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Eine Garderobe: Jacken hängen an Haken. Darüber Bilder der Bewohnerinnen und Bewohner. Diese Bilder sind unkenntlich gemacht.

Betreutes Wohnen: Win-Win Situation durch interne Netzwerke

Eine Allee in einer grünen Seitenstraße in Berlin-Frohnau. Hier, wo grüner Kiez und Stadtleben zusammenkommen, liegt das Quartier Querschlag. Gut angebunden an den Nahverkehr und benachbart zum Ludolfinger Platz, entwickelt sich hier ein Projekt, das verschiedene Formen Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung unter ein Dach bringt.

Betreutes Wohnen in Berlin-Frohnau

Auf dem Gelände gibt es zwei Wohnkomplexe – das Haus Am Querschlag und eine Wohngemeinschaft. Lange Zeit hatten jedoch die beiden Wohnangebote nur wenig miteinander zu tun, denn sie wurden organisatorisch getrennt geführt. Der Austausch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Klientinnen und Klienten blieb deswegen unsystematisch und war nicht dauerhaft verankert. Das Projekt Quartier Querschlag möchte dies jetzt ändern. Andrea Wüstefeld ist die Verantwortliche des Projekts. Sie leitet die verschiedenen Wohnformen der Fürst Donnersmarck-Stiftung im Norden Berlins.

„Mit dem Projekt Quartier Querschlag wollen wir die Vernetzung nach innen verbessern, damit sich unsere Bereiche gegenseitig stärken.“

Andrea Wüstefeld

Das Haus Am Querschlag ist eine besondere Wohnform. Hier leben 14 Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Seit die Einrichtung in das Ambulant Betreute Wohnen überführt wurde, gilt hier das Motto: „Stationär, so ambulant wie möglich”. Den Menschen steht rund um die Uhr eine ganzheitliche pädagogische Betreuung und Pflege zur Verfügung. Direkt gegenüber liegt die WG, in der vier Menschen mit Behinderung gemeinschaftlich wohnen. Sie benötigen weniger Unterstützung und können daher auf ein zeitlich flexibles Angebot zurückgreifen.

Einer der Gemeinschaftsräume im Haus am Querschlag direkt nach den Renovierungsarbeiten im Jahr 2019. (Foto: Hurlin)

Betreutes Wohnen: Vernetzter Arbeitsplatz im Quartier am Querschlag

Um den Austausch zu verbessern, hat sich das Team um Andrea Wüstefeld dazu entschieden, die internen Abläufe zu verändern. Das Haus Am Querschlag und die WG werden jetzt nicht mehr getrennt voneinander geführt, sondern zusammen durch die bisherige Leiterin des Haus Am Querschlag Rita Lopez Carretero. Wenn die durch Corona bedingte Teamtrennung vorbei ist, arbeiten einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in beiden Betreuungsangeboten. Dadurch bleibt die Unterstützungsleistung einerseits konform mit den Richtlinien des Leistungsträgers und andererseits können die Betreuungsangebote künftig zusammen gedacht werden.

Anja Kohl ist Sozialarbeiterin in der Region Nord und im Quartier Querschlag. Als regionale Sozialarbeiterin im Ambulant Betreuten Wohnen ist sie in erster Linie für die Sicherung der Kostenübernahmen für die Klientinnen und Klienten verantwortlich und unterstützt die fachliche Entwicklung der Teams.

„Für mich ist das Projekt im August 2020 gestartet – da hatten wir die Auftaktveranstaltung mit den beiden Teams der Wohngemeinschaft und des Haus Am Querschlag. Wir haben dabei über unsere Visionen gesprochen. Wo stehen beide Seiten, die man zusammenbringen möchte? Erst einmal ist es wichtig gemeinsam im Team zu entwickeln, wo es hingehen kann. Schon bei dem ersten Treffen sind viele Ideen für Verknüpfungsmöglichkeiten entstanden“, beschreibt sie den Prozess der letzten Monate.

Teilhabe steht ganz oben

Die Veränderungen führen dazu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser voneinander profitieren können. Sie arbeiten in ihrem Bereich, bilden darüber hinaus Schnittstellen und wissen voneinander besser Bescheid. Das kommt den Teilhabemöglichkeiten der Klientinnen und Klienten zu Gute. Dazu Anja Kohl: „Hier vor Ort haben wir tolle Möglichkeiten. Wir können beispielsweise im Multifunktionsraum des Haus Am Querschlag Kreativgruppen oder Kinoabende anbieten, die dann auch die WG nutzen kann. Und wir haben einen großen Garten. Es ist zum Beispiel denkbar, dass die WG und das Haus Am Querschlag eine Gartengruppe gründen. Dann ist es für die beiden Teams einfacher, davon zu erfahren und den Prozess zu unterstützen. Was ich als Mitarbeiterin interessant finde, sind die unterschiedlichen Schwerpunkte unserer Arbeitsbereiche hier. Man kann sich austauschen und voneinander lernen. Da ist ganz viel Potenzial dahinter und ich finde es spannend, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen.“

Hier vor Ort haben wir tolle Möglichkeiten.

Anja Kohl

Herausforderungen Corona und Teamtrennung

Menschen zusammenbringen trotz Corona? Keine so leichte Aufgabe. Denn durch die Teamtrennung und die Hygienemaßnahmen ist es unter derzeitigen Bedingungen nicht einfach, die Synergieeffekte zu nutzen. Das Team um Andrea Wüstefeld und Rita Lopez Carretero ließ sich dennoch etwas einfallen und rief im November einen Winterbasar ins Leben.

Ein Musiker mit Keyboard spielt vor dem Haus.
Musikalisch war es beim Winterbasar.

Andrea Wüstefeld erinnert sich: „Das fiel in den Zeitraum vor dem zweiten Lockdown. Wir haben das Ganze draußen im Hof umgesetzt, unter Abstands- und Hygieneregeln. Und tatsächlich wohnte da für alle ein Zauber inne: Endlich durften wir mal zusammen Musik hören, uns sehen und quatschen.“

Weihnachtliche Deko war natürlich auch dabei.

Die Veranstaltung haben die Klientinnen und Klienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam vorbereitet. Karsten Frentzel wohnt in der WG und war in der Planung aktiv:

Der Winterbasar war sehr schön. Wir waren da ja alle zusammen. Da haben wir alle gemeinsam als Gruppe gefeiert. Es gab Musik, Glühwein und gutes Essen. Wir in der WG haben zum Beispiel die Bratäpfel vorbereitet.

Karsten Frentzel
Zwei gut gelaunte Männer. Beide sitzen im Rollstuhl.
Karsten Frentzel (links) gut gelaunt beim Winterbasar

Gemeinsame Aktionen umsetzen – über das Quartier Querschlag hinaus

Unweit von dem Quartier Querschlag, in der Zeltinger Straße, liegt ein weiteres Büro des Ambulant Betreuten Wohnens für das Betreute Einzelwohnen und die WG. Früher war das Team Zeltinger Straße auch noch für die WG Am Querschlag zuständig. Seit dem Veränderungsprozess des Quartier Querschlag konzentriert es sich ganz auf die WG im eigenen Haus und betreutes Wohnen von Menschen, die allein leben. Gemeinsam mit dem Quartier Querschlag hat jedoch die Bezirksleiterin Audrey Engelskirchen eine Überraschung für die Mitarbeiter*innen und Klient*innen organisiert. Ein Foodtruck kam an Nikolaus auf den Hof gerollt und es gab Glühwein, Bratwurst und Spätzle. Audrey Engelskirchen berichtet: „Wir haben viele schöne Rückmeldungen bekommen. Diese reichten von ‚Endlich mal wieder ein bisschen Beisammensein‘ bis zu: ‚Ein Stückchen Normal‘. Die Bewohner*innen der Wohnanalage, die nicht zu uns gehörten, fragten natürlich auch nach, was wir da tun und freuten sich mit uns. Eine ältere Dame zum Beispiel zeigte sich sehr begeistert, was auch in dieser tristen Zeit alles möglich ist.“

Und wie geht es weiter?

„So ein Projekt steht und fällt natürlich mit den richtigen Leuten“, erklärt Andrea Wüstefeld. „Das Entscheidende ist, dass in diesem Team unglaublich viel Engagement steckt. Wir haben wirklich tolle Leute. Corona stellt uns nun vor ganz schöne Herausforderungen. Aber mit dem Projekt haben wir einige Synergieeffekte dazugewonnen, die wir künftig nutzen wollen.“

In der WG am Querschlag ist – trotz Corona – keine Katerstimmung angesagt. Stattdessen gibt es bereits die nächsten Pläne. Karsten Frentzel: „Wir haben vor, im Frühjahr ein Fest zu machen. Das wollen wir wieder gemeinsam machen. Da treffen wir uns dann draußen gemeinsam mit den Leuten von gegenüber. Und sein WG-Mitbewohner Joachim Schulz erklärt: „Ja genau, ‚Ein Tanz in den Frühling‘“.

Titelfoto: Hurlin