Forschung leicht erklärt: Gang- und Gleichgewichtsstörungen
In unserer Reihe „Forschung, leicht erklärt“ wollen wir euch regelmäßig Forschungsthemen, Arbeiten und Personen vorstellen, die mit dem Forschungspreis der Fürst Donnersmarck-Stiftung ausgezeichnet oder belobigt worden sind. Bei PD Dr. Christian Schlenstedt drehte und dreht sich alles ums Laufen – beziehungsweise um Gang- und Gleichgewichtsstörungen bei Parkinson.
Posturale Kontrolle und Modulation des Gangbildes bei Patienten mit Morbus Parkinson
Der Sportwissenschaftler von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel beschäftigt sich schon seit seinem Studium mit Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Insbesondere Menschen mit Morbus Parkinson spielen in seiner Forschungsarbeit eine wichtige Rolle. Für seine Doktorarbeit „Erfassung und Trainierbarkeit der posturalen Kontrolle und Modulation des Gangbildes bei Patienten mit Morbus Parkinson“ hat er 2015 eine Belobigung beim Forschungspreis der Fürst Donnersmarck-Stiftung erhalten. Sechs Jahre später haben wir ihn wieder befragt.
Drei Fragen zur Forschungsarbeit zu Gang- und Gleichgewichtsstörungen bei Parkinson
Was war der Inhalt Ihrer ausgezeichneten Arbeit?
PD Dr. Schlenstedt: Die Forschungsarbeit bestand aus drei Teilen: Zunächst haben wir ein Messinstrument (Assessment) zur Erfassung von Gang- und Gleichgewichtsstörungen optimiert. Dies ist wichtig, um überhaupt erstmal einen realistischen Eindruck vom Ausmaß der Beeinträchtigung zu erhalten und Therapien systematisch untersuchen zu können.
In einem zweiten Schritt haben wir mit dem reinen Krafttraining und dem Gleichgewichtstraining zwei unterschiedliche Trainingsformen miteinander verglichen. Beide werden in der Rehabilitation von Morbus Parkinson eingesetzt. Dabei konnten wir zeigen, dass man mit einem reinen Krafttraining nicht nur die Muskelkraft steigern kann, sondern auch das Gleichgewicht verbessert, also effektiver ist.
Im dritten Teil untersuchten wir die “Split-Belt-Laufband-Therapie“. Das ist eine sehr neue Therapieform, die im Bereich Parkinson bisher in der Routineversorgung nicht eingesetzt wird. Das Split-Belt-Laufband ist in der Mitte geteilt, sodass man beide Beine in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ansteuern kann. Dies ermöglicht ein asymmetrisches Gehen. Das kann man gut bei Erkrankungen einsetzen, bei denen asymmetrische Gangbilder entstehen – eben bei Morbus Parkinson oder auch Schlaganfällen.
In unserer Studie konnten wir einerseits die Mechanismen dieser asymmetrischen Gangbilder besser verstehen. Andererseits konnten wir zeigen, dass das Split-Belt-Laufband in Zukunft als Therapieinstrument noch intensiver genutzt und erforscht werden sollte.
Ein neues therapeutisches Laufband
Wie kann denn das Laufband therapeutisch genutzt werden?
PD Dr. Schlenstedt: Die Geschwindigkeiten der Laufbänder werden zunächst an die Asymmetrien der Betroffenen angepasst. Das regelmäßige Laufen hat das Ziel symmetrischer zu werden und komplexe Gangmuster zu trainieren. Das ist also ein ganz neuer Ansatz mit großem Potential, an dem wir auch noch weiter forschen. In Zukunft könnte das Gerät dann auch in der klinischen Praxis, in Physiotherapien oder Rehabilitationskliniken eingesetzt werden.
Bei meiner Dissertation haben wir das Split-Belt-Laufband nur einmal eingesetzt, aber nicht über einen längeren Zeitraum getestet. Doch schon bei der ersten Studie konnten wir erkennen, dass das Training Auswirkungen auf das sogenannte Freezing, das sind spontane Gehblockaden bei Menschen mit Parkinson, haben kann.
Inzwischen haben wir damit begonnen, die Auswirkungen eines längerfristigen Trainings auf Gang- und Gleichgewichtsstörungen zu untersuchen.
Die weiteren Forschungsarbeiten
Wie ist es denn grundsätzlich mit Ihrer Forschungsarbeit seit der Auszeichnung weitergegangen?
PD Dr. Schlenstedt: Grundsätzlich beschäftige ich mich weiterhin mit Bewegungstherapien mit einem speziellen Fokus auf Personen mit Morbus Parkinson. Dabei interessieren mich Effektivitätsnachweise bestimmter Trainingsformen oder Hinweise darauf, wie man genau trainieren sollte.
Aktuell führen wir in Zusammenarbeit mit der Universität Leuven eine multizentrische Studie durch, in der wir über einen längeren Zeitraum die Trainingseffekte der Split-Belt-Laufband-Therapie untersuchen. Hierfür kommen die Betroffenen über einen Zeitraum von vier Wochen drei Mal in der Woche zu uns in die Klinik und nehmen an einem entsprechenden Training teil. Diese kontrollieren wir gegen eine Kontrollgruppe, die ein normales Laufbahntraining erhält. Dabei interessiert uns, ob man durch diesen Ansatz Gangstörungen bei Morbus Parkinson nachhaltig verbessern kann. Auch das Thema Freezing beschäftigt uns weiter. Hier forschen wir zum einen zu den Mechanismen der Beeinträchtigung und zum anderen dazu, wie man über Bewegungstherapie das Symptom verbessern kann.
Herzlichen Dank für Ihre Antworten und viel Erfolg bei der weiteren Forschungsarbeit!
In der Rubrik „Forschung leicht erklärt“ berichten wir regelmäßig über die Arbeiten der Belobigten und Preisträger des Forschungspreises der Fürst Donnersmarck-Stiftung. Im Jahr 2021 wird der Forschungspreis zum nunmehr 6. Mal verliehen.