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Eine Parkanlage mit ebenen Wegen

Barrierefreies Bauen – Komfort für alle

Wo kann ich wohnen, wenn ich alt bin? Was kann ich in den eigenen vier Wänden umbauen, um möglichst lange zuhause zu wohnen, auch wenn ich Pflege benötige? Diese Fragen stellt sich jeder und jedem im Alter. WIR-Redakteurin Monika Holfeld, Architektin und spezialisiert auf altersgerechtes und barrierefreies Bauen, gibt Antworten.

Rollstuhl über Türschwelle
Schwellenloser Terassenaustritt
Quelle: Martin Starl

Barrierefreies Bauen ist alternativlos

Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes sagt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Wenn es um die Allgemeinheit geht, sind darunter auch ältere Menschen zu verstehen. Laut der aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts werden im Jahr 2050 rund ein Drittel der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Im Alter zu Hause zu wohnen, ist nicht nur ein persönlicher Wunsch vieler, es ist angesichts der Zahlen auch alternativlos: So viele Pflegeheime können gar nicht gebaut werden und allein vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Pflege ist der Betreuungsbedarf in diesen Heimen auch kaum zu decken. Umso mehr gilt: Daheim statt Heim!

Die Bezeichnung altersgerecht sollte beim Bauen eigentlich keine besondere Rolle spielen. Schließlich ist Barrierefreiheit bereits für 10 % aller Bürgerinnen und Bürger unentbehrlich. Für rund ein Drittel von ihnen ist sie wegen Mobilitätseinschränkungen notwendig. Aber für jeden und jede ist sie ein wichtiges Komfort- und Qualitätsmerkmal.

Barrierefreies Bauen: Vom Treppengitter zum Treppenlift

Der demografische Wandel ist nicht der alleinige Grund, die Immobilien für die Zukunft zu modernisieren. Unsere Immobilien werden aufgrund von Wohnungsknappheit künftig nicht nur werthaltiger sein, sondern müssen sich auch als gebrauchstauglicher für unsere einzelnen Lebensphasen erweisen. Bei kleinen Kindern bauen Eltern ein Schutzgitter an die Treppe, bei alten Bewohnerinnen und Bewohnern bietet eventuell ein Treppenlift eine Alternative, um auch ohne Aufzug in der Wohnung oder im Haus auszukommen. In Zeiten, in denen es um Nachhaltigkeit geht, sollten bauliche Anpassungen nach Bedarf eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein!

Ein Sessellift für den Weg in den Garten
Ein Treppenlift für außen ermöglicht gerade im Altbaubereich einen problemlosen Zugang.
Quelle: Lifta GmbH, Köln

Was ist barrierefreies Design?

Der Begriff barrierefrei steht als Erkennungszeichen für viele neue Erkenntnisse und Grundlagen angewandter Technik, Architektur und Design. Grundsätzlich ist der Begriff vor allem in seiner sozialen Dimension zu verstehen, was einen schwellenlosen und stufenfreien Eingang eines Wohnumfeldes ebenso betrifft wie die akzeptierte Gleichstellung aller Menschen in jedem Alter, mit oder ohne Behinderung.

Eine Holzbank in einer Außenanlage
Festverlegter Bodenbelag und bequeme Sitzgelegenheit
Quelle: Erlau

Bauordnungen und Normen

In den Bauordnungen sind alle Normen und Vorschriften mit einzubeziehen. Dazu gehört mit der DIN 18040 auch eine Norm für barrierefreies Bauen. Sie hat drei Teile: Teil 1 behandelt öffentlich zugängliche Gebäude – auch barrierefreie Arztpraxen. Teil 2 beschäftigt sich mit Wohnungen, wobei hier eine Unterteilung in barrierefreie- und rollstuhlgerechte Wohnungen erfolgt (letztere sind mit einem „R“ gekennzeichnet). Teil 3 bezieht sich wiederum auf Verkehrs -und Außenanlagen.

Bei allen drei zur Anwendung kommenden Teilen der Norm gilt das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip: Danach muss bei Planung und Bauausführung berücksichtigt werden, dass mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tasten zur Informationsaufnahme bei Menschen mit sensorischen Einschränkungen angesprochen werden können, also z. B. bei Sehbehinderung der Hör- und Tastsinn. Nicht alle Wohnungen werden rollstuhlgerecht gebaut, sondern nur die, für die die „R“-Kennzeichnung vorliegt. Wie viele Wohnungen für Rollstuhlnutzerinnen und Rollstuhlnutzer vorgesehen sind, regelt die Bauordnung in den jeweiligen Bundesländern. Die Praxis zeigt: Nicht überall werden entsprechende Auflagen auch eingehalten.

Was sind Barrieren in den eigenen vier Wänden?

Wohnungen und Häuser älteren Baujahres weisen viele Merkmale auf, die einer Eignung für das Wohnen im Alter entgegenstehen. So gibt es vielerorts keinen stufenlosen Eingang oder bei Mehrfamilienhäusern keinen Aufzug. In den Wohnungen sind die Türen für den Rollstuhl oftmals zu eng und der Balkonaustritt ist beispielsweise mit einer Stufe versehen. Allein im Bad finden sich zahlreiche Barrieren. Wer in den eigenen vier Wänden bleiben möchte, braucht entsprechende bauliche Anpassungen.

Laut DIN-Norm müssen Wohnungseingangstüren möglichst schwellenfrei erreichbar sein. Wenn es sich konstruktiv nicht anders lösen lässt, so ist eine Behelfsvariante in Form eines Holzkeils eine Alternative. Für Menschen mit Sehbehinderungen sollte der Türrahmen im farblichen Kontrast zur Zarge stehen, also z. B. eine helle Tür mit einer dunklen Zarge (oder umgekehrt) kombiniert werden. In der Wohnung sollten alle Räume schwellenfrei erreichbar sein. Eine Verbreiterung der Zimmertüren ist oft nicht zwingend notwendig. Mobilitätseingeschränkte Personen nutzen zuhause oft einen Rollator oder einen faltbaren Rollstuhl. Damit kommen sie durch normale Türbreiten oft gut durch.

Barrierefreies Bauen: Maßnahmen für das Badezimmer

Die größten Probleme stellen sich oft im Bad und auf dem Balkon. Sicherheit im Bad bieten oft schon Badewannenlift, Haltegriffe und -stangen. Das ist relevant, wenn der Einbau einer bodengleichen Dusche konstruktiv nicht möglich ist. Eine einfarbige, oft weiße Sanitärkeramik wird von Menschen mit Sehbehinderung schlecht erkannt. Bei jeder Badsanierung sollte daher gleich auf eine kontrastreiche Fliesengestaltung geachtet werden. Wand- und Bodenfliesen können im farblichen Kontrast gelegt werden. Fliesenhersteller haben ein sehr großes Sortiment, sodass einer ästhetischen Badgestaltung nichts im Wege steht. Zumal die Farbauswahl keine Mehrkosten mit sich bringt. Die Bodenfliesen müssen allerdings laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) mindestens den Anforderungen an die Rutschhemmung der mittleren Bewertungsgruppe B entsprechen (siehe DGUV Information 207-006) und hier ist die Farbvielfalt nicht so groß wie im Wandfliesen-Sortiment.

Beispiel für einen barrierefreien Badumbau, mit Duschbereich
und kontrastreicher Gestaltung in dem Elisabeth Diakoniewerk der
Stephanus gGmbH in Berlin-Niederschönhausen
Quelle : Monika Holfeld

Die Badezimmertür sollte nach außen aufschlagen, damit im Notfall einer im Bad gestürzten Person der Zugang für schnelle Hilfe gewährleistet ist. Wenn sich das aus Platzgründen schwer realisieren lässt, sollten Raumspartüren zum Einsatz kommen. Vorausschauend unterfahrbare Waschtische zu installieren, ist immer von Vorteil. Selbst wenn bei der Modernisierung noch nicht die Behinderung im Fokus steht, sollte bei der Vorwandinstallation schon die Konstruktion für Stütz- und Haltegriffe eingeplant werden, sodass später ein schnelles Nachrüsten möglich ist. Ein Fensterflügel kann in jedem Raum möglichst im Sitzen geöffnet und geschlossen werden (Höhe 85–90 cm). Wenn das von vornherein mitberücksichtigt wird, stellt es beim Fensteraustausch keine Mehrkosten dar.

An- und Herausforderungen für Bewegungsflächen

Die Bewegungsflächen innerhalb der Wohnungen sind recht unterschiedlich, doch meistens finden die Bewohner und Bewohnerinnen eine Lösung, sich in ihren vier Wänden zu bewegen, notfalls müssen Möbel weichen. Vorgeschriebene Bewegungsflächen laut DIN 18040-2 sind 1,50 m x 1,50 m für die Wendung eines Rollstuhls und 1,20 m x 1,20 m für sonstige Nutzer und Nutzerinnen, z. B. mit Rollator.

Eine oft größere Herausforderung stellen Balkon bzw. Loggia oder Terrasse dar. Hier ist ein schwellenfreier Zugang häufig nur möglich, indem die Höhendifferenz außen zwischen Boden und Tür durch einen zusätzlichen Aufbau der Bodenplatte ausgeglichen und innen mit Holzkeil oder mobiler Rampe eine nutzbare Lösung geschaffen wird. Der Bodenbelag muss rutschhemmend und fest verlegt sein.

Sollten die Balkone sowieso erneuert werden und durch vorgestellte Balkone ersetzt werden, so ist immer eine praktikable Lösung zu erreichen, da hier schon viele Anbieter sehr funktionale und zugleich ästhetisch gute Lösungen anbieten. Die Balkonbrüstung sollte ab 60 cm Höhe über der Oberkante des fertigen Fußbodens Erwachsenen im Sitzen sowie kleinen Kindern die Durchsicht ins Umfeld ermöglichen. Bei neu errichteten vorgestellten Balkonen ist darauf zu achten, dass die Tiefe mindestens 1,70 m betragen sollte, um von vornherein eine größere Bewegungsfläche zu haben.

Eine mobile Rampe überbrückt den Höhenunterschied zwischen Garten und Terrasse
Ist schnell mitgenommen und ausgeklappt: Eine mobile Rampe zum Überqueren von Hindernissen
Quelle: Altec GmbH

Eine barrierefreie Wohnung allein genügt nicht!

Nicht nur die Wohnung, auch die Infrastruktur muss so gestaltet werden, dass ein Miteinander möglich ist und für soziale Kontakte sorgt. Das heißt zuerst, dass die Außenanlagen barrierefrei gestaltet werden, dass da, wo Differenzstufen sind, diese kontrastreich zu kennzeichnen sind und wenn möglich zusätzlich die Ausführung einer Rampe erfolgt. Zonen zum Verweilen oder Ausruhen sollten integriert werden, genauso wie Spielplätze für Jung und Alt. Ein Pflanzbeet oder ein Garten sind eine gute Möglichkeit, Kinder an Kräuter und andere Pflanzen heranzuführen, und für ältere Leute wird dadurch gleichzeitig ein Aktivieren der Sinne – z. B. des Tast -und des Geruchssinns – möglich. Wege sollten aus verschiedenen Materialien bestehen, damit diese taktil erfassbar sind. Gefahren, wie z. B. Kanten oder Hindernisse, sollten kontrastreich gestaltet werden. Auch eine blend- und schattenfreie Ausleuchtung der Wege ist erforderlich, um sich sicher zu fühlen. Hier sollte besonders berücksichtigt werden, dass sich mit zunehmendem Alter der Blickwinkel verändert: Für die gleiche Sehleistung brauchen ältere Menschen bis zu 100 % mehr Licht als jüngere. Somit ist eine blend- und schattenfreie Ausleuchtung besonders wichtig.

Weiterführende Informationen und Darstellungen befinden sind in meinem Buch.

Barrierefreie Lebensräume. Bauen und Wohnen ohne Hindernisse (2., überarbeitete Auflage 2011, erschienen bei Beuth Praxis).

Die Autorin

Dipl. Ing. Monika Holfeld,
freischaffende Architektin
www.architektur-und-farbgestaltung.com

Dieser Text erschien ursprünglich in der WIR 1/2020.