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Dr. Rob Labruyere ist 2012 für seine Dissertation zum Training mit dem Lokomat von der Fürst Donnersmarck-Stiftung belobigt worden

Forschung leicht erklärt: Alltagsorientierung und Individualisierung

Wir haben uns mit Dr. Rob Labruyère zu einem kurzem Videocall verabredet und treffen den Schweizer in seinem Homeoffice in Zürich an. Rob Labruyère hat eine spannende wissenschaftliche Karriere durchlaufen. Er studierte an der ETH Zürich „Human Movement Sciences“, promovierte über das Trainingsgerät „Lokomat“ und wechselte anschließend in das Kinderspital Zürich, wo er seitdem in der Forschungsabteilung im Bereich der Kinderrehabilitation arbeitet.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist herausfordernd, da die Verbindung zwischen der Behinderung und den natürlichen Entwicklungsschüben von Kindern zusätzliche Komplexität bedeuten – und bei Dr. Rob Labruyère eine Hinwendung zu einer individualisierten Medizin auslösten. Einem Thema ist er aber immer treu geblieben: Der Gangmotorik und dem Therapiegerät „Lokomat“. 2012 erhielt er für seine Doktorarbeit eine Belobigung beim Forschungspreis der Fürst Donnersmarck-Stiftung.

Trainingsstudie mit dem Lokomat

Was war der Inhalt Ihrer ausgezeichneten Arbeit?

Dr. Rob Labruyère: Ich habe mich in meiner Dissertation vor allem mit der Behandlung von Gangstörungen beschäftigt. Eine große Herausforderung bei der Behandlung und Therapie ist es, ein standardisiertes Maß der Beeinträchtigung zu finden, das man dann im Anschluss mithilfe therapeutischer Eingriffen angehen kann. Dafür werden sogenannte Assessments eingesetzt. Für den Gang gab es damals aber nur einen 10-Meter-Gang-Test. Das bedeutete, dass ein Patient 10 Meter auf einem ebenen Krankenhausflur zurücklegen musste. Ein solcher Test gibt natürlich keinerlei Hinweise auf die wirklichen Lauffähigkeiten einer Person im Alltag. Wir haben deswegen zuerst zwei neue Tests entwickelt und erprobt.

Im zweiten Teil meiner Dissertation habe ich eine Trainingsstudie durchgeführt. In dieser Studie haben wir ein konventionelles Krafttraining mit dem high-tech roboterunterstützten Laufbandtraining mit dem sogenannten „Lokomat“ verglichen. Das Ergebnis war erstaunlich: Das Krafttraining hat besser abgeschnitten als der „Lokomat“. Nicht, weil es dem „Lokomaten“ grundsätzlich überlegen war – sondern weil das Krafttraining ganz individuell auf die Bedürfnisse des Rehabilitanden oder der Rehabilitandin zugeschnitten werden konnte.

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Wechsel in die Kinderrehabilitation

Wie ist es denn mit Ihrer Forschungsarbeit nach der Dissertation weitergegangen?

Zu sehen sind mehrere Personen, die miteinander sprechen. Im Hintergrund sind weitere Personen im Gespräch zu sehen. 2012 erhielt Rob Labruyère eine Belobigung für seine Dissertation zum Lokomat.
Dr. Rob Labruyère auf dem Forschungssymposium 2017

Dr. Rob Labruyère: Nach meiner Dissertation wechselte ich in die Kinderrehabilitation, habe mich aber weiterhin mit dem Gangtraining und dem „Lokomat“ beschäftigt. Dieser hat sich in den letzten Jahren auch enorm weiterentwickelt und bietet inzwischen eine Fülle von Individualisierungsmöglichkeiten.

Heute beschäftigen wir uns daher stärker mit der Frage, wie das Gerät eigentlich in der Praxis eingesetzt wird. Wir haben nämlich festgestellt, dass viele Therapeutinnen und Therapeuten das Gerät gar nicht in seiner ganzen Komplexität nutzen können und deswegen eher auf Standardeinstellungen zurückgreifen. Dieses Problem wollen wir damit lösen, dass wir mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ein Assessment entwickeln, um den „Lokomat“ automatisch auf die Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Das Assessment soll also direkt in das Gerät wandern. Das Ergebnis ist dann zumindest eine standardisierte Individualisierung.

Für uns bedeutet das, mit unserer Forschung in den Alltag zu gehen und vor Ort mit den Therapeutinnen und Therapeuten zusammenzuarbeiten. Insgesamt hat sich mein Forschungsinteresse also noch stärker in Richtung Praxisorientierung und Individualisierung der Behandlung weiterentwickelt.

Individualisierte Medizin

Mit Ihrer Forschung konzentrieren Sie sich stark auf Fragen einer individualisierten Behandlung. Hatte das Auswirkungen auf Ihre Perspektive auf die medizinische Wissenschaft?

Dr. Rob Labruyère: Ich denke, meine Forschung hat meine Perspektive etwas stärker ausdifferenziert. Wenn Sie beispielsweise ein Medikament entwickeln, müssen Sie große, randomisierte Studien durchführen, um ihre Wirksamkeit zu erforschen. Wenn Sie aber, so wie ich, in der Kinderrehabilitation oder wie die Fürst Donnersmarck-Stiftung in der neurologischen Rehabilitation aktiv sind, geht es viel stärker um individuelle Faktoren und individuelle Therapieangebote.

In solchen Situationen spielen zudem weitere Faktoren wie beispielsweise familiäre Unterstützung und Förderung, persönliche Rehabilitationspotentiale oder einfach das Umfeld, in dem man lebt, eine viel größere Rolle und haben eine enorme Auswirkung auf den Rehabilitationserfolg. Dadurch sind aber großangelegte, multizentrische und randomisierte Studien oft nur sehr schwer oder gar nicht zu umzusetzen. Viele Prozesse, die sich positiv oder negativ auf die Rehabilitation auswirken, bleiben für uns deswegen eine Black Box. Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man auf diesem Gebiet forscht und kreativ nach möglichen Forschungsansätzen suchen.

Herzlichen Dank für Ihre Antworten und viel Erfolg bei der weiteren Forschungsarbeit!

Weitere Rückblicke auf ausgezeichnete Arbeiten im Rahmen unseres Forschungspreises finden Sie in unserer Reihe Forschung leicht erklärt.