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Ein deutscher Reisepass und ein Impfpass liegen auf einem Haufen OP-Masken.

Hoffnungsträger Corona-Impfung: Wann ist Reisen wieder möglich?

Wie nah liegen der Startschuss der Impfung und Reisen ohne Bedenken beieinander? Unser Gastautor Timo Hermann blickt auf die Impfstrategie und stellt sich dabei die Frage, ob die Impfung der Schlüssel für Reisen wird und ob sich das Reiseverhalten durch die Pandemie nachhaltig verändert.

Endlich: Der Start der Impfungen in Deutschland

Kurz vor  dem Jahreswechsel begann auch Deutschland damit, die endlich zugelassenen Impfstoffe zu verabreichen. Nach einem holprigen Start sind alle Hoffnungen darauf gesetzt, bald eine Herdenimmunität gegen das Corona-Virus zu erreichen. Doch wie realistisch ist das eigentlich – und bedeutet die Impfung, dass Reisen bald wieder möglich werden? 

Bislang sind noch viele entscheidende Faktoren zur Einschätzung der Lage ungeklärt. Dass das nicht nur die Bürger betrifft, sondern auch die Politik, zeigt sich vor allem an den vielen Maßnahmen, die schrittweise eingeführt und wieder zurückgenommen werden. Vielfach werden diese zudem als zu zaghaft und zu langsam kritisiert. Und auch die Impfmaßnahmen begannen mehr als holprig: Meldungen über fehlende Lieferungen, falsche Kühlung, falsch verabreichte Impfungen bis hin zu Vetternwirtschaft dominieren das Bild. Aufgrund fehlender Daten ist dazu noch ungeklärt, wie die Langzeitwirkung aussehen wird. Die gesamte Welt ist verunsichert. Wir alle sehnen uns zurück nach dem normalen Leben. Wir sind pandemiemüde. 

Gestern musste ich ausbrechen aus dem Eingesperrtsein. Mit meiner kleinen Patentochter habe ich mir eine abgelegene Stelle außerhalb Berlins gesucht, habe sie in dicke Klamotten gepackt, Tee gekocht und Stullen geschmiert, den Schlitten in den Kofferraum geworfen und bin mit ihr einfach losgefahren. Raus in den Wald, in den tiefen Schnee, in die Abgeschiedenheit. Wir haben Schneeballschlachten gemacht, Marshmallows über dem Brenner geröstet, dem Schneefall und Vogelgezwitscher gelauscht und die Zeit genossen. Diese Minireise über knapp 70 Kilometer war Balsam für unsere beiden Seelen, sowohl für die Kleine, die ihren achten Geburtstag nicht feiern konnte und so gerne endlich wieder mit uns zu Karls Erdbeerhof fahren würde, als auch für mich. Adina, die beste und verständnisvollste Gattin, die man sich wünschen kann, blieb währenddessen allein im Homeoffice. Denn tiefer Schnee ist für den Rollstuhl eher suboptimal und die Kälte ist für Muskelkranke ohnehin unerträglich.

Ein schneebedeckter Waldweg.
Ab in den Schnee. Die Wetterlage im Februar 2021 hat zumindest kurze Ausflüge in der Umgebung attraktiv gemacht. (Foto: privat)

Ehrlich gesagt, habe ich erst danach nachgelesen, ob diese kleine Abenteuerreise so eigentlich zulässig war. Die gute Nachricht: War sie, sowohl nach Berliner als auch nach Brandenburgischen Landesverordnungen. Die schlechte Nachricht ist, dass wir alle von den ständig wechselnden, teils widersprüchlichen und nicht immer nachvollziehbaren Einschränkungen genug haben. Ich habe volles Verständnis für den Lockdown. Schließlich habe ich als ehemaliger Rettungsassistent auch eine medizinische Ausbildung, war Einsatzleiter im Katastrophenschutz und verstehe die Maßnahmen grundsätzlich. Die ständigen Nachjustierungen hingegen sind für mich schwer nachzuvollziehen. Fehler zu erkennen und zu korrigieren ist eine Sache, das ist eine wichtige Grundlage. Dass sich aber ein „Lockdown light“ zu einem monatelangen Lockdown entwickeln und sich schließlich alle zwei Wochen die Vorschriften ändern, dürfte die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mehr zermürben und frustrieren als ein einmaliger konsequenter Lockdown.

Wann werden wir eigentlich geimpft?

Wir sehnen uns nach dem Ende der Pandemie, nach Herdenimmunität, Reisen und einem normalen Leben. Experten sind sich weitgehend einig, dass wir dafür die Impfung benötigen. Doch genau dieser Hoffnungsträger scheint für uns weit entfernt. Denn in ihrem Stufenplan, den die Bundesregierung für die Impfreihenfolge festgelegt hat, sind Menschen mit Behinderungen außerhalb stationärer Pflegeeinrichtungen gar nicht vorgesehen. Adina hat noch nicht einmal eine Erkrankung, die sie auf die Liste besonders gefährdeter Menschen bringen würde – obwohl ihre behandelnden Ärzte das ganz anders sehen. Wir gehören zu einer scheinbar unsichtbaren vulnerablen Gruppe, die wie so oft für sich selbst kämpfen muss. Zwar können wir auf eine Einzelfallentscheidung hoffen. Aber es mangelt bei diesem Vorgehen deutlich an Transparenz.

In den meisten Arztpraxen klingeln die Telefone schon seit Monaten Sturm. Kein Mensch kann die Zahl der Anrufe mehr beantworten. In Berlin ist es nicht einmal möglich, eine Auskunft zu bekommen, wie man sich bei der Impfung priorisieren lassen kann. Ein Journalist hat es versucht und wurde von einer Stelle zur nächsten geschickt, bis er ergebnislos aufgegeben hat. Das Gesundheitsministerium hält regelmäßig in sozialen Netzwerken Informationsrunden ab, die sich aber im wesentlichen darauf beschränken zu betonen, dass man alles im Griff habe. Was wir vermissen, ist eine schonungslos ehrliche Kommunikation, ohne die ein echtes Vertrauen in die Regierung und ihre Maßnahmen schwerfällt.

Aber was passiert eigentlich, wenn wir dann endlich geimpft sind? Was verändert sich? Der Ethikrat hat sich bereits gegen Lockerungen für geimpfte Personen ausgesprochen. Aus nachvollziehbaren Gründen: Bis heute ist nicht sicher, ob Geimpfte wirklich nicht mehr ansteckend sind. Es ist noch nicht einmal sicher, ob der Impfstoff auch dauerhaft wirkt und ob er auch bei Mutationen des Virus greift. Er bietet also erstmal nur eine erhöhte Sicherheit gegen einen schweren Krankheitsverlauf im Falle einer Ansteckung. Und somit ändert sich an der gesamten Situation vorläufig nur wenig. Dass die Impfung dennoch nötig ist, um die vielgepriesene Herdenimmunität zu erzielen, steht außer Frage. Die Eingangsfrage, ob durch die Impfung Reisen denn bald wieder möglich sein wird, kann man daher nur mit einem klaren “Jein” beantworten.

Ist die Impfung für Reisen der Schlüssel?

Erste Reiseveranstalter und Fluggesellschaften haben jetzt schon angekündigt, dass sie künftig nur noch geimpfte Kunden akzeptieren werden. Rechtlich dürfte das haltbar sein, denn die Unternehmen müssen einerseits die Sicherheit aller Gäste bzw. Passagiere gewährleisten. Außerdem haben die jeweiliger Betreiber auch ein Hausrecht. Aber das ist eine Diskussion, die ohnehin wohl deutlich verfrüht gestartet wurde. Das Virus interessiert sich nicht für Ländergrenzen, wir leben in einer Pandemie.

Das macht Fernreisen in allzu naher Zukunft sehr unwahrscheinlich oder erschwert sie zumindest deutlich: die meisten bei Deutschen bislang beliebten Fernreiseziele (Thailand, Indonesien, die Malediven, Kanada, die USA, Namibia, Tansania etc.) ordnen entweder eine pauschale Quarantäne auf eigene Kosten von bis zu 14 Tagen an oder verlangen einen aktuellen PCR-Test. Einige davon haben auch generelle Einreiseverbote angeordnet. Hinzu kommt, dass es um das Gesundheitswesen in vielen dieser Länder nicht gerade rosig bestellt ist. Bei aller berechtigten Kritik und allen Schwächen – inklusive des massiven Abbaus und der Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte – verfügt Deutschland bis heute über eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Und mit einer Covid-19-Infektion würde ich mich schon aus persönlichen Gründen in einer Klinik in meiner Heimat wohler fühlen als in fremden Ländern. 

Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft

Die Erfahrungen im vergangenen Sommer haben gezeigt, dass sich das Reiseverhalten der Deutschen ohnehin schon verändert hat: die meisten Reisenden, die sich aufgemacht haben, sind im eigenen Land geblieben. Gerade die deutschen Nord- und Ostseeküsten waren teilweise heillos überlaufen. Kilometerlange Staus vor Parkplätzen an Badestellen waren keine Seltenheit. Im Winter hingegen, gerade um den Jahreswechsel, gab es einen regelrechten Ansturm auf den Harz, um dort Ski zu fahren oder zu rodeln.

Solche Herdenveranstaltungen sind zwar nun sicher kontraproduktiv, wenn man eine Pandemie mit einem mutierenden Virus eindämmen möchte. Sie zeigen aber andererseits einen Trend, der sich vermutlich auch nach den Impfung für Reisen wieder anbahnen wird: Auslandstourismus wird sicherlich noch eine ganze Weile hinten anstehen, und die Tourismuswirtschaft wird abgesehen davon auch ein völlig anderes Gesicht haben als zuvor. Viele kleine Hotels und Gastronomen haben bereits aufgegeben, weil ihnen die Luft ausgegangen ist. Aber nach der Öffnung des innerdeutschen Tourismus könnten dafür möglicherweise neue Gründungen mit neuen Konzepten folgen.

Die meisten Verantwortlichen für den deutschen Tourismus in den jeweiligen Regionen sind sich sicher, dass Deutschland nach der Pandemie einen neuen Reiseboom erleben wird. Erst nach und nach werden auch weiter entfernte Ziele wieder ansteuerbar werden, möglicherweise zuerst im benachbarten Ausland, dann weltweit. Eines dürfte jedoch sicher sein: Es wird noch ein wenig dauern. Aber der viel beklagte Overtourism, das für Umweltressourcen und regionale Kultur mehr als schädliche Übermaß an Tourismus, hat eine spürbare Drosselung erfahren, und das auf Jahre hinweg. Das ist sogar einer der wenigen positiven Aspekte.

Wie bereits in meinem vorigen Artikel beschrieben: Es wird Zeit, sich auch wieder auf die eigene Umgebung zu besinnen. An dem eingangs beschrieben Ort, den ich gestern mit meiner Patentochter besucht habe, bin ich jahrelang nur achtlos auf der Autobahn vorbeigefahren. Nun habe ich eine spannende neue Region entdeckt, die auf meiner Landkarte bislang ein blinder Fleck war. Natürlich können wir es kaum noch erwarten, bis wir wieder verreisen können. Wir freuen uns sehr darauf, endlich unser geliebtes Sizilien besuchen zu können. Aber bis dahin finden wir hierzulande bestimmt noch einigen hübsche Ecken. Wir werden uns mit Sicherheit noch stärker auf Deutschland konzentrieren, denn die kulturelle und landschaftliche Vielfalt unseres Landes wurde viel zu lange völlig unterschätzt.

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Über den Autoren

Timo Hermann und seine Frau Adina betreiben gemeinsam das 2013 gegründete Reiseblog “Mobilista.eu” und schildern dort ihre Erlebnisse von Reisen meist aus Europa, aber auch Übersee-Destinationen wie Curacao und Kanada. Adina ist Rollstuhlfahrerin und Head of Design beim SOZIALHELDEN e.V., Timo freiberuflicher Reiseblogger, Fotograf und Berater. Sie suchen sich ständig neue Ziele und skizzieren auf ihrem Blog die Länder, die sie bereisen, die dortigen Menschen, ihre Kultur und vor allem ihre Kulinarik. Und natürlich gibt es einige Details zur Rollstuhlgerechtigkeit der Ziele.