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Ein historisches Schwarz-Weiß-Bild: Lieselotte Berger stehend an einem Tisch mit vielen anderen behinderten und nicht-behinderten Personen.

„Hast Du mit Behörden Ärger, wende Dich an Lilo Berger.“

Die Mitglieder des Kuratoriums der Fürst Donnersmarck-Stiftung (FDST) sind Personen, die sich besondere Verdienste in einem Bereich erworben haben, deren Zweck die Stiftung dient. Blickt man in die Geschichte der FDST, waren stets mehr Männer im Kuratorium vertreten als Frauen. Dennoch spielten diese immer eine wichtige Rolle. Deswegen ist es höchste Zeit im Rahmen unseres Archivstück des Monats zu recherchieren und eine von ihnen hier zu porträtieren: die Politikerin Lieselotte Berger.

Lieselotte Berger: Die Mutter der Nation

Lieselotte Berger wurde am 13. November 1920 in Berlin geboren, machte dort ihr Abitur und arbeitete zunächst als Büroangestellte. Bereits früh war Berger politisch interessiert: mit 18 Jahren trat sie der NSDAP bei. Ob sie Funktionen in der Partei erfüllte und wenn ja welche, liegt im Dunkeln. 1948 trat sie jedoch als Mitbegründerin der Freien Universität in Erscheinung. Im gleichen Jahr begann sie Soziologie, Philosophie und Publizistik zu studieren. Nach dem Krieg arbeitete sie zunächst als Referentin beim Regierenden Bürgermeister Berlins. Anfang der 1960er Jahre wurde sie Beauftragte für soziale Arbeit im Landesvorstand der CDU. 1972 trat sie als Abgeordnete dem Deutschen Bundestages bei und war bis 1987 Vorsitzende des Petitionsausschusses. Das brachte ihr den Beinamen „Mutter der Nation“ ein. Ein von Lieselotte Berger in diesem Zusammenhang selbst gedichtetes Bonmot lautete:

„Hast Du mit Behörden Ärger, wende Dich an Lilo Berger.“

Besonders wichtig waren für Berger stets die Begegnungen mit Menschen mit Behinderung. Sie hielt Kontakte zu Behinderten-Gruppen sowie Vereinigungen in West-Berlin und Westdeutschland. Darüber hinaus setzte sie sich als Vorsitzende des Petitionsausschusses mit Fragen der Eingliederungshilfe und Rehabilitation auseinander.

Der Beschluss, Berger in das Kuratorium der FDST zu berufen, fiel auf der Kuratoriumssitzung vom 14. November 1980. Die Wahl, die im Umlaufverfahren schriftlich erfolgte, zog sich aber noch bis zum 11. März 1981 hin. Erst dann lagen dem damaligen Geschäftsführer Ekkehard Reichel die Stimmen aller Kuratoriumsmitglieder unterschrieben vor. Kurz darauf, am 15. Mai 1981, nahm Berger erstmals an einer Kuratoriumssitzung der FDST teil.

Heimkritik und Sparmaßnahmen

Die folgenden sieben Jahren ihrer Mitgliedschaft im Kuratorium standen im Zeichen struktureller Veränderungen im Heimbereich und Einsparungen im Sozialsystem. Anfang der 1980er Jahre verstärkte sich die – als Heimkritik bekannte – Auseinandersetzung mit den stationären Wohnformen für Menschen mit Behinderung. In deren Folge erfolgte der schrittweise Aufbau ambulanter Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit Behinderung. Im September 1981 eröffnete die FDST beispielsweise eine Wohngruppe in der Berliner Straße 18. Dort konnten Jugendliche mit Behinderung das selbstständig Leben trainieren. Wenig später folgten weitere über Berlin verteilte Wohngemeinschaften, Außenwohngruppen, ein Kleinstheim und Probewohnungen.

Neben den inhaltlichen Weiterentwicklungen standen die 1980er Jahre aber auch im Zeichen finanzieller Einsparungen auf Seiten der Sozialpolitik. Im Dezember 1981 beschloss beispielsweise der Berliner Senator für Gesundheit, Soziales und Familie, die Kosten für Erholungsreisen von Berlinerinnen und Berlinern mit Behinderung nicht mehr zu übernehmen. Unvermittelt brach eine der Haupteinnahmequellen des Gästehaues in Bad Bevensen weg und das Hotel musste sich fortan auf Selbstzahler einrichten. Statt auf Einsparungen, setzte die FDST auf Investitionen und baute das Heidehotel Anfang der 1980er Jahre um.

Doch auch bei der Kostenübernahme für die Unterbringung von Menschen mit Behinderungen kam es Anfang der 1980er Jahren durch zu Einsparungen. Der Grund dafür waren Änderungen am Bundessozialhilfegesetz. Ekkehard Reichel sah sich damals gezwungen, Lieselotte Berger in ihrer Funktion als Vorsitzende des Petitionsausschusses der Bundesregierung anzurufen. In einem ausführlichen Schreiben vom 26. Januar 1984 antwortet sie ihm. Sie bat jedoch um Verständnis dafür, dass „wegen der starken Belastung der öffentlichen Haushalte nicht völlig auf Sparmaßnahmen im Bereich der stationären Versorgung von Hilfebedürftigen verzichtet werden konnte.“ Im Falle der Kürzungen im Bundessozialhilfegesetz waren dementsprechend auch ihr die Hände gebunden.

Lieselotte Berger und das Streben nach einer humanen Gesellschaft

Doch nicht nur in politischen Dingen nahm Lieselotte Berger Anteil am Stiftungsalltag. Auch der persönliche Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war ihr wichtig. Als Schwerster Käthe, die ‚gute Seele‘ des Fürst Donnersmarck-Hauses, 1981 in Pension ging, schenkte Berger ihr ein Buch über den Deutschen Bundestag mit Widmung. Darin hob sie hervor, dass Schwester Käthe „in einer an Vorbildern armen Zeit zum Vorbild geworden ist für alle, die nach einer humanen Gesellschaft streben.“ Für diese humanere Gesellschaft setzte sich Lieselotte Berger mit unermüdlichem Fleiß ein. 1983, Zehn Jahre nachdem sie zur Leiterin des Petitionsausschusses berufen worden war, hatte sie mehr als 125.000 Eingaben bearbeitet.

Daneben muss Berger ein ungewöhnlich starkes Durchsetzungsvermögen gegenüber ihren männlichen Kollegen gehabt haben. Nicht nur im Kuratorium der FDST, auch in der Politik stand sie als Frau immer einer Überzahl an Männern gegenüber. Als sie 1987 unter Helmut Kohl zur parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundeskanzler und Bevollmächtigte der Bundesregierung in Berlin berufen wurde, war sie eine von nur drei Frauen der damals berufenen Staatssekretäre. Lange konnte Berger dieses höchste Amt ihrer politischen Karriere aber nicht mehr ausführen. Im September 1989 verstarb sie an den Folgen einer Hüftoperation. Aus dem Kuratorium der Stiftung hatte sie sich schon im Jahr zuvor zurückgezogen.

Sie bleibt jedoch ein bedeutsames Kuratoriumsmitglied und zeigt eindrücklich, wie postiv eine möglichst diverse Besetzung dieses Gremiums sein kann.

Zum Titelbild

Bonn, 26. April 1989 Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeskanzler und Bevollmächtigte der Bundesregierung in Berlin, Lieselotte Berger (Mitte), empfing im Bundeskanzleramt 15 Berliner Behinderte. Seit 15 Jahren werden Berliner Behinderte, unter ihnen Rollstuhlfahrer, Blinde, Gehörlose und andere Schwerbehinderte mit ihren Betreuungspersonen von Berliner Abgeordneten nach Bonn eingeladen.

Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F081286-0005 / Arne Schambeck / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link