Freizeit ist Selbstbestimmung. Erste Ergebnisse der FBB-Evaluationsstudie
Wie erleben die Gäste der Villa Donnersmarck das Angebot unseres inklusiven Treffpunkts für Menschen mit und ohne Behinderung? Welche Angebote sind besonders gefragt? Wo wünschen sich die Menschen andere oder neue Angebote? Diese und viele andere Fragen standen im Mittelpunkt der „FBB Evaluationsstudie“ zur Villa Doonnersmarck, die von 2020 bis 2022 vom Forschungsbereich de Fürst Donnersmarck-Stiftung durchgeführt wurde. Am 19. Oktober präsentierte das Team erstmals Ergebnisse des spannenden Projekts.
Ablauf der Evaluationsstudie über die Villa Donnersmarck
Die Studie sollte erstens einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Angebots der Villa Donnersmarck leisten. Zweitens sollten die Bedarfe der betroffenen Gäste erforscht werden. Und drittens ging es darum, die Forschungsfragen aus dem Bereich der Teilhabeforschung zu beantworten. Um diese Leitfragen der Evaluationsstudie beantworten zu können, erstellte das Forschungsteam unter der Federführung von Dr. Maja Wiest einen mehrseitigen Fragebogen. Grundlage dafür war der Austausch mit dem Team der Villa Donnersmarck. Unterstützt wurde das Projekt durch einen Beirat, an dem motivierte Menschen mit Behinderung mitwirkten.
Anschließend wurde der Fragebogen an Stammgäste der Villa Donnersmarck, Klientinnen und Klienten aus dem Ambulant Betreuten Wohnen der Stiftung sowie Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums verteilt. Ergänzend wurde mit zwei Fokusgruppen diskutiert, welche Angebote für ihre Teilhabe an der Gesellschaft wichtig sind. Die Fokusgruppe setzte sich aus Stammgästen der Villa, Forschungsinteressierten sowie Klientinnen und Klienten des Ambulant Betreuten Wohnens zusammen.
Die Forschungsgruppe wertete schließlich die vielen unterschiedlichen Rückmeldungen sowohl statistisch (quantitativ) als auch inhaltlich (qualitativ) aus. Die Antworten aus dem Fragebogen und die Diskussion in den Fokusgruppen werden in der praktischen Arbeit und in Forschungsarbeiten Eingang finden.
Wer hat an der Studie teilgenommen?
Insgesamt verschickte das Team 600 Fragebögen, von denen 193 beantwortet wurden. Das ist ein sehr guter Wert, den nicht alle Studien erreichen, insbesondere wenn Menschen mit Behinderungen befragt werden sollen. Die Antworten teilten sich auf:
- Stammgäste der Villa Donnersmarck: 124 Fragebögen
- Klientinnen und Klienten des ABW: 50 Fragebögen
- Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums: 19 Fragebögen
Die Stammgäste der Villa Donnersmarck sind im Durchschnitt 70 Jahre alt und in der Mehrzahl weiblich. 80 % der Fragebögen wurden von Frauen, 20 % von Männern ausgefüllt. Fast 80 % der Gäste sind im Ruhestand, 54 % haben eine amtlich festgestellte Behinderung. Die Klientinnen und Klienten des Ambulant Betreuten Wohnens sind im Durchschnitt 50 Jahre alt und haben fast alle (96 %) eine amtlich festgestellte Behinderung. Hier waren 44% der Teilnehmenden Frauen, 56 % Männer. 44 % der Personen arbeiten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, 29 % sind im Ruhestand. Wieder anders sieht die Situation im P.A.N. Zentrum aus. Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sind im Durchschnitt 49 Jahre alt. 37 % der Fragebögen wurden von Frauen zurückgeschickt, 63 % von Männern. Von ihnen hatten 78 % eine amtlich festgestellte Behinderung.
Ergebnisse der Studie
Doch was waren die Ergebnisse der Evaluationsstudie? Die absolute Mehrheit der befragten Personen kommen gerne in die Villa Donnersmarck und besuchen dabei vor allem Events wie das Sommerfest, das Oktoberfest oder das Weihnachtshaus und regelmäßige Gruppenangebote wie den Chor oder andere Gruppentreffen. Viele Personen haben außerdem angegeben, gerne die Ausflugs- und Reiseangebote zu nutzen, Ausstellungen zu besuchen oder in Selbsthilfegruppen aktiv zu sein.
Fast alle Personen aus der Stichprobe schätzen die Gemeinschaft und Geselligkeit sowie den Austausch in der Villa Donnersmarck. Sie freuen sich über die Begegnungen mit unterschiedlichen Personen, die keine Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung haben. Außerdem nutzen sie gerne die vielfältigen Aktivitäten und Veranstaltungen, die für einen bezahlbaren Preis angeboten werden. Gerade auch den Austausch mit anderen Menschen mit Behinderung schätzen Studienteilnehmende sehr. Besonders wichtig sind ihnen darüber hinaus kleine Gruppengrößen und die gemeinsamen Interessen der Gruppenmitglieder. Dass alle Gruppenmitglieder ein ähnliches Alter haben, ist dagegen für die antwortenden Personen weniger wichtig.
Es gibt aber auch Unterschiede zwischen den drei befragten Gruppen. So werden die Veranstaltungen und Feste in der Villa Donnersmarck von fast allen Klientinnen und Klienten des ABW besucht, die an der Studie teilgenommen haben. Aber nur die Hälfte der Stammgäste der Villa Donnersmarck besucht die Events. Mehr als die Hälfte der Stammgäste nutzen dagegen die regelmäßigen Gruppenangebote. Bei den Klientinnen und Klienten des ABW sind das nur ein Fünftel (20 %), Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums kennen oder nutzen die regelmäßigen Gruppenangebote der Villa Donnersmarck sogar gar nicht.
Ein weiterer Unterschied ist bei der Frage festzustellen, wie Angebote in der Villa Donnersmarck organisiert sein müssen, damit sie für die unterschiedlichen Gruppen zeitlich besonders gut passen. Während sich die Stammgäste der Villa Donnersmarck vor allem wöchentliche Angebote unter der Woche zwischen 13.00 und 19.00 Uhr wünschen, haben die Klientinnen und Klienten des ABW Interesse an regelmäßigen Veranstaltungen einmal in der Woche oder einmal im Monat sowie am Wochenende zwischen 13.00 und 19.00 Uhr. Auch die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums freuen sich über wöchentliche Veranstaltungen sowie Angebote am Wochenende zwischen 13 und 16 Uhr.
Verbesserungsvorschläge
Natürlich erhielten wir auch eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen im Rahmen der Evaluation. Dazu gehören vor allem:
- mehr Angebote für jüngere Menschen
- mehr Sport- und Gymnastik-Angebote
- Angebote für Rollstuhlfahrer wie z.B. Fahrtraining u. Geschicklichkeitsübungen
- mehr Kulturangebote wie Improvisationstheater, Museums- oder Kulturbesuche
- Angebote zur Erweiterung des eigenen Horizonts wie Sprachkurse oder Kurse zum Umgang mit digitalen Medien
- Etablierung eines Tauschrings nach dem Motto „Wer hilft mir und wie kann ich helfen?“
Auch organisatorische Themen sind angesprochen worden. Dazu gehörte beispielsweise die Parkplatzsituation in der Schädestraße oder der Vorschlag, die Angebote der Villa Donnersmarck auch in anderen Bezirken umzusetzen.
Zuletzt wünschte sich die Mehrheit der Teilnehmenden Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch mit Menschen mit Behinderung sowie zur Wissensvermittlung zum Thema Behinderung. Die Stammgäste der Villa Donnersmarck sowie die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums wünschten sich konkret Informationsveranstaltungen; die Klientinnen und Klienten des ABW sowie die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums suchten auch nach der Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen.
Fazit der FBB-Evaluationsstudie zur Villa Donnersmarck
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einen Blick:
- Gemeinsame Aktivitäten sind für fast alle Befragten wichtig und ein Großteil aller Teilnehmende wollen Zeit mit anderen verbringen und sich austauschen. Die Villa Donnersmarck bietet dafür einen guten Rahmen.
- Inklusive Angebote haben eine große Bedeutung für die Befragten. Es ist für die Teilnehmenden wichtig, dass Menschen mit und ohne Behinderungen in der Villa Donnersmarck zusammenkommen und sich austauschen können.
- Stammgäste der Villa Donnersmarck und Klientinnen sowie Klienten ABW nutzen unterschiedliche Angebote. Rehabilitandinnen und Rehabilitanden des P.A.N. Zentrums nutzen das Angebot kaum. Das hängt einerseits mit der Entfernung zusammen, liegt andererseits aber vermutlich auch am umfangreichen Angebot im P.A.N. Zentrum selbst.
- Das Programm der Villa Donnersmarck passt insgesamt gut zu den Wünschen unserer Gäste. Besonders Personen aus dem ABW und dem P.A.N. Zentrum wünschen sich (zusätzliche) Angebote für Jüngere und am Wochenende.
Wie geht es weiter
Die knapp 200 Fragebögen werden noch weiter ausgewertet. Es wird überprüft, welche der Anregungen zukünftig Eingang in das Veranstaltungsprogramm der Villa Donnersmarck finden können.
Darüber hinaus wird das Team aus dem Forschungsbereich im nächsten Jahr die Studie auf einem Kongress vorstellen und eine wissenschaftliche Publikation der Studie vorbereiten. Dadurch gelingt im besten Fall beides: Die Villa Donnersmarck kann ihr Angebot nochmal verbessern und die Forschungsgruppe der Fürst Donnersmarck-Stiftung kann an einem guten Beispiel auch für andere Interessierte zeigen, wie man Teilhabeforschung umsetzen kann. Teilhabeforschung ist Forschung mit Betroffenen unter anderem zu der Frage, wie eine inklusive Gesellschaft funktionieren kann und wie Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in allen Bereichen mitwirken können.
An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ganz herzlichen bei allen Studienteilnehmern und -teilnehmerinnen, dem Projektbeirat und allen Bereichsleitungen für die engagierte Zusammenarbeit bedanken, die die Studie nicht nur ermöglicht, sondern auch wesentlich bereichert hat.
Zum Angebot der Villa Donnersmarck geht es hier lang. Weitere Forschungsbeiträge auf mittendrin findet ihr unter dem Stichwort Forschung.
Für konkrete Nachfragen beantwortet gerne Dr. Maja Wiest.