BerlMobil: Interview zum neuen Berliner Sonderfahrdienst
Zum 01. Oktober 2021 wechselt der Betreiber des Sonderfahrdienst (SFD) für Menschen mit Behinderung in Berlin. Die Firma ViaVan GmbH übernimmt dann nahtlos den vom Land Berlin finanzierten Mobilitätsservice. Bisher betreute das Unternehmen unter anderem bereits den BerlKönig der BVG. Wir haben Valerie von der Tann, die Geschäftsführerin der ViaVan GmbH, zum Wechsel interviewt.
Interview zum BerlMobil mit ViaVan-Geschäftsführerin Valerie von der Tann
Liebe Frau von der Tann, stellen Sie uns doch zunächst kurz sich selbst und das Unternehmen ViaVan vor.
Valerie von der Tann: Sehr gerne! Via unterstützt Städte und öffentliche Verkehrsunternehmen auf der ganzen Welt dabei, bessere nachfrageorientierte Verkehrssysteme zu betreiben. Die Technologie, die dabei zum Einsatz kommt, erlaubt Fahrten auch kurzfristig zu planen, zu optimieren und wenn möglich zusammenzulegen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten wir aktuell mit über 30 Partnern zusammen, zum Beispiel den Verkehrsbetrieben in Berlin, Stuttgart oder Zürich.
Ich selbst leite das Geschäft in Deutschland zusammen mit einem erfahrenen und engagierten Team mit Sitz hier in Berlin. Gute Mobilität für alle ist schon seit vielen Jahren meine Leidenschaft. Neben meinem Studium der Politik und Volkswirtschaftslehre bin ich auch ausgebildete Busunternehmerin sowie Taxi- und Mietwagenunternehmerin (IHK). Gemeinsam mit meinem Team freuen wir uns sehr auf die Aufgabe, den Sonderfahrdienst fortzuführen und schrittweise verbessern zu dürfen.
Die Via Transportation, Inc. ist international tätig. Betreuen Sie bereits vergleichbare Angebote oder ist BerlMobil das erste Projekt dieser Art für das Unternehmen?
Valerie von der Tann: Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass unsere Technologie gerade auch Menschen mit Behinderungen zugutekommen kann. Mit vergleichbaren Fahrdiensten für Menschen mit Behinderungen haben wir zum Beispiel in Frankreich (Aix-en-Provence) oder in den USA (Virgina) Erfahrung gesammelt. Hier haben wir unsere Technologie und betrieblichen Abläufe spezifisch auf die zuverlässige Beförderung von Menschen mit Behinderungen zugeschnitten. In all diesen Projekten konnten wir die Zufriedenheit der Fahrgäste deutlich erhöhen und gleichzeitig die Effizienz verbessern. Das haben wir auch in Berlin vor.
Die Übergangsphase zum Berlmobil und Neuerungen: Buchen per App!
Wie ist die Übergangsphase organisiert, damit keine Lücken entstehen?
Valerie von der Tann: Der aktuelle Betreiber wird den Sonderfahrdienst noch bis zum 30. September zur Verfügung stellen. Ab dem 01. Oktober übernehmen wir dann. So entsteht keine Lücke. Fahrten die ab dem 01. Oktober stattfinden sollen, können ab dem 15. September bei uns über die verschiedenen Kanäle angemeldet werden. Alle Infos hierzu sind im Infobrief vom LAGeSo enthalten oder auch jederzeit unter www.berlmobil.de abrufbar.
Wird es Veränderungen oder Neuerungen für die Fahrtanmeldung geben?
Valerie von der Tann: Zunächst ist wichtig, dass es neue Kontaktdaten für die Fahrtanmeldung gibt: Telefonisch ist die Fahrtanmeldung künftig von 7 bis 17 Uhr unter der Nummer 030 / 220 271 36 möglich. Per E-mail sind Fahrtanfragen rund um die Uhr unter der Adresse buchung@berlmobil.de möglich. Fax und der postalische Weg stehen auch weiterhin zur Verfügung. Für die Fahrtanmeldung ist weiterhin die Berechtigtennummer notwendig, die Nutzerinnen und Nutzer beim Lageso erhalten haben.
Zusätzlich führen wir neue, digitale Buchungskanäle ein: Bereits ab September wird es auf unserer neuen Webseite www.berlmobil.de eine Web-App geben. Über die kann man in Echtzeit eine Fahrt buchen und sofort eine Bestätigung bekommen! Und man kann jederzeit sehen, wann das Fahrzeug genau ankommt und sogar auf einer Kartenansicht sehen, wie es sich nähert. Ähnliche Funktionen werden zukünftig auch in einer Smartphone-App zur Verfügung stehen, die wir gerade entwickeln und zeitnah zur Verfügung stellen.
Neuer Name und langfristige Planung
Ändert sich sonst etwas für Nutzerinnen und Nutzer des SFD?
Valerie von der Tann: Auf Anregung vieler Fahrgäste geben wir dem “Sonderfahrdienst” einen neuen, schöneren Namen. In Zukunft wird der Sonderfahrdienst BerlMobil heißen. Den Namen haben wir aus über 30 Vorschlägen von Nutzerinnen und Nutzern ausgewählt. BerlMobil steht für Berlin und Mobil sein.
Ansonsten wollen wir über die nächsten Jahre einige Sachen verändern, um den Fahrdienst schrittweise weiter zu verbessern. Neben den neuen digitalen Buchungskanälen gehören dazu zum Beispiel eine verbesserte Zuverlässigkeit oder die Möglichkeit, kurzfristiger buchen zu können.
Und noch eine letzte praktische Sache: Eine Magnetkarte wird für den Sonderfahrdienst in Zukunft nicht mehr benötigt. Bei Abholung zeigen die Fahrgäste dem Fahrer oder der Fahrerin einfach kurz ihren Schwerbehindertenausweis, das reicht aus.
Verbesserungen durch BerlMobil? Zuverlässiger? Pünktlicher? Spontaner?
Nutzerinnen und Nutzer des SFD haben sich in der Vergangenheit häufig darüber beschwert, dass er unpünktlich ist. Haben Sie Möglichkeiten und Ansätze das zu verbessern?
Valerie von der Tann: Ja, in der Tat: Durch unsere Technologie wollen wir die Zuverlässigkeit des Sonderfahrdienstes erheblich verbessern. Beispielsweise verarbeitet unser System permanent den Echtzeit-Standort der Fahrzeuge und lenkt diese durch unsere in den Fahrzeugen installierte Fahrpersonal-App zu den Abhol- und Absetzpunkten. Auf Veränderungen kann in Echtzeit reagiert werden. Auch berechnet unser System Abholzeiten unter Berücksichtigung von historischen und Echtzeit-Verkehrsdaten, wodurch Abholzeiten sehr genau berechnet und Verspätungen minimiert werden.
Allerdings muss sich das System dafür etwas einspielen und “lernen”, daher erwarten wir das volle Maß der Verbesserungen nicht sofort am 01. Oktober sondern schrittweise im Laufe der ersten Monate.
Wird es eine Option geben Fahrten spontaner zu planen als das bisher möglich war?
Valerie von der Tann: Ja, wir wollen hier zwei Sachen erreichen: Einerseits, dass man nicht mehr 14 Tage vorher buchen muss, um garantiert noch eine Fahrt zu bekommen, sondern auch zwei Tage vorher für so eine “Vorausbuchung” noch absolut ausreicht. Andererseits, dass wir auch Kapazitäten für spontane Buchungen am Tag der Fahrt selbst vorhalten.
Wie viele Fahrzeuge wird die Flotte umfassen? Und wie viele Fahrerinnen und Fahrer sind im Einsatz?
Valerie von der Tann: Wir planen mindestens 54 BerlMobil-Fahrzeuge für den Sonderfahrdienst einzusetzen, sowohl eigene als auch bei unseren Subunternehmern, die bereits in der Vergangenheit für den Sonderfahrdienst gefahren sind. Wir werden bei Bedarf zusätzlich auch sogenannte Teletaxen einsetzen, für solche Fahrgäste die auch hiermit komfortabel befördert werden können.
In Summe werden deutlich über 150 Fahrerinnen und Fahrer sowie Beifahrerinnen und Beifahrer für das BerlMobil tätig sein. Allerdings passen wir dies soweit möglich der tatsächlichen Nachfrage an. Wir sind gespannt, wie hoch diese im Oktober liegen wird.
Sonderfahrdienst von morgen schon heute?
Sind darunter auch Elektrofahrzeuge – wenn ja wie viele und welche Rolle spielt Elektromobilität für Angebote wie den SFD?
Valerie von der Tann: Zunächst sind keine Elektrofahrzeuge geplant. Allerdings könnten wir uns dies perspektivisch sehr gut vorstellen und setzen auch in anderen Projekten zunehmend auf Elektromobilität. Wichtig hierfür wäre, dass die Fahrzeughersteller hier noch einen Schritt nach vorne machen, denn aktuell gibt es noch keine Fahrzeuge auf dem Markt, die barrierefreie Fahrten für mehrere Personen mit Rollstuhl in einer Stadt wie Berlin ermöglichen – die Reichweite der dafür einsetzbaren Fahrzeuge ist noch nicht ausreichend.
Gibt es weitere Besonderheiten (Technik/Ausstattung) in der Flotte?
Valerie von der Tann: Wir werden fast ausschließlich Fahrzeuge des Typs Mercedes-Benz Sprinter einsetzen – ein großer Teil der Fahrzeuge ist dabei brandneu und damit wirklich auf dem aktuellsten Stand der Technik. Aber auch in Summe wird die Fahrzeugflotte deutlich verjüngt.
Darüber hinaus setzen in allen Fahrzeugen eine Fahrpersonal-App ein, mit der die Informationen zur nächsten Fahrt dem Fahrer oder der Fahrerin in Echtzeit übermittelt werden – auch bei kurzfristigen Umplanungen aufgrund von z.B. Stornierungen oder neuen spontanen Buchungen. Staus im Berliner Stadtverkehr werden dabei automatisch in die Routenführung und Disposition eingerechnet. So hoffen wir die Pünktlichkeit zu erhöhen.
Erfahrung durch das Angebot BerlKönig der BVG
Sie konnten mit dem BerlKönig, dessen Flotte ja auch über barrierefreie Fahrzeuge verfügt, Erfahrungen im Berliner Raum beim Befördern von Menschen mit Behinderung sammeln. Fließt diese Erfahrung in den SFD ein?
Valerie von der Tann: In der Tat haben wir einiges gelernt, was natürlich in das Konzept für das BerlMobil eingeflossen ist! Zudem ist unsere Erfahrung mit dem BerlKönig ein wichtiger Grund, weswegen wir uns entschlossen haben, den Betrieb des Sonderfahrdienst zu übernehmen. Denn immer mehr Menschen mit Behinderungen haben in den letzten Jahren den BerlKönig genutzt, unter anderem, da er viel einfacher und schneller zu bestellen war als andere Verkehrsmittel für Menschen mit Behinderungen. Immer wieder hat uns daher die Bitte erreicht, ob wir unsere Technologie nicht auch für den Sonderfahrdienst nutzen können, um auch ihn weiter zu verbessern. Dazu haben wir uns dann nach vielen Gesprächen entschieden und freuen uns sehr auf die Aufgabe.
Kann perspektivisch die Erfahrung mit dem SFD auch eine Rolle spielen, um Angebote wie den BerlKönig zu verbessern oder neue Konzepte für die Beförderung von Menschen mit Behinderung zu entwickeln?
Valerie von der Tann: Das hoffen wir sehr! Es gibt noch viel zu tun, um Menschen mit Behinderungen wirklich gute öffentliche Mobilität anbieten zu können, und wir versuchen in jedem unserer Projekte da nicht nur einen Beitrag zu leisten, sondern auch von den Fahrgästen zu lernen. In diesem Sinne freuen wir uns sehr darauf, das BerlMobil in den nächsten Jahren im engen Austausch mit den Nutzerinnen und Nutzern zu verbessern und weiterzuentwickeln. Wir sind für alle Anregungen dankbar.
Fahrtanmeldung beim BerlMobil
Ab 15. September können bereits Fahrten angemeldet werden. Die wichtigsten Anmeldeinformationen und Kontaktinformationen haben wir für euch zusammengefasst:
- Web-App, Smartphone-App und Online-Formular: In erster Linie wird auf digitale Anmeldemöglichkeiten gesetzt, die ab 15. September 2021 auf der Website von BerlMobil erreichbar sein werden.
- Telefon: 030 / 220 271 36
- E-Mail: buchung@berlmobil.de
- Fax: 030 / 220 271 46 (Faxformular ist noch in Bearbeitung)
- Brief: ViaVan GmbH, Rosa-Luxemburg-Str. 14, 10178 Berlin
Alle Fotos: Via Van GmbH / BerlMobil