. Für mich ist das Projekt partizipative Forschung, also Menschen mit Beeinträchtigung in die Forschung mit einzubeziehen. Das ist für mich als Wissenschaftlerin ein ganz, ganz zentrales Anliegen. Ich habe lange überlegt, wie man ein partizipatives Sozialforschungsprojekt gut verpacken und transportieren kann. Da eignet sich der methodische Zugang des Storytellings sehr gut. So können Menschen ihre eigenen Geschichten schreiben, in ihrer eigenen Tonalität und können sich die Bereichen aussuchen, die für sie wichtig sind. Und weil nicht jeder schreiben möchte, der Ansatz der Visualisierung über Bilder.“

Arne Schöning vorne, im Rollstuhl, hinter ihm stehend Prof. Dr. Jessica Lilli Köpcke - im Hintergrund ist die Ausstellung zu sehen.
Arne Schöning und Prof. Dr. Jessica Lilli Köpcke in der Villa Donnersmarck.

Fotograf auf Augenhöhe

Mit Arne Schöning habe sie den perfekten Partner für dieses Projekt gefunden. Nicht zuletzt, weil er durch seine Querschnittlähmung einen „ganz besonderen Blick“ bei der Umsetzung von Fotoideen habe und die Modelle auf Augenhöhe fotografieren könne. Das bestätigt Schöning auf die Frage hin, ob er vielleicht einen besseren Zugang zu seinen Modellen findet:

„Ja, ich habe schon manchmal das Gefühl, dass die Offenheit größer ist. Aber das ist reine Gefühlssache. Ich glaube, wenn wir gemeinsam auftreten, hat jeder seine Stärken und seine Inhalte, die er einbringt und das ist die Qualität, die wir haben. Der eine ist mir gegenüber offener, der andere gegenüber Jessica. Dem einen Beteiligten war das Wissenschaftliche wichtiger, dem anderen war die Partizipation und die Zusammenarbeit mit mir wichtiger. So konnten wir die unterschiedlichen Zielgruppen ansprechen und hatten auch für jeden den richtigen Ansprechpartner. Und ich hätte am Anfang des Projektes nie gedacht, dass die Menschen derart offen sind und uns so viel an ihrem Leben teilhaben lassen, weil ich denke, da ist uns schon, wenn man das Buch liest oder auch das eine oder andere Bild sieht, sehr viel Vertrauen entgegengebracht worden.“

Hinter jedem Bild steckt eine Entstehungsgeschichte

Die Bilder des Projektes erzählen uns allesamt eine Geschichte, aber die Entstehung jedes Bildes sei auch eine Geschichte für sich, erklärt Schöning:

„Jedes Bild hat eine Geschichte, weil man sich lange mit dem Modell und mit seiner Geschichte auseinandersetzt. Auch das Foto mit Kirsten Bruhn auf der barrierefreien Toilette, wo wir dann recherchiert haben, wo gibt es solche Toiletten in der Realität. Und wenn jemand so eine Toilette hat, lässt der uns dann auch in sein Restaurant rein, um das Foto zu machen? Oder mit Steven, als wir dann da im Park die Fotos gemacht haben mit seinem Kind auf seinem Schoß. Und man da auch die Blicke des Umfeldes beobachten konnte: Eine Kamera erzeugt ja Aufmerksamkeit und dann fährt da ein Vater mit Kind auf dem Schoß durch die Gegend und der Fotograf sitzt auch noch im Rollstuhl! Da hat man schon gemerkt, dass wir da Aufmerksamkeit erzeugt haben. Und so hat so jedes Bild irgendwo eine ganz eigene Geschichte.“

Fotos von der Vernissage zur Ausstellung Menschen mit Querschnittlähmung

Die Zukunft des Projektes „Menschen mit Querschnittlähmung“

Es geht definitiv weiter. Dieses und nächstes Jahr finden noch weitere Ausstellungen in Deutschland statt. „Ein Ziel wird auch sein, die Ausstellung noch stärker aus dem Kreis der Menschen mit Beeinträchtigung rauszuholen, also wirklich auch in den öffentlichen Raum zu bringen“, verrät Köpcke. Rein in die Köpfe der Allgemeinheit. Außerdem sind schon weitere partizipative Forschungsprojekte, beispielsweise im Bereich Peer-Beratung oder der Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in die Hochschullehre. Und dabei werden sicher auch noch viele Fotos und Geschichten entstehen. Wir würden uns freuen, die beiden mit einem neuen Projekt wieder zu begrüßen!