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Ein Sonnenuntergang aus dem Auto heraus fotografiert

Corona und kein Ende? Ein Silberstreif am Pandemie-Horizont

Unser Gastautor Timo Hermann blickt für uns noch ein letztes Mal auf die Corona-Pandemie und gibt uns einen persönlichen Eindruck der aktuellen Entwicklungen. Corona und kein Ende in Sicht? Oder brennt am anderen Ende des Tunnels schon Licht?

Die Frage der Fragen 2021: Findet Corona ein Ende?

Ich weiß. Vermutlich haben wir es alle satt, von Corona zu hören. Es bestimmt seit nunmehr fast anderthalb Jahren unseren Alltag, unser Leben. Ob Nachrichten, Gespräche der Nachbarn oder soziale Netzwerke – ich kann mich in meinen 42 Lebensjahren an keine Phase erinnern, in der ein einziges Thema für so lange Zeit dermaßen präsent war. Ich habe als Kind durchaus große Ereignisse mit Einfluss auf das Weltgeschehen erlebt: Die Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl, den Fall der Mauer (ein im Gegensatz zu den anderen Beispielen positives Ereignis, das mein Leben weit mehr beeinflusst hat, als ich damals geahnt hätte, dazu später mehr), den Balkan-Krieg, die New Yorker Terroranschläge auf das World Trade Center am 11. September, und vieles mehr. Doch keines dieser Themen war so omnipräsent, obwohl sie alle mein Leben beeinflusst haben. 

Auch ich habe hier in diesem Blog mehrere Artikel zur Pandemie verfasst, meinen Stimmungswandel von Euphorie über die aufkeimende Solidarität bis hin zu Optimismus, Pessimismus, Depression und Resignation im Wechsel geschildert. Ich kann es selbst nicht mehr hören und bin müde. Deshalb werde ich nun meinen letzten Artikel über die Pandemie schreiben. Einen Abgesang auf die Pandemie quasi, die uns noch lange begleiten wird. Auch wenn Corona noch nicht zu Ende ist, ist Licht am Horizont zu erkennen. Und dieses Licht stimmt mich sehr glücklich.

Impfungen, Lockerungen, Perspektiven

Gerade eben habe ich wieder einmal einen Ausflug mit meiner Patentochter ins benachbarte Brandenburg gemacht. Weg vom Berliner Alltag. Auch im Wildpark Schorfheide herrschen Maskenpflicht und Abstandsregeln. Aber das ist bereits Alltag geworden. So haben wir bei sommerlichen Temperaturen mit den Fahrrädern den Park durchstreift, Ziegen gefüttert, hechelnde Wölfe und Elche bestaunt, Eis gegessen und sind dann vor der brütenden Hitze geflohen. Ab an den Werbelinsee! Das Wasser war eiskalt, wir haben uns dennoch hinein gestürzt. Anschließend haben wir im Hofladen auf dem Heimweg noch Käse und Brot fürs Abendbrot eingekauft und sind nach Hause zurückgekehrt. Die Achtjährige war überglücklich. Ich auch.

Warum erzähle ich das? Aufmerksame Leserinnen und Leser werden festgestellt haben, dass in fast jedem Artikel eine solche Erzählung Einzug gefunden hat. Diese Ausflüge mit meinem Patentöchterchen geben mir Kraft. Und die Gefühlslage dabei hat sich verändert: Während wir anfangs noch sehr vorsichtig waren, sind wir nun zwar nicht leichtsinnig, inzwischen aber beide viel unbeschwerter auf unseren Ausflügen. Meine Frau und ich sind geimpft und erhalten in wenigen Wochen die Zweitimpfung. Die Infektionszahlen sinken täglich und es werden Lockerungen von den strengen Kontaktbeschränkungen diskutiert. Auch die Gastronomie bereitet sich auf die teilweise Öffnung vor. Erinnerungen an den vergangenen Sommer werden wach und wecken Hoffnung und Sehnsucht nach dem normalen Leben.

Impfen als Ausweg: Die Pandemie durch Corona ist am Ende?

Wir waren in einem Berliner Eisstadion, das zum Corona-Impfzentrum umfunktioniert wurde. Nach einigen Startschwierigkeiten haben wir endlich unsere Termine erhalten. Beim Eintreffen fiel uns auf, wie großartig organisiert dieses Impfzentrum ist: Lückenlose Dokumentation und Begleitung von Anfang an, Leihrollstühle und Hilfspersonal stehen zur Verfügung, Fahrstühle führen hinunter zum Impfzentrum. Es ist zwar eine gespenstische Atmosphäre, wie die Bundeswehr zwischen den Kabinen Impfdosen verteilt, aber das Personal lockert die Stimmung deutlich auf. Hier herrscht Aufbruchstimmung, viele Menschen verlassen das Zentrum nach der Impfung mit einem Lächeln. Ein kleiner Schritt zurück Richtung Normalität.

Die Pandemie hat uns allen bislang extrem viel abverlangt. Der Verzicht auf soziale Kontakte, auf menschliche Nähe – teilweise eine unmögliche Forderung. Nehmen wir zum Beispiel mein erwähntes Patentöchterchen. Ich hätte es nicht über das Herz gebracht, sie für mehr als ein Jahr nicht mehr sehen und in den Arm nehmen zu können. Ich habe es versucht, bin aber – ehrlich gesagt – nach zwei oder drei Wochen gescheitert. Es ging einfach nicht. Wir haben uns also besprochen, mögliche Risiken durchkalkuliert und dieses Risiko bewusst in Kauf genommen. 

COVID-19: Eine Jahrhundert-Katastrophe?

Gerade Kinder und Jugendliche verlieren momentan Zeit zum Spielen, sich auszutesten und zu reifen. Jugendliche sitzen nach wie vor die meiste Zeit allein zuhause vor Tablets oder Smartphones im Distanzunterricht. Sicher, sie werden die verlorene Zeit nachholen können. Es ist nicht das Ende der Welt. Ich habe – wie eingangs erwähnt – Tschernobyl als Kind von schwäbischen Ur-Grünen sehr lebhaft erlebt. Auch dieses Ereignis hat die Welt verändert. Der Mauerfall: Als Kind hatte ich dazu keinen Bezug und habe ihn zur Kenntnis genommen. Heute bin ich mit einer wunderbaren Frau aus dem Osten verheiratet, lebe selbst in Ost-Berlin und habe dort auch das wunderbarste Patenkind der Welt. Ohne den Mauerfall sähe nicht nur mein Leben heute völlig anders aus. Jedes globale Ereignis betrifft unzählige Menschen und beeinflusst sie. 

Aber gerade wir sitzen hier meist vergleichsweise gut versorgt in einem trockenen Haus mit Heizung und fließendem Wasser. Ganz anders erging es den Großeltern von vielen von uns, die einen oder gar beide Weltkriege miterlebten und danach aus Schutt und Asche etwas Neues aufbauen mussten. Damit verglichen geht es uns noch immer wirklich gut, auch wenn sich manch irregeleiteter Mitbürger einen gelben Stern an die Brust heftet und sich mit Sophie Scholl oder anderen Holocaust-Opfern vergleicht. Das ist aus meiner Sicht an Geschmacklosigkeit und Geschichtsvergessenheit kaum zu überbieten.

Viele von uns sind tatsächlich hart von Corona betroffen. Das will ich nicht kleinreden. Die Pandemie ist zweifelsfrei ein Jahrhundert-Ereignis: Viele Menschen haben ihre Jobs verloren, viele haben auch ihre liebsten Angehörigen verloren. Das ist furchtbar und ich bin froh, dass es inzwischen einen Lichtblick gibt. Bei manchen Mitmenschen habe ich zwar das Gefühl, sie haben übertriebene Erwartungen an die kommenden Monate. Jeder wünscht sich, dass die derzeitige Lage mit Corona bald ein Ende findet. Aber wir alle brauchen eine Perspektive auf ein Leben nach der Pandemie. Und zumindest sind wir dem nächsten Meilenstein ein ganzes Stückchen näher gekommen.

Der Sommerurlaub – Utopie oder greifbar nah?

Inzwischen sind über 30 Prozent der Bevölkerung zumindest erstgeimpft und verfügen daher bereits über einen gewissen Schutz vor Infektionen und schweren Verläufen. Selbst die Tourismusbranche, die deutlich unter der Pandemie gelitten hat, bereitet sich allmählich auf Öffnungen vor. Sommerurlaub? Daran war bislang kaum zu denken, nun arbeitet die Branche mit Hochdruck an Hygienekonzepten, die das ermöglichen sollen. Wir beobachten die Lage noch mit ein wenig Skepsis. Aber tatsächlich fällt uns der Verzicht auf das Reisen zur Zeit auch noch leichter. Denn wir haben doch unseren Wohnwagen in der Mecklenburgischen Seenplatte als Zufluchtsort stehen. 

Gleichzeitig überschlagen sich gerade Nachrichten, nach denen es bald auch im Hinblick auf Reisen Lockerungen geben soll. Selbst Bundesgesundheitsminister Spahn lässt verlauten, er plane einen Sommerurlaub, wenn auch in Deutschland. Bei aller Euphorie erinnern wir uns aber noch lebhaft an die Meldungen vom vergangenen Sommer über überfüllte Strände an Nord- und Ostsee. Und der Gedanke an ein vollgepacktes Flugzeug mit Luftzirkulation, in denen sich Krankheitserreger in Windeseile verbreiten könnten, ist auch eher unangenehm für uns. Zu wenig Studien und belastbare Zahlen gibt es bisher, unter welchen Bedingungen sich das Virus mit all seinen Mutationen verbreiten kann, und auch wenn wir bald vollständig geimpft sind, wissen wir ja einerseits, dass ein Restrisiko einer Infektion bleibt, andererseits wollen wir auch nicht Überträger werden und zum Anstieg der Infektionszahlen beitragen.

Deutschland entdecken

Aber wie bereits in vorangegangenen Artikeln beschrieben, gibt es auch hier noch so viele Gegenden zu entdecken, die nicht so überlaufen sind. Eine Stärke Deutschlands ist ja eben seine Vielfalt, kulturell wie landschaftlich. In zwei Autofahrstunden erreichen wir von Berlin aus die unterschiedlichsten Regionen: Die Seenplatte oder das Lausitzer Seenland, den Spreewald, den Oderbruch, das Havelland und viele andere Regionen, die alle ganz unterschiedliche Reize haben. Und auch, wenn wir unser geliebtes Sizilien noch eine Weile nicht sehen können, weil die Entfernung mit dem Auto mit knapp 2.400 Kilometern doch zu groß ist: wir werden uns wiedersehen. Vielleicht schon im kommenden Jahr. 

Bis dahin entdecken wir Deutschland weiter und genießen die neu gewonnene Freiheit, die vielleicht in den vergangenen Jahrzehnten zu selbstverständlich geworden ist! So können wir der Pandemie vielleicht bei all dem Leid, das sie über viele Menschen gebracht hat, auch etwas Positives abgewinnen: Viele von uns haben sich neu besonnen auf Freiheiten und Werte, die möglicherweise allzu selbstverständlich hingenommen wurden. Und manch einer vermag diese nun vielleicht völlig neu zu genießen – so wie meine Patentochter, die nach unserem kleinen Ausflug nun strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Und mit diesem Eindruck im Herzen beende ich an dieser Stelle meine Artikelreihe rund um die Pandemie und widme mich künftig wieder anderen Themen des Lebens! Zumindest für meine Gastbeiträge bei mittendrin gilt: Corona ist am Ende.

Über den Autoren

Timo Hermann betreibt gemeinsam mit seiner Frau Adina das 2013 gegründete Reiseblog “Mobilista.eu”. Dort schildern sie ihre Erlebnisse von Reisen in Europa, aber auch Übersee-Destinationen wie Curacao und Kanada und legen dabei besonderen Wert auf Barrierefreiheit. Adina ist Rollstuhlfahrerin und Head of Design beim SOZIALHELDEN e.V., Timo freiberuflicher Reiseblogger, Fotograf und Berater.