zur Navigation zum Inhalt
Im Bild sind stapelweise Archivkisten zu sehen.

Eine Frage des Raumes: Das historische Archiv der FDST zieht um

Das ‚Archivstück des Monats‘ hat diesmal einen ganz aktuellen Anlass – nein keine ansteckende Krankheit, sondern ein Umzug. Seit einigen Jahren gerät das historische Archiv der FDST räumlich an seine Belastungsgrenze. Nun ist ein neuer, größerer Raum gefunden, der diese Tage bezogen wird.

Die Vorgeschichte

Seit 1916 existiert die Fürst Donnersmarck-Stiftung. Im Vergleich dazu ist das historische Archiv der FDST aber noch relativ jung. Erst um 1990, zum Anlass der anstehenden 75-Jahr-Feier der Stiftung, begannen die Historiker Thomas Golka und Horst Wieder damit, historisches Aktenmaterial zu sichten und zu verzeichnen. Hintergrund dieser Tätigkeiten war der Wunsch, eine zusammenhängende Geschichte der Stiftung zu schreiben.

Sie sichteten und verzeichneten in den verschiedenen Arbeitsbereichen der Stiftung insgesamt 728 Akten aus der Zeit von der Gründung bis ungefähr ins Jahr 1980. Da die Akten teilweise noch benutzt wurden, verblieben sie aber vor Ort. Damals hätte es auch noch kein Archiv gegeben, an dem sie zentral aufgestellt werden konnten. Im Nachhinein erwies sich dies als ein Problem denn die Bestrebungen um ein historisches Archiv schliefen nach 1991 wieder ein und lagen fast zehn Jahre brach. In dieser Zeit gingen einige der Akten, die Golka und Wieder gefunden hatten, teilweise verloren.

Dennoch blieben bedeutende Bestände erhalten. Unter ihnen ragen beispielsweise die Protokolle nahezu aller Kuratoriumssitzungen sowie Akten zur Gründung der Stiftung im Jahr 1916 heraus. Auch Dokumente über die frühen Aktivitäten der Stiftung, beispielsweise die Reisen der „Donnersmärcker“ in den 1950er Jahren, die Gruppentreffen in der Villa Donnersmarck oder die seit 1954 erscheinende Stiftungszeitschrift WIR, sind vorhanden. An ihnen lässt sich die Entwicklung der FDST verfolgen. Sie sind aber auch ein Spiegel des sich verändernden Selbstverständnisses von Menschen mit Behinderung und des gesellschaftlichen Umgangs mit ihnen.

Vier Personen stehen im alten Archivraum um einen Tisch herum und betrachten alte Akten.
Im Jahr 2019 noch im alten Archiv – vielleicht bald im neuen: ein Workshop mit Archivar Dominik Erdmann (vorne).

Die Entstehung des Stiftungsarchivs

Nach dem Wechsel der Geschäftsführung der FDST im Jahr 1997 kam erneut Bewegung in die Gründung eines Archivs. 2002 beauftragte der noch heute aktive Geschäftsführer Wolfgang Schrödter den Historiker und wissenschaftlichen Dokumentar Michael Hensle mit dem Aufbau eines historischen Archivs. Fortan war es im Souterrain der Villa Donnersmarck untergebracht. Insgesamt standen dem Archiv dort etwa 90 Regalmeter für die Aufbewahrung der historischen Akten zur Verfügung.

Auch konservatorisch sorgte Michael Hensle nun in angemessener Weise für sie. Er entnahm die Akten ihren Ordnern und lagerte sie in speziellen, DIN zertifizierten, alterungsbeständigen Archivkästen. Im Übrigen entwarf Hensle auch die noch heute gültige Archivtektonik, die sich an der Geschichte und am Organigramm der FDST orientiert. Neben vier Altbestandsgruppen umfasst sie elf Neubestandsgruppen. Erst vor kurzem wurde sie um eine zwölfte erweitert. Dieser Bestand umfasst die umfangreiche Sammlung an Fotografien aus der Stiftung.

Das historische Archiv der FDST wächst

Dabei sollte es aber nicht bleiben: Wie jedes aktive Archiv hatte auch das Archiv der FDST in den folgenden Jahren einen steten Zustrom an Akten zu verzeichnen. Im Jahr 2008 übernahm der Historiker Sebastian Weinert die Betreuung des Archivs. Seitdem rückte es immer näher an die Stiftungsverwaltung heran. Neben der Betreuung der historischen Bestände war Weinert auch mit dem ‚Records Management‘, der vorarchivarischen Schriftgutverwaltung der Stiftung betraut. Die Folge war, dass sich einerseits die Abgabe an Akten, insbesondere aus den Bereichen der Geschäftsführung und der Öffentlichkeitsarbeit, verstetigte. Andererseits rückten die verzeichneten Bestände zusehends an das gegenwärtige Geschehen heran, weshalb heute bei der Klärung aktueller Fragen auch mal auf das historische Archiv der FDST zurückgegriffen wird.

Die Überlieferungslage im Archiv ist deswegen insbesondere für die jüngere Vergangenheit besonders dicht. Aus den Akten lässt sich das operative Geschäft der Stiftung detailliert nachvollziehen. Da die FDST sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzt und Angebote für sie gestaltet, sind hier aber auch die Auswirkungen sozialpolitischer Veränderungen auf kommunaler und auf Bundesebene dokumentiert. Und selbst ‚globale‘ Veränderungen wie beispielsweise die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention schlagen sich in den Akten der FDST nieder. Selbstredend befinden sich in den in den Archivkästen auch Dokumente zu kleineren und Ereignissen, die über die alltäglichen Stiftungstätigkeiten wie beispielsweise eine Diskussion zur barrierefreien Gestaltung des Holocaust-Mahnmals Auskunft geben können.

Die Grenzen des Raumes

Bei all den Akten, Flyern, Postern, Broschüren und dergleichen mehr, die über die Jahre hinweg ins historische Archiv der FDST gelangten, verwundert es kaum, dass es räumlich bald an seine Kapazitätsgrenze gelangte. Die Regale wurden voller und voller und spätestens ab 2012 zeichnete sich ab, dass der bisherige Archivraum nicht mehr lange ausreichen würde. Bereits im folgenden Jahr wurde über die Erweiterung des Archivs nachgedacht. Geplant war eine Erweiterung des Archives in einen anderen Teil des Souterrains der Villa Donnersmarck zu verlegen. Dort befindet sich bereits die historische Ausstellung der Stiftung, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläum der Organisation entstand. Doch schnell wurde klar, dass der vorgesehene Raum aus unterschiedlichen Gründen nicht für eine dauerhafte Unterbringung der historischen Bestände geeignet ist.

Die Raumfrage blieb fortan eine der dringendsten Aufgaben des Archivs. Denn der Zustrom an Akten riss nicht ab und die Archivalien mussten zusehends auch in anderen Räumen untergebracht werden. Ein erstes Ausweichquartier fand man im Dachgeschoss der Villa Donnersmarck. Dort stand ein kleiner Raum leer, der schnell befüllt war. Im Keller des Gebäudes, in dem sich die Verwaltung der Stiftung befindet, waren weitere Raumkapazitäten für Kästen mit neu erschlossene Archivalien vorhanden. Zuletzt stapelten sich unbearbeitete und bearbeitete Neuzugänge im Büro des Archivars. Die Suche nach einem neuen Standort musste forciert werden.

Auf der Suche nach einer Lösung

In den vergangenen zwei Jahren untersuchen wir zahlreiche Orte und Varianten, um unserem Archiv eine Perspektive zu geben: Ließen sich noch mehr Akten auf dem Dachboden der Villa Donnersmarck unterbringen? Gab es in anderen Objekten der FDST geeignete Räumlichkeiten? Ist es möglich, den Altbestand in einem angemieteten Lagerraum unterzubringen? Ein Vorhaben nach dem anderen scheiterte: Mal waren es statische Bedenken; mal nicht zu vertretende Kosten; mal Heizstränge oder Abwasserleitungen, die quer durch die begutachteten Räume führten.

Im Sommer 2019 kam dann der Lichtschein. Ein ehemaliger Gewerberaum eines Mietshauses der FDST stand leer und schien der Größe nach geeignet. Doch die Erfahrungen der vergangenen Monate mahnten zur Vorsicht. Im Zentrum der Überlegungen stand die Frage, ob die Decken eine ausreichende Traglast aufweisen würden. Sie war deswegen von Bedeutung, da die befüllten Archivregale ein recht großes Gewicht aufweisen. Im Schnitt lagen in einem der kleineren, 90 cm breiten und ca. zwei Meter hohen Regal, knapp 300 kg an Akten. Allein die vorhandenen Bestände summieren sich somit auf gut neun Tonnen Gesamtgewicht! Die ersten Untersuchungen der Räume stimmten optimistisch. Die Begehung der Keller zeigte dann aber: das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. Beim Wiederaufbau wurden dann Träger unterschiedlichen Typs eingezogen. Die Decke schien aber dennoch ausreichend belastbar – wenn auch einige leichte Modifikationen vorgenommen werden mussten.

Leere Metallregale und weiße Wände - die neuen Archivräumlichkeiten.
Die Regale stehen schon.

Ein Archiv entsteht

Dennoch folgten Wochen des Nachdenkens und Prüfens: Der aufgebrachte Estrich musste überprüft werden, die Tragfähigkeit des Bodens kontrolliert und gegebenenfalls verstärkt werden und vieles mehr. Die Lösung sollte pragmatisch ausfallen: Im Keller wurden zur Unterstützung der Decke Pfeiler eingezogen und einige angegriffene Träger ausgewechselt. Im Archivraum selbst werden die Regale zukünftig auf Träger gestellt, um die Punktlasten der Regale auf den ganzen Boden und die darunterliegende Trägerkonstruktion zu verteilen. Im Januar 2020 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Ende März waren sie abgeschlossen.

Die Raumfrage des Archivs der FDST ist damit fürs Erste gelöst. Auch daher, da in den neuen Räumen noch Luft nach oben ist: Zumindest theoretisch könnten noch höhere Regale in den Räumen Platz finden und damit weitere Archivkästen dort untergebracht werden. Doch wo sind diese eigentlich? Im Moment noch im Keller der Villa Donnersmarck. Ihr Umzug steht noch aus. Er wird in den kommenden Wochen erfolgen.

Ein Blick in den Keller zeigt aber die Ausmaße, die das historische Archiv zwischenzeitlich angenommen hat: Waren es einst 728 Akten, die sich in weniger als 300 Kästen im Keller der Villa Donnersmarck befanden, liegen dort nun weit mehr als 1000 Kästen. Auf elf Paletten aufgestapelt warten Sie nun auf ihren Transport in die neuen Räumlichkeiten. Nicht mitgerechnet sind dabei die Bestände, die auf dem Dachboden der Villa und in den Regalen in anderen Raumen der Stiftung stehen. Aber wie gesagt: Es ist noch Luft nach oben.