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Ein geschminkter Clown mit einer Clown-Handpuppe. Scan eines Schwarzweißfotos.

Das Gästebuch des Fürst Donnersmarck-Hauses

Dieses Mal dreht sich bei unserem Archivstück alles um ein längst vergessenes Medium: Das Gästebuch war vor dem Internet der Ort, an dem man sich dauerhaft verewigen konnte. Heute blicken wir auf das Gästebuch des Fürst Donnersmarck-Hauses und die Geschichten, die dieses Buch erzählt.

Die Gründung des Fürst Donnersmarck-Hauses

Im Unterschied zu allen anderen Einrichtungen der Fürst Donnersmarck-Stiftung (FDST) ging die Gründung des Fürst Donnersmarck-Hauses nicht auf ihre eigene Initiative der Stiftung zurück. Stattdessen wurde der Bau des Hauses vom „Verein zur Förderung evangelischer Heime für körperbehinderte Kinder“ angestoßen. Dieser Verein wurde Ende der 1950er Jahre auf Initiative Marianne Schlegemilchs gegründet, die zuvor ein „Kindernest“ vor allem für Kinder mit Poliomyelitis betrieben hatte. Im Frühjahr 1958 trat Schlegemilch, unterstützt von der Religionspädagogin und Politikerin Magdalena von Tiling an das Kuratorium der Fürst Donnersmarck-Stiftung heran.

Sie wollte auf dem Waldgelände der Stiftung in Frohnau ein ca. 10.000 qm großes Gelände in Erbpacht erwerben. Auf diesem Gelände errichtete der „Verein zur Förderung evangelischer Heime für Körperbehinderte Kinder“ ab 1962 ein Kinderheim. Allerdings reichte die wirtschaftliche Grundlage des Vereins nicht aus, um das Haus dauerhaft zu betreiben. Deswegen übertrug er am 1. April 1964 das Kinderheim in Frohnau mit allen Lasten und Pflichten an die FDST. 1967 benannte die Stiftung das „Kinderheim“ in „Fürst Donnersmarck-Haus“ um.

„Unsere Gäste“…

Schon früh wurde ein Gästebuch für das Fürst Donnersmarck-Haus angeschafft. Ab dem 20. August 1966 trugen sich hier die Besucherinnen und Besucher der Einrichtung ein. Über einige Jahre hinweg sind hier sowohl namhafte als auch heute unbekannte Personen dokumentiert. Das Buch diente aber auch zur Erinnerung an besondere Ereignisse und Veranstaltungen. Es eröffnet damit Einblicke in den Alltag des Kinderheims.

So handelt der erste Eintrag des Gästebuches vom „traditionellen Sommerfest“ am 20. August 1966: „Eltern und Fürsorgerinnen unserer Kinder“ waren damals zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Die Kinder führten „Rotkäppchen und der Wolf“ sowie das Märchen von der „goldenen Gans“ auf. In den kommenden Jahren traten dann zusehends auch professionelle Künstlerinnen und Künstler zur Unterhaltung der Kinder auf. Gleich mehrmals war der Holländer Frederik Ernst Woudenberg als „Clown Waudi“ zu Gast. Auch der Berufszauberkünstler Günter Krenzien gab sich mit seiner „Internationalen Tempo, Illusions- und Zauberschau“ die Ehre.

Scan einer Seite des Gästebuches
Ein gern gesehener Gast: Clown Waudi.

…aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft

Als am 8. September 1966 in Berlin der 10. Weltkongress der International Society for the Rehabilitation of the Disabled (ISRD) stattfand, wurde es auch im Kinderheim international: Damals besuchten 24 Personen aus den USA, Australien, England, Italien, Dänemark, Finnland und Frankreich die Einrichtung. Selbstredend verewigten sich auch Mitglieder der Stifterfamilie in dem „goldenen Buch“ des Hauses. Am 30. September 1966 war Kraft Graf von Donnersmarck in Begleitung des Kuratoriumsmitglieds Walter Schian im Kinderheim und trug sich in das Gästebuch des Fürst Donnersmarck-Hauses ein.

Scan einer Seite des Gästebuches
Internationaler Besuch am 8. September 1966

Auch aus Gesellschaft und Politik kamen Gäste. 1967 war Brigitte Schröder, die damalige Gattin des Bundesverteidigungsministers, Gerhard Schröder (CDU), vor Ort. Kurz nach ihrem Besuch gründete sie die Evangelischen Krankenhaus-Hilfe. Bis heute kümmern sich in ihr die sogenannten „Grünen Damen und Herren“ ehrenamtlich um Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern und Altenheimen.

Das Fürst Donnersmarck-Haus als Musterbetrieb

Zahlreich waren auch die Besuche von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, die sich vor Ort über die Arbeit mit Kindern mit Körperbehinderung informierten. Ausbildungsstätten wie beispielsweise die „Kindergärtnerinnenoberstufe der Sozialpädagogischen Fachschule“ aus Fürstenhagen bei Kassel wurden durch das „moderne Frohnauer Heim“ geführt. Dieses galt – wie es in einem Zeitungsbericht von 1967 heißt – als „mustergültig in der Pflege und heilenden Betreuung körperbehinderter Kinder.“

Deswegen blieb es weiterhin ein Ziel internationaler Delegationen, die mehr über die Unterbringung und Betreuung der Kinder erfahren wollten. Zwischen 1967 und 1971 waren Vertreterinnen und Vertreter aus Japan, Indonesien, den Philippinen, Südafrika und weiteren Ländern anwesend. Sehr viel seltener, nämlich nur einmal, hinterließ jedoch ein Besuch aus Ostberlin eine Spur im Gästebuch. 1970 verzeichnet es einen Besuch der Otto-Grotewohl-Oberschule aus der DDR.

Weitere Original-Einträge im Gästebuch des Fürst Donnersmarck-Hauses

Die ‚gute Seele‘

Doch nicht nur prominente Gäste und Informationssuchende haben Zeugnisse hinterlassen. Daneben finden sich immer wieder direkte Hinweise auf die Bewohnerinnen und Bewohner oder das Betreuungspersonal des Kindesheimes. Im Jahresrhythmus wiederholen sich die Eintragungen zu den Konfirmationsfeiern der Kinder, die in der Johanneskirche in Frohnau stattfanden und von denen noch viele Fotos existieren. Auch die Diakonieschwester Käthe Schmidt, von allen immer nur „Schwester Käthe“ genannt, findet mehrfach Erwähnung.

Kein Wunder, leitete sie doch als „gute Seele“ das Fürst Donnersmarck-Haus seit seinen Anfängen. Eine Besucherin mit künstlerischen Ambitionen dichtete im November 1969 gar folgenden Vierzeiler zum Dank für eine Besichtigung:

Im schönen grünen Wiesengrund,
Da kräht kein Hahn, da bellt kein Hund
nur eine frohe Kinderschar ruft nach
Tante Käthe immerdar.

Die schöne Tradition des Gästebuches kam irgendwann jedoch zu einem Ende. Obwohl noch einige Seiten im Buch frei waren, datiert die letzte Eintragung einer dänischen Delegation auf den 28. April 1978. Das Kinderheim wurde irgendwann um das Jugend- und Erwachsenenheim erweitert, das Fürst Donnersmarck-Haus entwickelte sich zum P.A.N. Zentrum für Post-Akute Neurorehabilitation weiter. Wie es dazu kam und welche Objekte aus unserem Archiven hierbei eine Rolle gespielt, ist allerdings eine ganz andere Geschichte.