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Die Wildkräuter im Garten der Villa

30 Jahre Wildkräuter. Von der Minigolfanlage zum inklusiven Gemeinschaftsgarten

Vor 30 Jahren öffnete in der Villa Donnersmarck in der Zehlendorfer Schädestraße der inklusive Gemeinschaftsgarten der Fürst Donnersmarck-Stiftung (FDST). Seither blühen und gedeihen hier Obst, Gemüse und Blumen, die von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gesät, gepflegt und geerntet werden. Zum Jubiläum haben wir im Archiv gewühlt und der Gruppe „Wildkräuter“ einen hochsommerlichen Besuch abgestattet.

Frühling

Zu sehen ist eine Minigolfanlage. Im Hintergrund die Villa Donnersmarck. Das Bild ist schwarz-weiß.
Die Minigolfanlage aus den 1960er Jahren. Heute ist hier der Garten der Villa Donnersmarck

Es begann alles mit der neuen Leiterin der Schädestraße Friedhild Mory. Am 1. Februar 1991 hatte sie die Leitung der Villa Donnersmarck übernommen. Ihr muss sofort in die Jahre gekommene Minigolfanlage ins Auge gefallen sein, die seit 1962 im Garten der damals noch „Versehrtenheim“ genannten Villa Donnersmarck stand. Bereits 14 Tage nach Dienstantritt führte Mory Gespräche über eine alternative Nutzung des Geländes. Kurz darauf stand fest, dass dort eine inklusiv nutzbare Gartenanlage entstehen sollte.

Das Tempo blieb hoch, vielleicht auch, da der neue Garten noch im selben Jahr bepflanzt werden und Früchte hervorbringen sollte. Im Mai rief Mory eine Gruppe ins Leben, um den Garten zu konzipieren. Die Gruppe „Wildkräuter“ entstand, wie sie bis heute heißt. Wenig später übernahm die Landschaftsplanerin Josefine Grimmer die Gruppenleitung. Sie hatte kurz zuvor ihre Diplomarbeit über behindertengerechte Gartenanlagen an der TU Berlin geschrieben und war über einen Tagespiegelartikel auf die Gartenanlage aufmerksam geworden. 30 Jahre später steht sie noch immer jeden Freitag im Garten und leitet die Wildkräuter an.

Der Garten der Wildkräuter als inklusives Projekt

Von Anfang an hatte der Garten der Villa Donnersmarck einen inklusiven Ansatz. Hier sollten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenarbeiteten und sich begegnen. Das ist nach wie vor so: Die Wildkräuter setzen sich auch heute aus Personen mit Behinderung und den sogenannten „Fußgängern“ zusammen. Das sind Personen aus der näheren und weiteren Umgebung der Villa, die nicht beeinträchtigt sind. Sie suchen nach Austausch oder arbeiten einfach gerne an der frischen Luft. Um diese Mischung zu ermöglichen, bedurfte es einiger baulicher Besonderheiten. Mit Holzpalisaden wurden Hochbeete angelegt, die für bewegungsbeeinträchtigte Personen leichter zugänglich sind. Anfang der 1990er Jahre war das keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auch vor der Zweckentfremdung von Gartengeräten wurde damals nicht haltgemacht. Auf einem Teil der Fläche ließen die Wildkräuter umfunktionierte Gewächshaustische installieren. Sie waren unterfahrbar und ermöglichten es auch Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern, in der Erde zu wühlen.

Selbst bei den Schaufeln, Scheren und Harken war Einfallsreichtum gefragt. Es gab zwar in England und Holland speziell konstruierte Geräte, mit denen Menschen mit Beeinträchtigung besser gärtnern konnten. In Deutschland waren diese damals aber noch nicht zu haben. Die Gartengruppe setzte daher auf besonders leichte Geräte mit austauschbaren und in der Länge variablen Griffen. Die barrierefreie Einrichtung des Gartens kommt im Übrigen allen Mitgliedern der Gartengruppe zugute. Denn das Arbeiten an Hochbeeten und Gewächshaustischen ist ebenso rückenschonend, wie es die Kommunikation unter den Gärtnerinnen und Gärtnern befördert und die gegenseitige Unterstützung beim Gärtnern erleichtert. Die erhöhten Tische haben übrigens einen weiteren Vorteil: Schnecken können an ihren Füßen kaum hochklettern und so gedeiht der Pflücksalat ganz in Ruhe und ohne Chemie.

Öffentliche Aufmerksamkeit für die Wildkräuter und viele Besucher

Eine ganze Reihe an Besucherinnen und Besuchern sind über die Jahre hinweg vorbeigekommen. Verschiedene Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen aus Deutschland und Japan besuchten die Wildkräuter, um sich ein Bild vom inklusiven Gärtnern zu machen. 1995 drehte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) im Garten und portraitierte einen ganzen Tag lang die Wildkräuter. Die Sendung wurde in der „Thelethek Gartenarbeiten“ ausgestrahlt. Diese handelte von dem Thema „körpergerechtes Gärtnern“. Die Wildkräuter nehmen auch regelmäßig am „Tag der offenen Gärten“ teil.

Bei dieser Aufmerksamkeit ist es nur logisch, dass Prämierungen des Gartens nicht lange auf sich warten ließen. Schon im dritten Gartenjahr erhielt der barrierefreie Garten vom Naturschutzbund Deutschland einen Preis. Im Oktober 1996 konnten die Wildkräuter für ihre kurz vorher angelegte „Kräuterspirale“ den zweiten Preis des Umweltwettbewerbs „Mensch-Natur-Umwelt“ des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg in Empfang nehmen.

Sommer

Zu sehen sind insgesamt vier Töpfe mit Kräutern.
Colastrauch & Co: Die Duftbar der Wildkräuter

Von der Vergangenheit in die Gegenwart: Es ist Mitte August 2021 und im Garten sprießt und blüht es überall: Blauer Kohlrabi, Rucola, Paprika, Schnittlauch, Zucchini, die Blumenuhr und nicht zuletzt die Duftbar mit Erdbeerminze, Anis, Colastrauch und weiteren „Kräutern“ gedeihen in den Beeten, Tischen und Töpfen. Letztes Jahr tauschte die Villa die morschen Palisaden der Hochbeete aus. Statt aus Holz sind die neuen Pfähle aus recycelten Stoßstangen gefertigt und versprechen lange Haltbarkeit.

Die Erdbeeren sind bis auf wenige Exemplare abgeerntet und hochgebunden. Ihre Ausläufer sind in Töpfe umgesiedelt und zur erneuten Auspflanzung bereit. Einige Riesenzucchini wurden in den vergangenen Wochen geerntet. Neue Blüten und kleine Früchte kündigen weitere Ernten an. Die Blütenstände des erstaunlich scharf schmeckenden Rucola werden zurückgeschnitten, der blaue Kohlrabi geerntet. Seine Blätter landen auf dem Kompost. Als Dünger werden sie im kommenden Jahr auf den Gewächshaustischen ausgebracht. Der Gartenkreislauf schließt sich. Überhaupt summt und brummt es überall im ganzen Garten, besonders in der „Kräuterspirale“, einem wahren Insekteneldorado.

Die kommende Zucchiniernte

Herbst

Doch was geschieht mit all dem produzierten Gemüse, den Kräutern, den Äpfeln und den Birnen von der angrenzenden Obstwiese? Früher ging einiges davon direkt in die Küche der Villa Donnersmarck. Dort verarbeiteten es die Mitarbeitenden der Villa zu Tagesgerichten, die man später gemeinsam verzehrte. Sozusagen ein Musterbeispiel regionalen Anbaus. Während der Corona-Pandemie war dieser „Absatzmarkt“ allerdings nicht verfügbar. Und so mussten die Gärtnerinnen und Gärtner das Gemüse selbst mitnehmen und verarbeiten. Zu besonderen Anlässen verköstigen sich die Wildkräuter aber auch mit „vegetarischem Festessen aus eigenem Gartenanbau“. Es steht zu vermuten, dass dies bei der Feier zum 30-jährigen Jubiläum der Gartengruppe abermals der Fall sein wird.

Die Kräuterspirale im Bild. Sie blüht vor allem grün und besteht aus aufeinandergeschichteten Steinen.
Die Kräuterspirale im Spätsommer. Ein Paradies für Insekten

Winter

Wenn dann alle Blätter gefallen und zusammengeräumt sind, die Beete abgeräumt und der Igel in irgendeinem der Laubhaufen seinen Winterschlaf beginnt, treffen sich die Wildkräuter jede Woche im Inneren der Villa Donnersmarck. Dann stehen gemeinsames Grünkohlessen, Museumsbesuche, Ausflüge oder einfach nur Kaffeetrinken und sich unterhalten auf dem Programm. Aber das Gärtnern rückt auch nicht ganz in den Hintergrund: Die Gruppe plant beispielsweise, was sie im kommenden Jahr wo anbauen möchte. Früher wurden im Winter auch die Setzlinge vorgezogen. An ihre Stelle ist aber längst die liebevoll genannte „Schummelware“ getreten: Im Fachhandel gekaufte Jungpflanzen, die im Frühjahr in die Beete kommen und den Beginn eines neuen Gartenjahres markieren.

Alles Gute zum Jubiläum, liebe Wildkräuter!

Bis zum nächsten runden Geburtstag wüschen wir den Wildkräutern allzeit eine gute Ernte und dass ihnen die Erdwürmer wohlgesonnen bleiben. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!

PS: Im Übrigen freut sich die Gartengruppe jederzeit über neue Mitglieder, die entweder bereits einen grünen Daumen haben oder ihn in der Schädestraße erwerben möchten. Alle notwendigen Informationen finden Sie auf der Webseite der Villa Donnersmarck.