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Entwurfszeichnung des Seehotel Rheinsberg

20 Jahre Seehotel Rheinsberg: Jubiläum am Grienericksee

Am 28. Juni 2021 ist es soweit: Wir feiern 20 Jahre Seehotel Rheinsberg. Als im Jahr 2001 die offizielle Eröffnung stattfand, würdigten der Ministerpräsident Brandenburgs, Manfred Stolpe, der Altbischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Martin Kruse, und der Kuratoriumsvorsitzende der FDST, Guidotto Graf Henckel Fürst von Donnersmarck, das neue Haus.
Wie war es damals zur Eröffnung von Deutschlands größten, für Menschen mit Körperbehinderung vollständig barrierefreien Vier-Sterne-Hotel gekommen? Warum baute die Fürst Donnersmarck-Stiftung, deren Wurzeln in Frohnau im Nordwesen Berlins liegen, eine Hotelanlage in Rheinsberg? Und was hat sich seither getan? Unser Archivstück gibt diesmal Einblicke in die Entstehung eines ganz normalen und doch sehr besonderen Hotels.

Die Fürst Donnersmarck-Stiftung und das Reisen

Freizeit- und Urlaubsangebote sind seit vielen Jahren zentrale Säulen der FDST. Die Stiftung organisiert Reisen für Menschen mit Behinderung, um die Selbstermächtigung und Inklusion dieser Personengruppe zu fördern. Angefangen hat all dies bereits in den 1950er Jahren mit den „Fahrten des guten Willens“ nach Oerlinghausen in Nordrhein-Westfalen. In den 1960er Jahren fuhren die Bewohnerinnen und Bewohner des Fürst Donnersmarck-Hauses dann schon bis nach Griechenland. Weitere nationale und internationale Reisen folgten. Schließlich eröffnete die FDST 1972 ihr erstes barrierefreies Gästehaus in Bad Bevensen in der Lüneburger Heide – das heutige Heidehotel Bad Bevensen. Der vorerst letzte Baustein im Bereich Touristik war die Eröffnung des Seehotels Rheinsberg im Jahr 2001. Es war gleichzeitig das bis dahin größten Bauvorhaben der Stiftung.

Die Idee für das Seehotel geht auf die 75-Jahr-Feier der Stiftung im Jahr 1991 zurück. In Vorbereitung auf das Jubiläum wurde unter dem Titel „Stiftung 2000“ eine Zukunftswerkstatt veranstaltet. Dort kristallisierte sich der Wunsch nach einem neuen touristischen Angebot heraus. Es dauerte jedoch noch bis Mitte der 1990er Jahre, ehe die Planung in Angriff genommen wurde. Der konkrete Zuschnitt des neuen Angebots war damals noch nicht klar: Sollte ein Gästehaus mit Kurangebot, eine Hotelanlage mit Freizeit- und Seminarmöglichkeiten, ein Tagungshaus oder eine reine Freizeitanlage entstehen? Und an welchem Ort sollte die Stiftung bauen?

Bereits früh gerieten die damals neuen Bundesländer im Umfeld von Berlin in den Blick. Für diesen Standort sprachen die noch verfügbaren Bauplätze und die Tatsache, dass hier noch kaum Angebote für Menschen mit Behinderung existierten. Selbstverständlich spielte bei der Standortwahl aber auch die Nähe zu Berlin bei gleichzeitigem Naturerlebnis eine wichtige Rolle. In die engere Auswahl der Stiftung gerieten schließlich die ehemaligen Beelitzer Heilstätten und ein Seegrundstück in Rheinsberg. Die Wahl fiel schließlich auf das Modell ‚Hotelanlage mit Freizeit- und Seminarmöglichkeiten‘ und auf den Standort Rheinsberg. 1996 konnte die Stiftung dort ein 13.000 qm großes, Grundstück erwerben.

Ballonversuch und Musterzimmer

Inmitten der Planungen für das Seehotel Rheinsberg wechselte dann die Geschäftsführung der FDST. 1997 ging Ekkehard Reichel in den Ruhestand und wurde von Wolfgang Schrödter abgelöst. Ihm oblag es das Projekt zu vollenden. Sofort galt es, unterschiedliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Beispielsweise befürchtete die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, dass sich durch den Neubau die historische Silhouette der Stadt Rheinsberg verändern würde. Sie legte daher Einspruch gegen das Bauvorhaben ein. Das Hotel war nur ca. 400 Meter Luftlinie von dem Rheinsberger Schloss und dem angrenzenden Theater entfernt. Deswegen wollte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sicherstellen, dass die Ansicht des historischen Gebäudeensembles beim Blick vom gegenüberliegenden Ufer des Grienericksees nicht gestört wurde.

Um diese Bedenken auszuräumen, fand man 1998 eine kreative Lösung: Einen Ballonversuch. Am geplanten Standort des Hotels ließ die FDST große gasbefüllte Ballons steigen. Die etwas niedrigeren blauen Ballons markierten die Traufhöhe der geplanten Gebäude. Die weiter oben schwebenden roten deren maximale Höhe. Vom gegenüberliegenden Ufer konnte so ermittelt werden, ob und wie sich die Gebäude in die Silhouette einfügen würden. Fast wäre der Ballonversuch gescheitert. Denn an dem Tag seiner Durchführung war es in Rheinsberg derart windig, dass die Ballone nicht immer senkrecht standen und die geplante Gebäudehöhe nicht korrekt anzeigten. Dennoch war der Versuch ein Erfolg und überzeugte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten von dem Projekt. Als später noch die Entwürfe zur Fassaden- und Farbgestaltung des Hotels vorlagen, zog sie ihren Einspruch gegen den Bau zurück. Am 13. April 1999 wurde die Baugenehmigung übergeben. Kurz danach fand der erste Spatenstich statt und bereits zum Jahreswechsel 2000 hatten die Gründungsarbeiten für den Hotelbau begonnen.

Der mit Spannung erwartete Ballonversuch

Von Anfang an arbeitete die Stiftung bei der Planung des Hotels mit Menschen mit Behinderung zusammen. Um deren konkreten Bedarf zu ermitteln und das Design zu prüfen, wurde ein Musterzimmer in einem an das Hotel angrenzenden Gebäude eingerichtet. Ab Mai 2000 konnten Einheimische und Menschen mit Behinderung das Musterzimmer besichtigen erproben. Die Stiftung erhielt dadurch Informationen über die Akzeptanz und Möglichkeiten zur Verbesserung der Inneneinrichtung. Im selben Jahr starteten die Marketinginitiativen, ab September 2000 waren Zimmer buchbar, obgleich eben erst das Richtfest gefeiert wurde.

Wolfgang Schrödter erläutert das Bauvorhaben

Erste Sahne und Rolle Rückwärts

Ende Juni 2001 war es dann soweit. Das Hotel, mit einer großen wettkampftauglichen Sporthalle und einem barrierefreien Wellnessbereich mit Schwimmbad und Sauna öffnete seine Türen für die Gäste. Diese kamen reichlich, vielleicht auch weil die Eröffnung ein breites, deutschlandweites Presseecho hervorrief. Schon im ersten Jahr erreichte das Haus eine Belegung von über 50%. Bald fanden dort auch große Feiern und inklusive Sportwettbewerbe statt.

Der Eröffnung vorangegangen war ab Mai 2001 ein „Soft-Opening“. Personen aus dem Umfeld der FDST lernten in dieser Zeit das Hotel kennen, während die Belegschaft die neuen Abläufe einübte. Die Stiftung vermietete die Zimmer zu diesem Zeitpunkt zu „äußerst kulanten Preisen“, wie Ronald Budach in einer Hotelrezension in der Stiftungszeitschrift WIR schrieb. In seinem Bericht lobte er die durchdachten „technischen Extras“, mit denen das Hotel „gespickt“ war. Chipkartengesteuerte, automatische Türen, großzügige Aufzüge mit barrierefreier Bedienung und vor allem die höhenverstellbaren Tische im Restaurant sowie die Qualität der dort gereichten Speisen („erste Sahne“, so Budach) fielen ihm positiv auf. Allerdings gab es auch etwas zu monieren: Die Größe der Bäder fand Budach bestenfalls akzeptabel und die Haltegriffe an den Waschbecken, die nicht hochgeklappt werden konnten, empfahl er auszutauschen.

Auch im Umfeld des Hotels gab es damals noch einige Baustellen auf dem Weg zur Barrierefreiheit: Kopfsteinpflaster, zu hohe Bordsteinkanten und Wanderwege, die mit dem Rollstuhl nur eingeschränkt befahrbar waren – oder, wie Ronald Budach hervorhebt, den „Action-Bedarf von Rollstuhlfahrern einschließlich Rolle rückwärts“ befriedigten – waren Hindernisse, die einem vollständigen Urlaubsgenuss entgegenstanden.

Barrierefrei Bauen: Behinderungen am ehemaligen Bahnhof in Rheinsberg im Jahr 2000

Ein weiteres Problem bestand darin, dass der Ort mit der Deutschen Bahn nur eingeschränkt erreichbar war und diese sich beharrlich weigerte, den Rheinsberger Bahnhof barrierefrei umzugestalten. Doch solche Widrigkeiten hielten die FDST nicht davon ab, sich weiter in Rheinsberg zu engagieren, ihr Angebot auszubauen und Hindernisse für Menschen mit Behinderung aus dem Weg zu räumen.

Genuss und Kultur

Damit die Gäste möglichst bequem nach Rheinsberg kommen können, richtete das Hotel einen Shuttelservice ein. Er holt Gäste aus dem nahe gelegenen, barrierefreien Bahnhof Gransee oder von zu Hause aus ab. Zusätzlich zu dem Seehotel Rheinsberg eröffnete die Stiftung im Jahr 2001 das barrierefreie Café Tucholsky. Das Café entwickelte sich schnell zu einem Ort der Begegnung zwischen Hotelgästen, der lokalen Bevölkerung und Tagestouristen. Auf Drängen der Denkmalschutzbehörde wurde das Haus ein Neubau in „typisch brandenburgischem Stil“. Es öffnete wenige Wochen nach dem offiziellen Start des Sehhotels und verfügt über zwei Ferienwohnungen, die von allen Urlaubsinteressierten gebucht werden können. Ein weiteres Bauvorhaben war das Apartmenthaus gegenüber dem Hotel. Es geht auf Anregungen von Gästen zurückgeht, die ihren Urlaub individueller als in einem Hotel gestalten wollten. Seit 2005 können dort Familien und Gruppenreisende in barrierefreien Ferienwohnungen unabhängig vom Hotelbetrieb ihren Urlaub genießen.

Genuss und Kultur: Ausstellungseröffnung im Seehotel

Zum Seehotel Rheinsberg gehörte von Anfang an auch die Kunst. Denn das Hotel beherbergt nicht nur Urlaubsreisende und Erholungssuchende, sondern auch eine eigene Kunstsammlung. Um die Hotelräume angenehm und hochwertig zu gestalten, erwarb die Stiftung bei der Einrichtung zahlreiche Werke namhafter zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Zwei Mal im Jahr finden im Seehotel zudem Wechselausstellungen satt.

Das Seehotel und die Stadt Rheinsberg

Nicht nur äußerlich haben sich das Seehotel und das Café Tucholsky in die Rheinsberger Silhouette eingepasst. Auch kulturell und gastronomisch prägen sie das Leben der Stadt aktiv mit. So hat sich die Stadt auf die Bedürfnisse der Gäste mit Behinderung eingestellt: Inzwischen bietet sie zahlreiche barrierefreie Angebote und hat Menschen mit Behinderung als wichtige Zielgruppe ihres touristischen Angebots erkannt. Barrierefreiheit ist in Rheinsberg zu einem Wirtschaftsfaktor geworden und Rollstuhlfahren ist 20 Jahre nach Eröffnung des Seehotels nicht mehr nur „Action“, sondern auch Sightseeing. Und selbst die Bahn hat die Zeichen der Zeit erkannt: Mittlerweile verfügt der Bahnhof Rheinsberg über Anlagen, die Rollstuhlfahrern die direkte Anreise ermöglichen.